25.04.2024

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22.01.00 Königsberg: Geheimdienstmann enthüllt Schlamperei und Chaos beim russischen Militär

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 22. Januar 2000


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Königsberg: Geheimdienstmann enthüllt Schlamperei und Chaos beim russischen Militär

Geschichten über Schlampereien, Diebstähle und Chaos beim russischen Militär sind in den vergangenen Jahren immer wieder einmal in der Presse breit kundgetan worden. Selten geschah dieses aber in russischen Zeitungen. Nun wendet sich in Königsberg erstmals ein ungenannter Mitarbeiter des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB durch einen offenen Brief in der Königsberger Zeitung "Nowi Kolossa" ("Neue Räder") an die Öffentlichkeit. Nachstehend geben wir den Inhalt dieses Briefes ungekürzt wieder:

"Verrat an der S-300! An die Redaktion der Zeitung ,Nowi Kolossa‘: Wir schreiben Ihnen die nachfolgenden Zeilen vor dem Hintergrund der Gefahr, die einem der kampffähigsten Elemente der militärischen Sonderzone Königsberg droht. Die stationierte Flugabwehrraketenbatterie befindet sich kurz vor dem Auseinanderfallen. Um sich der Bedeutung der Luftabwehr im Königsberger Gebiet bewußt zu werden, muß man nur an die Bombardierung Jugoslawiens und Belgrads erinnern. Weil die Jugoslawen die russische Rakete S-300 nicht besaßen, konnte die Nato fast ohne Gegenwehr bombardieren. Die S-300 ist ein starkes Abwehrmittel gegen Flugzeuge und Raketen, das wissen unsere Nachbarn, Mitglieder der Nato, sehr gut. Die einmaligen Möglichkeiten unserer Flugabwehrbasis sind den Nachbarn gut bekannt. In der Luft trifft diese Rakete ab einer Höhe von 25 Meter bis zu 25 Kilometer.

Dabei hat die S-300 eine Reichweite von 75 Kilometer. Die S-300 kann im Abwehrfall praktisch jedes bewegliche Ziel mit großer Genauigkeit treffen, ob es nun eine Cruise Missile, ein Stealth-Bomber oder ein Flottenverband ist.

