20.04.2024

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12.02.00 Belgien:

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 12. Februar 2000


Belgien:
"Wir brauchen es nicht"
Außenminister Michel attackiert Wien wegen des wachsenden "Vlaams Blok"

Vor wenigen Monaten wurde in Gent eine Ausstellung zum 500. Geburtstag Karls V. eröffnet, jenes Habsburgers, in dessen Reich bekanntlich die Sonne nicht unterging. Diese Ausstellung war auch Ausdruck der guten zwischenstaatlichen Kontakte zwischen Österreich und Belgien, das eng mit der Geschichte des Hauses Habsburg verbunden ist. Doch der Wind hat sich gedreht, seit in Wien eine Koalition aus ÖVP und FPÖ regiert.

Belgien hat den Ton gegen Österreich verschärft. Außenminister Louis Michel rät seinen Landsleuten sogar von einem Winterurlaub in Österreich ab. 350 000 Belgier täten das jedes Jahr, aber nun sei es "unmoralisch, dort Ski zu laufen", sagte er in einem Fernsehinterview. Michel betonte, er sei bereit, den Botschafter in Wien abzuberufen. Eine solche Maßnahme könnte freilich nur im Einklang mit den anderen EU-Mitgliedsstaaten erfolgen. Zuvor hatte er Order erteilt, die EU-Schritte – die Herunterstufung der bilateralen Beziehungen – unverzüglich umzusetzen. In seinem Kommuniqué bedauerte er, daß die Appelle in Wien ungehört blieben. "Es ist schockierend zu sehen, daß die Regierung eines EU-Mitglieds eine Partei enthält, die Ideologien vertritt, die fremdenfeindlich, vereinfachend, beleidigend und ausgrenzend sind." Wien schlage eine Bresche in die EU-Übereinkunft, "keine Erneuerung faschistischer Thesen in Europa" zuzulassen.

Doch das genügte Michel noch nicht. "Ich glaube, Europa kann sehr gut ohne Österreich auskommen. Wir brauchen es nicht", sagte Michel in einem Interview mit dem belgischen Radiosender RTBF.

Michel ist der Chef der französischsprachigen Liberalen und gilt in Belgien als angesehener und erfahrener Politiker. Er wurde nach der Wahl von König Albert II. als "Informateur" eingesetzt, als jener Vermittler, der die formellen Verhandlungen zur Bildung einer Koalitionsregierung leitet. Das gelang ihm in Rekordgeschwindigkeit. Seine bisherige Darstellung als Außenminister steht allerdings auf einem anderen Blatt.

Er gilt als Mann mit hohen moralischen Ansprüchen. Unter seiner Ägide hat Belgien zum Beispiel in London auf die Veröffentlichung der medizinischen Untersuchungsberichte über Pinochets Gesundheitszustand geklagt – ohne Erfolg. Im Falle Rußlands hatte er das Vorgehen in Tschetschenien zuerst lautstark verurteilt, nach einem Treffen mit dem russischen Außenminister Iwanow sein Urteil aber erheblich gemildert.

Im Falle Österreichs hat Michel allerdings freie Bahn. Er hat sich gleich zu Anfang an die Spitze jener gestellt, die deutliche Gesten gegen eine Regierungsbeteiligung der FPÖ forderten. Getrieben wird er dabei unter anderem von der Angst vor dem "Vlaams Blok", der bei den Gemeindewahlen im Oktober in der zweitgrößten belgischen Stadt Antwerpen die Macht übernehmen könnte. Der Blok steht bereits bei 28,8 Prozent der Stimmen. Außer Zweifel steht, daß viele Belgier die Meinung ihres Außenministers teilen.

Allerdings mit einem wichtigen Unterschied: Die französischsprachigen Belgier stehen der Entwicklung in Österreich wesentlich kritischer und emotioneller gegenüber als die Flamen. Diese unterschiedlichen Haltungen haben eine komplexe Tradition, die sich unter anderem auch in den gegensätzlichen Sympathien der beiden Volksgruppen im Zweiten Weltkrieg äußerte. Ein Teil dieser Vergangenheit steht noch zur Aufarbeitung an.

Illustriert im reinsten Sinn des Worts wird dieser Unterschied allein schon durch die Berichterstattung. Wo flämische Zeitungen wie "De Standaard" dazu raten, die Kirche im Dorf zu lassen, bringt "Le Soir" Karikaturen mit österreichischen Fahnen im Hakenkreuz auf der Titelseite.

A. v. A.