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22.01.00 Vor 95 Jahren starb der Königsberger Bildhauer Rudolf Siemering

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 22. Januar 2000


Mit 80 Talern ging er nach Berlin
Vor 95 Jahren starb der Königsberger Bildhauer Rudolf Siemering

Ein unnachgiebiger Lehrer am Löbenichtschen Realgymnasium mag schuld gewesen sein, daß sich Rudolf Siemering schließlich der Kunst zuwandte. Er hatte von dem Sekundaner verlangt, in der Ecke zu stehen. Als dieser sich weigerte, mußte er die Schule verlassen und ein Handwerk erlernen. In den drei harten Lehr- und Gesellenjahren wird der Entschluß gereift sein, sich ganz der Kunst zu widmen.

Bildhauer wollte der Königsberger werden, und so besuchte er eine Kunstschule seiner Vaterstadt (wohl die Kunst- und Gewerkschule) und erhielt bereits während seiner Ausbildung mehrere Preise. Dann aber zog es ihn zur neu gegründeten Kunstakademie. Da es dort jedoch noch keinen Lehrer für plastisches Gestalten gab, machte sich der junge Ostpreuße mit einem Stipendium von 80 Talern, das ihm die Friedensgesellschaft Königsberg gewährt hatte, auf den Weg nach Berlin. Als Schüler und späterer Gehilfe von Gustav Blaeser gewann er prägende Eindrücke. Blaeser zog ihn auch heran, als es galt, Reliefs für das Tor der Dirschauer Weichselbrücke zu schaffen. 1862 schließlich gewann Siemering den Preis für seinen Entwurf eines Schillerdenkmals in Berlin. Ein Jahr zuvor hatte er eine eigene Werkstatt beziehen können.

Siemering wirkte bis zu seinem Tod vor nunmehr 95 Jahren (23. Januar 1905) in Berlin. Dort sind denn auch eine Reihe seiner Arbeiten heute noch erhalten, etwa im Tiergarten das 1904 geschaffene Mozart-Haydn-Beethoven-Denkmal, das Standbild der heiligen Gertrud auf der Gertraudenbrücke oder ein Relief für das Grabmal des Architekten Walter Gropius auf dem Dreifaltigkeitsfriedhof in Kreuzberg.

Den 1835 geborenen Siemering zog es wie viele Künstler seiner Zeit auch in die Ferne. So besuchte er Paris und Italien und sammelte dort neue Eindrücke. Schließlich aber kehrte er nach Berlin zurück, wo er in seiner Werkstatt eine Reihe eindrucksvoller Arbeiten schuf. An dieser Stelle seien das Luther-Denkmal in Eisleben genannt, die Figuren des hl. Adalbert und des Bischofs Polenz vor der Kirche von Fischhausen, das Denkmal Friedrichs des Großen in Marienburg, das Sitzbild Kaiser Wilhelms I. in der Berliner Börse, das Siegesdenkmal von 1888 in Leipzig, die Statue des Philosophen Leibniz für die Akademie der Wissenschaften in Budapest und nicht zuletzt das Denkmal für George Washington vor dem Museum of Art am Benjamin-Franklin-Parkway. – Den Wettbewerb hatte Siemering gegen zwei amerikanische, einen englischen und einen italienischen Bildhauer gewonnen! Siemering, der Mitglied des Senats der Akademie der Bildenden Künste in Berlin und Dr. h. c. der Universität Leipzig war und nach dem in seiner Vaterstadt eine Straße benannt wurde, hat auch für Königsberg eine Reihe von Arbeiten geschaffen – die meisten jedoch sind ein Opfer des Krieges und der Nachkriegszeit geworden, wie etwa eine Büste von Kant und eine von Herder im Friedrichskollegium in der Jägerhofstraße. Auch die Büsten von Eduard von Simson und Johann Jacoby, beide im Junkersaal des Kneiphöfischen Rathauses, gelten als verschollen.

Silke Osman