Gleichzeitig können mehr als hundert gegnerische Angreifer gleichzeitig abgewehrt werden sowie noch mehrere Ziele beim Gegner angegriffen werden. Die Trefferwahrscheinlichkeit liegt bei 98 Prozent. Hier wird deutlich, daß der Königsberger Luftschutz auf die Nato wie ein querliegender Knochen im Hals wirkt. Die Batterie wurde bereits Anfang der 80er Jahre stationiert. Fast 20 Jahre lang haben Soldaten und Offiziere den Wachdienst über diese Raketen getan. Unsere Region ist umgeben von Truppen der potentiellen Gegner, zudem Litauen auch in die Nato drängt, die immer wieder die Stabilität unserer Luftraumsicherheit überprüft. Unsere Truppen konnten in dieser Hinsicht in den letzten Jahren schon zahlreiche Grenzverletzungen feststellen. Ausländische Dienste haben bereits mehrfach versucht, über Kontakte zu Offizieren die Geheimnisse unserer S-300 auszuspionieren. Zuletzt wurden 1998 solche Versuche registriert. Es passiert so allerlei. So wurden im letzten Jahr, ob mit oder ohne Billigung der Verantwortlichen, elektronische Leitungselemente gestohlen und vermutlich ins Ausland verkauft. Das sind aber nur wenige der bekannten Aspekte, die man bereits versucht zu vertuschen, um nicht das gute öffentliche Bild der Baltischen Flotte zu beschmutzen. Das Kommando der Sondermilitärzone Königsberg (Admiral W. Jegerow) und der Kommandant des Luftschutzes (Generalmajor F. Krisanow) verschließen die Augen vor den Informationen des militärischen Abwehrdienstes, und auch die Berichte, die an den Generalstab in Moskau gehen, blieben ohne Beachtung. Deswegen halten wir es für nötig, einige Informationen zu veröffentlichen, die nach unserer Meinung prinzipielle Bedeutung haben. Es geht vor allem um die mehr als merkwürdige Personalpolitik der Luftschutzleitung. In der Luftabwehrbrigade, die unter dem Kommando von Oberst J. Artosej steht, wurden in den letzten eineinhalb Jahren mehr als 60 Prozent der Führungskräfte ausgewechselt. An den Schlüsselpositionen sitzen nun Offiziere, die die geringsten Voraussetzungen für diese Tätigkeit mitbringen. Es ist nicht nachzuvollziehen, durch wen diese Entscheidungen herbeigeführt wurden. Offensichtlich wurden diese Entscheidungen aber nicht ohne das Dazutun des Stabsoffiziers P. Uwarow (ehemaliger Divisionskommandant S-300) getroffen. Uwarow galt bei den Raketenspezialisten nie als große Autorität. In seiner ehemaligen Division nannte man ihn immer respektlos ,Paschka‘ (Dummerchen). In der Mitte der 90er Jahre hat Uwarow Menschen aus den GUS-Staaten Königsberger Wohnungsberechtigungen in Militärsiedlungen und russische Pässe verkauft. In der Regel kostete damals jede seiner Dienstleistung 200 amerikanische Dollar. Trotz all dieser seiner Heldentaten wurde ,Paschka‘ noch befördert. Aus einem kleinen Luftschutzoffizier wurde ein Flottenführer, und er bekam somit eine der höchsten Besoldungsstufen. Uwarow genießt anscheinend das uneingeschränkte Vertrauen des Generalmajors Krisanow, dem er unter anderem Bad und Küche gekachelt hat. Obwohl ihm mehrfach exzellente Spezialisten für vakante Stellen in der Flugabwehrbrigade vorgeschlagen wurde, nahm er, der augenscheinlich alle Personalentscheidungen alleine trifft, unfähige, ja sogar teilweise alkoholabhängige Offiziere in seine Dienste auf. Dies ist unverantwortlich und gefährlich für unser ganzes Gebiet. Nachdem Uwarow zum dritten Male eine solch merkwürdige Personalentscheidung traf, trat das Gerücht auf, daß die Kandidaten für leitende Positionen ihn dafür bezahlen müssen, angeblich koste ein Offiziersposten 500 US-Dollar. Aber woher haben diese Militärs soviel Geld? Angeblich haben diese Offiziere private Sponsoren, Geschäftsleute, die großes Interesse an Buntmetallen, Treibstoff, elektronischen Teilen, Kohle und anderen Sachwerten haben, die es beim Militär gibt. Andere behaupten, dies seien nur Gerüchte aus Offiziersgesprächen. Aber die Manöverergebnisse zeigen auf, daß dies nicht nur Gerüchte sein können. Augenscheinlich treiben die Herren Offiziere lieber Geschäfte, als ihrer eigentlichen Aufgabe nachzugehen. Lieber verkaufen sie Militäreigentum, selbst vor den Bäumen auf dem Manövergelände machen sie nicht halt und verkaufen diese an private Firmen. Es gibt dort nur Sauferei und Geschäft, sonst nichts. Es ist nicht verwunderlich, daß in einer solchen Situation die besten Fachleute das Militär verlassen. Es wird nicht mehr lange dauern, und wir haben in der ganzen Batterie keinen einzigen mehr, der alle Geräte, vor allem die hochempfindliche Elektronik, bedienen kann.

Wir wissen, daß solche Geräte nicht in die Hände eines Betrunkenen gehören, und wie viele Menschenleben kann eine unsachgemäße Behandlung der Raketen kosten. Wir waren immer stolz auf das Schutzschild unseres Landes, aber wir müssen der Wahrheit ins Auge sehen, unser Schild hat einen Riß. Warum schweigen denn die Leute, die die höchsten Ränge beim Militär bekleiden, wollen sie warten, bis unser Schutzschild niederfällt?" BI