23.04.2024

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12.02.00 Warum Kranke krank bleiben ...

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 12. Februar 2000


Warum Kranke krank bleiben ...
Der Euro verlor schon fünfzehn Prozent an Wertigkeit

Gerhard Schröder versteht es manchmal, die Dinge auf den Punkt zu bringen. Vor der Einführung der gemeinsamen europäischen Währung bezeichnete er den "Euro" als "kränkelnde Frühgeburt". Die Entwicklung des Währungs-Babys auf den internationalen Finanzmärkten gibt dem Niedersachsen recht. Dem Euro fehlt vor allem eines – Vertrauen.

Zwar lassen die Euro-Banknoten und -Münzen noch etwa zwei Jahre lang auf sich warten, aber dennoch kann, ein Jahr nachdem internationale Kurse nur noch in Euro und nicht mehr in deutscher Mark festgesetzt werden, eine erste Bilanz gezogen werden. Diese Bilanz fällt, um es zurückhaltend auszudrücken, sehr ernüchternd aus. Die Kunstwährung hat seit ihrem Start im Januar 1999 fünfzehn Prozent ihres Wertes verloren. Reisende müssen für einen US-Dollar längst wieder über zwei Mark bezahlen. Für die Bundesbürger hat der Verfall des Euro im Inland noch keine Bedeutung. Ein Sparbuch mit 1000 Mark ist nach wie vor 1000 Mark wert. Und das Sparbuch wird auch im übernächsten Jahr zu den lange festgelegten Umtauschkursen in Euro umgetauscht. Der Sparer bekommt für seine 1000 Mark unverändert 511,29 Euro. Ein schlechtes Geschäft macht er erst dann, wenn er in die USA fahren oder Güter aus den USA kaufen würde. Hätte er vor einem Jahr noch für seine 1000 Mark in den USA für 603 Dollar einkaufen können, so muß er sich jetzt mit 511 Dollar begnügen.

Die Schwäche des Euro war von etlichen Experten vorausgesagt, vom politischen Establishment jedoch ignoriert worden. Sie hat – volkstümlich formuliert – einen einfachen Grund, den Franz Josef Strauß (in einem anderen Zusammenhang) einmal formuliert hat: Wenn sich ein Gesunder zu einem Kranken ins Bett legt, wird der Kranke nicht gesund, sondern der Gesunde krank. Dieses Beispiel paßt auf den Euro.

Die Deutsche Mark war, als sie auf den Devisenmärkten noch ein selbständiges Leben führte, im Vergleich zum Dollar sehr hart. Und auch im Vergleich zu den siechen europäischen Währungen wie der italienischen Lira, aber auch durchaus gegenüber dem französischen Franc gewann die Mark in den letzten Jahrzehnten ständig hinzu. Erst seitdem die Deutsche Mark fest im Euro-Währungssystem verankert ist, wird sie mit in die Tiefe gezogen.

Der Verfall des Euro hat mehrere Gründe: Zuerst ist zu sehen, daß in den USA höhere Zinsen für Geldanlagen gezahlt werden als in Deutschland und Europa. Da die USA jedoch politisch als genauso stabil angesehen werden wie die EU-Länder, wandert viel Kapital nach Amerika. Diesen Effekt hat die Europäische Zentralbank durch eine maßvolle Erhöhung der Leitzinsen auszugleichen versucht. Positive Wirkungen für die Euro-Kursentwicklung blieben jedoch aus. Der Euro liegt weiterhin bei etwa einem Dollar, der Dollar kostet weiterhin rund zwei Mark.

Bei Analysen für längerfristige Kapitalanlagen muß sich der Euro jetzt an der Wirtschaft und der Konjunktur seiner Haupt-Länder messen lassen. Frankreich, Italien und die Bundesrepublik bleiben jedoch im Wirtschaftswachstum mit Raten zwischen zwei und drei Prozent erheblich hinter den USA zurück, deren Wirtschaft pro Jahr um gut fünf Prozent wächst und deren Hochkonjunktur ohne aktuelle Gefahren zu sein scheint. Im EU-Europa liegen die Fakten anders: Die sozialistische Regierung in Frankreich erweist sich als reformunfähig, Italien ist ebenfalls nicht in der Lage, strukturelle Probleme zu lösen. Und in der Bundesrepublik überdeckt nur die Krise der CDU, daß die Regierung Schröder zwar die (Öko-)Steuern erhöht hat, in der Frage einer grundlegenden Steuerreform jedoch nicht über Ankündigungen hinausgekommen ist.

Im Gegenteil: Im Ausland herrscht erhebliches Mißtrauen, ob Schröder und seine Koalition es mit der Liberalisierung der Märkte wirklich so ernst meinen, wie es der Kanzler in seinem Papier mit dem britischen Premierminister Tony Blair angekündigt hatte. Im Moment versuchen die Euro-Befürworter, den Verfall der Kurse herunterzuspielen. Schließlich werden die Exporte aus Europa in den Dollar-Raum preiswerter. Zunächst. Ein deutsches Computer-Teil, das vor einem Jahr noch 600 Dollar kostete, ist jetzt für 500 Dollar zu haben. Davon profitiert der Export, denn was für Computer-Teile gilt, gilt auch für anderes.

Doch so wie die Exporte in fremde Länder billiger werden, steigen die Preise für Importe. Wer vor einem Jahr für ein amerikanisches Computerteil noch 1000 Mark hinlegen mußte, hat jetzt über 1100 zu zahlen. Die höheren Preise betreffen Rohstoffe (vor allem Energie) und Halbfertigprodukte. Der Preisanstieg führt erst auf längere Sicht zu inflationären Tendenzen, weil die Importeure ihre Geschäfte gegen Wechselkursänderungen absichern. Diese Absicherungen laufen meist ein oder zwei Jahre. dann steigen die Preise, und der Sparer kann nur zusehen, wie er sich für 1000 Mark auch im Inland immer weniger kaufen kann. Hans-Georg Münster