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15.01.00 Träume im Winter

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 15. Januar 2000


Träume im Winter
Von Brigitte Jäger-Dabek

Gode Morje! Na Mudderke? Du, ich hab geträumt heut nacht, hab von zu Hause geträumt, von Insterburg …

Den ganzen Donnerstag hatte es schon nach Schnee gerochen, ein erster kalter Tag, der Himmel im fahlen Licht leicht verhangen. Am frühen Nachmittag fing es an zu beziehen, und bald ließen finster sich zusammenballende Wolken die Dunkelheit früher hereinbrechen als sonst. Auch war noch vor der Schummerstunde Ostwind aufgekommen, der immer mehr auffrischte.

Das Thermometer sackte und sackte, zeigte bald strammen Frost an. Als es richtig dunkel war, tanzten die ersten dicken Schneeflocken im Wind. Immer heftiger schneite es, und der heulende Wind peitschte den Schnee fast waagerecht vor sich her nach Westen – Stiemwetter. Es stiemte und stiemte, kaum, daß man gegen den Schneesturm ankam, eine grauweiße, prickelnd peitschende Wand stemmte sich einem entgegen.

Wie wohlig war es da, in der warmen Stube am Fenster zu stehen und dem grauweißen Treiben zuzusehen. Weit reichte der Blick ja nicht, kaum bis zur andern Straßenseite, schon türmten sich kleine Wechten am Zaun auf. Erst am Sonnabend wurde es gegen Abend ein bißchen leiser, und beim Schlafengehen, als Ruhe im Haus einkehrte, gab auch das wilde Toben nach, das Heulen ebbte ab.

Am Sonntag beim Aufwachen hörte man dann nichts. Der Stiem hatte also aufgehört und die Schneedecke dämpfte alle Geräusche. – Was für ein Tag! Wie versöhnte solch ein Tag doch mit den vorangegangenen Unbilden des Wetters!

Der Papa hatte schon alles organisiert, und bald wurde ein Ziegeleipferd vor den großen Schlitten gespannt. Alle waren wir warm vermummt, heiße Steine in den Fußsäcken wärmten die Füße, wir waren mit Bergen von Decken, Fellen und Pelzen umhüllt, und los ging es.

Die Straße war schon geräumt, und wir fuhren auf festgefahrener Schneedecke zwischen meterhohen Schneewänden wie durch einen Tunnel hinaus aufs Land in Richtung Drebolienen.

Das Land zierte und spreizte sich förmlich in seinem frischen, strahlend weißen Winterkleid, der eigenen Schönheit wohl bewußt. Gleißend funkelten die Schneekristalle im Sonnenlicht, eine meist noch unberührte Puderzuckerdecke lag über dem Land. Vorbei ging es an den Espenteichen, deren Anfang und Ende man unter der dick überschneiten Eisdecke nur mehr erahnen konnte.

Wir fuhren und fuhren, konnten die großen Gehöfte dieser Gegend kaum erkennen, ob stattlicher Bauernhof, ob unscheinbares Insthaus, kaum mehr als die Dächer waren von ihnen zu sehen. Wie Schuppen, wie kleine Katen duckten sie sich unter der Last des Schnees, waren fast verschwunden unter meterhohen Schneewehen, verrieten sich nur durch die bräunlich weißen Rauchschwaden ihrer Kamine.

Die Bäume ächzten und knarrten unter der Last des Schnees, jedes Lüftchen pustete das pulvrige Puder von den Ästen. Stille, nur das Traben des Pferdes und ab und zu ein Knacken im Unterholz, kaum noch Spuren im Schnee des Waldes. Grell weiß leuchtende Lichtungen im Wechsel mit dem schneehellen Schatten des Waldes. Am Ende des Waldes dann öffnete sich der Blick. Eine solche stille Weite, unzählige Schneekristalle brachten das Weiß zu diamantenem Funkeln, festlich glitzernde Winterrobe.

Um die nächste Biegung wieder ein ganz anderes Bild bei anderem Lichteinfall. Sanft gewellte, mattweiß schimmernde, majestätischem, weichem Hermelin ähnelnde Schneedecke, unschuldig, unberührt daliegend ohne irgendwelche Spuren, die diese Schönheit hätten stören können. Über jeder Kuppe standen flirrende weiße Staubfahnen, jede leichte Brise stiebte den trockenen Schnee wie die Gischt der Meere über die Höhen.

Zum Aufwärmen dann in Drebolienen ein gemütliches Grogchen und weiter, heimwärts, die Tage waren kurz geworden.

Bevor der Wintertag ganz in der Dämmerung versank, zauberte er einen Hauch von Rosa über die Landschaft, das rasch immer fahler wurde. Noch bevor die Sonne ganz untergegangen war, sah man den Mond an der anderen Himmelsseite blaß aufgehen. Schnell wurde es dunkel, immer heller leuchteten Mond und Sterne vor immer dunklerem Himmel.

Es war eine dieser sternklaren Winternächte, voll hinreißender Klarheit, deren Erleben ein fast sinnliches Vergnügen ist. Wie lupenreine Brillanten funkelnde Sterne vor samtschwarzem Himmel. Matt beleuchtete das Firmament die fahlweiße, fast silbrig schimmernde, frostig knisternde Winterlandschaft.

Und dann sah man schon die ersten Häuser der Stadt, bald tauchte Amalienhof auf, das heimelige gelbliche Licht des kleinen Hauses, an der gewaltigen Rauchfahne sah man schon, daß Bertha gewaltig eingeheizt hatte.

Und dann? Dann bin ich aufgewacht, das machte mich traurig, denn ich war plötzlich wieder Kind, und wir waren noch gar nicht Bammelschlittchen gefahren.