Deutsche Soldaten statt deutscher Panzer?
Türkei: Koalitionsparteien behindern Scharpings Bündnispolitik
Von Hans-Georg MünsterWenn es um die Beziehungen der Türkei geht, wird die rot-grüne
Koalition in Berlin von zwiespältigen Gefühlen befallen. Einerseits konnten sich
Bundeskanzler Gerhard Schröder und sein grüner Außenminister Joschka Fischer nicht
vehement genug dafür einsetzen, daß Ankara den Status eines Beitrittskandidaten für die
Europäische Union erhält. Andererseits verweigern die die Koalition tragenden
Regierungsparteien die von der Türkei gewünschten Waffen, insbesondere den deutschen
Kampfpanzer Leopard II.
Vor diesem Hintergrund reiste noch schnell vor Weihnachten Verteidigungsminister Rudolf
Scharping in das Land am Bosporus, das immerhin zu den ältesten Freunden Deutschlands
gehört. Scharpings eigentliche Mission blieb indes auch nach Abschluß der Reise im
unklaren. Der entscheidende Schritt Richtung Europa war getan; Waffen konnte und wollte
der deutsche Verteidigungsminister den Türken aber nicht zusagen. Es blieb nichts anderes
als das eine oder andere freundliche Gespräch, aus dem die Türken durchsickern ließen,
sie hätten nicht verstanden, warum die Deutschen Waffengeschäfte an die Verbesserung der
Menschenrechtssituation koppeln.
Falls Scharping etwas mit seiner Reise bezwecken wollte, so könnte es der Versuch
sein, erneut den Beweis zu führen, daß er noch Höheres im Sinn hat als den undankbaren
Posten des Verteidigungsministers. Seine im Herbst beinahe hektischen Reise-Aktivitäten
besonders in arabische Länder lassen den Schluß zu, daß Scharping den Konflikt mit
Außenminister Fischer sucht, in dessen Revieren er wildert. Schon bei der Lieferung des
Testpanzers vom Typ Leopard II gerieten die beiden Politiker im Bundessicherheitsrat
aneinander. Und daß Scharping aus seiner Abneigung gegen die Grünen keinen Hehl macht,
ist bekannt. Am liebsten wäre dem Verteidigungsminister eine Große Koalition mit den
Unionsparteien oder eine Wiederauflage der sozialliberalen Koalition und noch
lieber mit ihm als Bundeskanzler. Doch seit dem SPD-Parteitag, auf dem Scharping bei
seiner Wiederwahl zum stellvertretenden SPD-Vorsitzenden ein dramatisch schlechtes
Ergebnis von rund 70 Prozent erhielt, dürften seine Träume auf die Kanzlerschaft vorerst
ausgeträumt sein. Kanzler Schröder sitzt seit der Rettungsaktion für den Baukonzern
Holzmann, seit der Verabschiedung des Sparpakets und nicht zuletzt wegen der Existenzkrise
der CDU so fest im Sattel wie nie. Die SPD-Parteitagsdelegierten sahen das genauso und
bestätigten Schröder mit beinahe 90 Prozent wieder als Vorsitzenden.
Dabei sind Scharpings außenpolitische Vorstellungen im Grundsatz so schlecht nicht.
Während Außenminister Joschka Fischer nicht oft genug in die USA reisen kann und die
Bundesrepublik mindestens genauso fest transatlantisch verankern möchte, wie die
Regierung Kohl dies 16 Jahre lang getan hat, geht Scharpings Blick über den Tellerrand
der deutsch-amerikanischen Beziehungen hinaus. Der Verteidigungsminister möchte mit den
politisch gemäßigten arabischen Staaten wie Ägypten, den Emiraten und der Türkei eine
Achse gegen fundamentalistische islamische Bestrebungen schmieden. Angesichts von
geschätzten drei Millionen Moslems in Deutschland und einer großen muslimischen
Bevölkerung auf dem unruhigen Balkan klingt die Idee gut.
Aber Scharping ist keinen Schritt weitergekommen. Wer Freundschaften erhalten oder
vertiefen will, muß auch auf die Wünsche der Freunde eingehen. Die Araber wollen jedoch
nicht nur guten deutschen Rat, sondern Waffen aus Europa am liebsten aus
Deutschland , um sich gegen fundamentalistische Aggressionen aus dem Irak und dem
Iran wehren zu können. Natürlich können Panzer und Flugzeuge auch in den USA erworben
werden. Doch mißtrauen die Araber dem großen Freund jenseits des Atlantiks, der zwar
gerne Waffen liefert, aber die Versorgung mit Ersatzteilen und die Schulung der Soldaten
von ganz konkretem politischen Wohlverhalten abhängig macht, zum Beispiel gegenüber
Israel.
Doch gerade im Fall des in einem Jahr anstehenden Panzergeschäfts mit der Türkei (es
geht um 1000 Leopard II im Wert von zehn Milliarden Mark) beißt sich die rot-grüne Katze
in den eigenen Schwanz. Der SPD-Parteitag lehnte das Waffengeschäft klar ab, die Haltung
der Grünen ist genauso. Dabei können Leopard-Panzer gegen Kurden genausowenig eingesetzt
werden wie U-Boote. Im Hochland und Gebirge wären die Panzer untauglich. Aber zur
Landesverteidigung, etwa gegen Syrien, den Irak und Iran, würden die deutschen Panzer
einen guten Beitrag leisten können. Dagegen könnte der deutsch-französische
Kampfhubschrauber Tiger, von dem die Türken 140 Stück direkt aus Frankreich (ohne daß
Deutschland mitentscheiden könnte) erhalten sollen, sehr wohl gegen kurdische Rebellen
eingesetzt werden.
Die Haltung der Bundesregierung könnte tragisch werden: Sollte das Nato-Land Türkei
von einem Nachbarn angegriffen werden, müßten die Deutschen mit eigenen Truppen und
Panzern beistehen, weil sie die türkische Armee nicht modern ausrüsten wollten.