16.04.2024

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08.01.00 Ein Kreuz mit den Kreuzen

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 08. Januar 2000


Ein Kreuz mit den Kreuzen
von WILLI WEGNER

Eines Tages sagte meine Frau zu mir: "Seit acht Jahren läßt du mich diese Lottoscheine ausfüllen – aber noch immer muß ich die Zahlen ankreuzen, die du damals mit in die Ehe gebracht hast. Warum versuchen wir’s nicht mal mit anderen Zahlen?"

"Weil wir ganz schön dumm dastünden", erwiderte ich, "wenn eines Tages jene Zahlen, von denen wir uns getrennt haben, den Haupttreffer machen würden."

"Nun, ich kann mir schon denken", sagte meine Frau, "warum du dich von den lächerlichen Zahlen nicht trennen willst! Deiner lieben Verwandtschaft wegen!" Sie wies auf den Schein der Vorwoche. "Was sind denn das hier? Alles Familiendaten! Die Geburtstage deiner gesamten Sippschaft! Da zum Beispiel – drei, vier, dreißig … Der 3. 4. 1930. Deine zickige Tante Edeltraut … Schon seit Jahren sind wir nur noch Luft für sie!"

Es hatte ja recht – es war schon ein Kreuz mit diesen Kreuzen! Aber was sollten wir tun? "Angenommen", sagte ich, "wir entschließen uns zu anderen Zahlen – zu welchen? Nach welchem Gesichtspunkt sollen wir sie auswählen? In der Häufigkeitstabelle der gezogenen Lottozahlen liegen die 21, 32 und 49 vorn, die 13 und die 28 liegen weit hinten. Willst du dich etwa danach richten?"

"Andere Leute", sagte meine Frau, "entwickeln da viel mehr Phantasie! Sie tippen nach dem Kursbuch der Bahn, nehmen Fahr- und Flugplanzeiten, Preisschilder aus dem Supermarkt, Telefonnummern …"

Ich war inzwischen ans Fenster getreten und sah hinaus. "So ein Unsinn!" sagte ich. "Genausogut könnte ich die Nummern der Autos aufschreiben, die da unten vorbeifahren …"

"Ja, warum nicht?" rief meine Frau, sprang auf und trat neben mich. "Nein, das geht zu schnell; wir werden nur die parkenden Wagen nehmen. Gerechnet von der Schnellwäscherei bis zum Supermarkt. Augenblicklich stehen nur drei dort. Der da vorn hat hinten die 79." Sie stutzte.

"Macht ja nichts", sagte ich. "Alle Zahlen über 49 werden eben getrennt. Aus der 79 wird also eine 7 und eine 9. Der zweite Wagen hat eine 25. Kreuz diese Zahlen einfach schon an. Der dritte Wagen, der orangefarbene Kombi vorm Supermarkt, hat die Nummer 836. Von den Dreistelligen nehmen wir nur die beiden Endziffern. Also 36. Die 8 entfällt."

"Prima!" rief meine Frau und beugte sich über unseren Tipschein. "7, 9, 25 und 36 haben wir schon. Und die drei Wagen werden ja nicht bis in alle Ewigkeit da unten stehen bleiben, sondern bald anderen Wagen Platz machen. Da, schau mal – der 836 fährt schon wieder weiter …"

"Na, siehst du", sagte ich. "Kein Problem!"

Eine Weile vertrieben wir uns die Zeit mit Zukunftsplänen. Wir überlegten, was wir beispielsweise mit einer Million anfangen würden. Das war gar nicht so einfach. Wir redeten uns fast die Köpfe heiß, bis plötzlich die Sirenen einiger Streifenwagen der Polizei der Debatte ein Ende machten. Sie parkten mit blinkendem Blaulicht genau vor dem Supermarkt.

"Was machen wir denn mit denen?" fragte meine Frau. "Schreiben wir die etwa auch auf?"

"Moment mal!" sagte ich.

Ich lief hinunter auf die Straße und erfuhr, daß man den Supermarkt um mehrere Geldbomben mit beträchtlichem Inhalt erleichtert hatte. Die Täter hatten mit einem orangefarbenen Kombi entkommen können. Was die ermittelnden Beamten am dringendsten benötigten, war die Nummer des Fluchtwagens. Ich gab sie ihnen. 836. Acht-drei-sechs. Eine halbe Stunde später wurden die Gangster festgenommen.

Am darauffolgende Wochenende hatten wir drei Richtige. Nämlich 9, 25 und 36. Die drei anderen Zahlen, die wir noch gebraucht hätten, hatten wir leider nicht. Sie lauteten 3, 6, 8.

Aber immerhin bekamen wir vom Supermarkt eine kleine Belohnung. Damit gönnen wir uns zur Zeit einen wohlverdienten Urlaub in den Alpen.

Die hohen Berge imponieren uns sehr. Wir haben ganz nebenher auch ein neues System entdeckt. Wenn ein Berg, sagen wir, 1569 Meter hoch ist, kreuzen wir beispielsweise 1, 5, 6, 9 an. Vielleicht gewinnen wir doch noch mal eine Million.