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12.02.00 Schreiber-Affäre: Auslieferungsantrag unterlassen

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 12. Februar 2000


Schreiber-Affäre:
Auslieferungsantrag unterlassen
Auswärtiges Amt ließ Frist zur Rückführung ungenutzt verstreichen

Während sich das offizielle EU-Europa leichtfertig darin übt, die Theorie des längst unselig verblichenen Leonid Breschnew von der begrenzten Souveränität sozialistischer Staaten auf die Wiener Republik in Anwendung zu bringen, winden sich inländisch wechselseitig CDU, die stärker, und SPD unter dem Staccato täglich neu aufkommender Enthüllungen über schwarze Konten, Aktenfälschung, Freibier und Freiflüge. Inzwischen kommt spätestens nach dem zarten Schuldeingeständnis von Bruder Johannes der Eindruck hoch, als würden beide Seiten sich nunmehr untereinander lindernde Handsalben auftragen.

Diese wechselseitig gespendete Vergebung scheint mutmaßlich mit der Sorge im Zusammenhang zu stehen, dem bewährten Polit-Dualismus mit seinen eingrenzenden Randlinien von "Rechts" und "Links" nicht mehr genügen zu können, weil bekanntlich ein einseitig befrachtetes Staatsschiff leicht zu kentern droht, wenn es in stürmischere Regionen kommt. Schon warnt von der Heimat Toni Blairs her ein Lord Weidenfeld mit dem Wink, daß die CDU immer eine Bastion gegen rechts war. Er meint natürlich national, was bei ihm weder Mißverständnis noch sprachliches Unvermögen ist (er kommt aus Wien), sondern gezielte Umschreibung einer politischen Nachkriegsmaxime darstellt. Doch auch diese "Sorge" scheint nur Teil möglicherweise umbrechender Zeiten zu sein, bei der manche Polit-Akteure glauben zu schieben, während sie selbst nur auf dem großen Feld ständig wechselnder Allianzen geschoben, verschoben oder auch gänzlich aus dem Verkehr gezogen werden, wie umgekehrt Personen oder eben auch Parteien aus der Agonie erweckt und in ein respektables Mittelfeld gerückt werden, wie dies dieser Tage der F.D.P. widerfährt.

Es scheint daher sinnvoll zu sein, vom Zentrum des Parteien-Dramas sich an den Rand und zeitlich an den Anfang dieser Kabale zu stellen: Dort aber stand 1999 die Klage von Augsburg, bei der der vielseitig in das nachfolgende Geschehen eingebundene Waffenhändler Karlheinz Schreiber sich dem Verdacht ausgesetzt sah, nicht nur Millionen Dollar durch Provisionen erworben, sondern sich auch durch großzügige Gaben die Gunst der vermittelnden Parteien erworben zu haben. Da sich die hier in Rede stehenden "Unregelmäßigkeiten" Schreibers insbesondere im Bereich von CDU und CSU zugetragen haben, müßte man, wie billig, annehmen, daß die in Berlin regierenden Sozialdemokraten mitsamt ihrem grünen Koalitionspartner sich über das Auswärtige Amt der Person des Verdächtigen in Toronto versichern.

Doch wie aus dem Munde des kanadischen Staranwaltes Eddie Greenspan zu vernehmen ist, hat die Bundesregierung die Frist zur Antragstellung der Auslieferung des Karlheinz Schreiber ungenutzt verstreichen lassen. Der seit 1977 bestehende Auslieferungsvertrag mit Kanada sieht eine Frist von 45 Tagen vor, um einen formellen Auslieferungsantrag zu stellen. Verstreicht die Zeit ungenutzt, kann der von Auslieferung Bedrohte aufatmen – er bleibt im Lande. Bereits am 18. Oktober 1999 konnte Schreibers Anwalt Greenspan daher in einem dem kanadischen Gericht zugegangenen Schreiben mitteilen, daß am Freitag zuvor die Frist ungenutzt verstrichen sei. Irene Arseneau, eine Sprecherin des Justizministeriums, die die Bundesrepublik vertritt, wollte keine Auskunft geben, warum das deutsche Auswärtige Amt keinen Auslieferungsantrag gestellt habe.

Berlin schweigt, und man kann mit dem in Kanada erscheinenden "The Toronto Star" vom 22. Oktober 1999 mühelos die Überzeugung teilen, daß bloße Nachlässigkeit auf deutscher Seite bei der Brisanz des Falles nicht im Spiel gewesen sein kann. Zu dieser denkwürdigen Abstinenz fügt es sich gleichsam wie von selbst, daß das "zweite Bein" in Sachen Anklage gegen Schreiber, der Kronzeuge Giorgio Pelossi, unter dem Verdacht von Drogengeschäften unlängst von US-Behörden in Chicago aus dem Verkehr gezogen wurde.

Pelossi, einst mit der Franz- Strauß-Familie und vielen anderen Lobbyisten auf vertrautem Fuße, zerstritt sich mit Schreiber und war deswegen bereit, gegen den Waffenhändler in Augsburg auszusagen. Als Pelossi in Chicago unter dem Vorwand des Drogenhandels verhaftet wurde, trug er im Koffer die gesamten Unterlagen, die das Geschick Schreibers und deutscher Parteien bestimmt hätten. Doch nun drohen Pelossi bis zu 22 Jahre Haft. Wahrscheinlich aber dürfte er im Frühjahr 2001 für die US-Behörden wieder uninteressant werden, dann verfallen Schreibers "Aktivitäten" der Verjährung. Ein Kronzeuge wäre dann überflüssig. Weitere Gewinner wären, neben der bislang fast maroden F.D.P., die sich inzwischen bei acht Prozent bewegt, die US-Behörden, die, versehen mit dem ab- geschöpften Hintergrundwissen des abgefangenen "Herolds der Gerechtigkeit", gleichsam die Herren der weitreichenden Kabale bleiben. Peter Fischer