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19.02.00 Österreich:Von wegen geschichtslos

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 19. Februar 2000


Österreich:Von wegen geschichtslos
Koordinatenwechsel in der Volksgruppenpolitik / Von Martin Schmidt

Die meisten Österreicher setzen große Hoffnungen auf die neue Regierung von FPÖ und ÖVP. Dies gilt besonders für alle, denen die Mitverantwortung und Hilfe für Landsleute jenseits der Grenzen ein Herzensanliegen ist.

Das neue Regierungsprogramm deutet bereits an, daß sich die Koordinaten in der Volksgruppen- und Minderheitenpolitik verschieben. So ist nicht nur davon die Rede, "die Anliegen und Interessen der altösterreichischen Minderheiten im Ausland fördern" zu wollen, sondern die letztjährige Kritik des österreichischen Nationalrates an den Benesch-Dekreten wird nochmals bekräftigt.

Wörtlich heißt es: "Die Bundesregierung wird um sachgerechte Lösungen in den Fragen aller im Zuge des Zweiten Weltkrieges zur Zwangsarbeit gezwungenen Personen, der österreichischen Kriegsgefangenen sowie der in Folge der Benesch-Dekrete und Avnoj-Bestimmungen (die Enteigungs- und Vertreibungsgesetze Jugoslawiens; Anm. d. Verf.) nach Österreich vertriebenen deutschsprachigen Bevölkerung bemüht sein."

In der Vergangenheit haben sich die in Wien maßgeblichen Politiker nicht gerade durch nationale Solidarität hervorgetan. Während das bundesdeutsche Grundgesetz weitgehende Vorgaben macht und Millionen Aussiedler ins Land kamen, fehlt in Österreich ein klarer Gesetzesauftrag.

Obwohl nach Kriegsende viele Vertriebene aus dem Sudetenland, aus Ungarn oder Jugoslawien in Österreich neu anfingen, durften später nur noch sehr vereinzelt sogenannte "Altösterreicher" aus den Gebieten des einstigen Habsburgerreiches in die Alpenrepublik kommen.

Ganz gleich, ob es sich um die Nachfahren der einst aus Tirol und der Steiermark ins Banater Bergland gezogenen Bergleute handelt, um die Kindeskinder der 1880 in die Karpato-Ukraine abgewanderten Waldarbeiter aus Bad Ischl oder um die Einwohner der schmucken Orte der aus dem Salzkammergut sowie aus Kärnten "transmigrierten" sogenannten "Landler" in Siebenbürgen, – die Tore in die Urheimat der Vorfahren blieben verschlossen. Bis auf einen winzigen Spalt.

Dieser war zu Beginn der 90er Jahre gerade groß genug, um 50 Landler reinzulassen. 50 von über 4000 ausreisewilligen Deutschen, die gegenüber den gleichzeitig zu Hunderttausenden nach Österreich strömenden Ausländern das Nachsehen hatten. Der Traum, die Landler in einem geschlossenenen Gebiet etwa in Niederösterreich neu anzusiedeln, hatte keine Chance auf Verwirklichung.

So wanderte auch diese Gruppe nahezu vollständig nach Bayern und Baden-Württemberg aus; nur knapp 300 überwiegend ältere Menschen blieben daheim in Großpold, Neppendorf oder Großau.

Das Fazit: Ein erhebliches Potential an qualifizierten und problemlos zu integrierenden Landsleuten ging der nach 1945 geistig verprovinzialisierten Republik Österreich verloren. Mit ihnen büßte man weitreichende kulturelle, politische und wirtschaftliche Anknüpfungsmöglichkeiten an das Erbe der Donaumonarchie ein.

Bezeichnend sind folgende Gedanken der aus dem Banat stammenden und heute in Berlin lebenden Schriftstellerin Herta Müller, wie sie sie im vergangenen Jahr in Wien vortrug: "Mein Großvater war ein Getreide- und Kolonialwarenhändler, er fuhr jeden Monat nach Wien, seine Geschäfte zu machen, sprach dieses Kren-Deutsch und Ungarisch, lernte nie ein Wort Rumänisch. Und 30 Kilometer dorfauswärts stehen aus dem 18. Jahrhundert in Temeswar, das man Klein-Wien nannte, das Wiener Barock, die Josefstadt, die Elisabeth-Stadt, die Pestsäule.

Diese Minderheit war k.u.k.-hörig und blieb es nach 1945. Durch Sprache, Kleidung, Ansichten und Gewohnheiten konnte sie gar nicht anders, sie war in ihrem Naturell ‚k.u.k.‘. (...) Und sie wäre nach 1945 gerne weiter von Wien vertreten worden, hatte sie sich doch verstrickt, wie das Zentrum es tat. (...)

Nach 1945 gerierte sich Österreich als Hitlers Opfer, sah sich als das erste besetzte Land. Es hatte mit Blumengirlanden gegen Hitler gekämpft und mußte an den Tatsachen viel verdrehen, um sie zu kaschieren. Eine verstrickte Randgruppe mitzuvertreten, war untragbar. Da entzog Österreich seinen lästig gewordenen Randexistenzen kurzerhand die Zugehörigkeit. Ihre Anbindung sollte ab nun nur zum blamierten Jubel fürs Deutsche Reich führen, jeder Faden, als wäre Jahrhunderte vorher nichts gewesen, sollte nach Berlin laufen, nicht nach Wien."

Nur hinsichtlich Südtirols erkannte das offizielle Österreich eine Mitverantwortung an. Darüber hinaus reduzieren sich bis heute die Aktivitäten auf die unteren Ebenen des Staates: die Bundesländer – vor allem Kärnten und Steiermark – und eine große Zahl von Gemeinden sowie auf Organisationen wie die "Österreichische Landsmannschaft" (ÖLM) oder den "Alpenländischen Kulturverband Südmark" (AKVS).

Hier wurde, speziell nach dem Umbruch von 1989, sehr viel geleistet. Die ÖLM veranlaßte zum Beispiel die Gründung ungarndeutscher Schulvereine in 13 Komitaten und unterstützte den 1990 gegründeten Verein "Freiheitsbrücke" im slowenischen Marburg an der Drau (Maribor). Dieser vertritt die etwa 2000 deutschen Untersteirer, die von der Regierung in Laibach noch immer nicht als Minderheit anerkannt sind.

Beim AKVS ist der Einsatz für die ca. 10 000 in Reschitz und Umgebung verbliebenen Banater Berglanddeutschen hervorzuheben. Im Mittelpunkt steht die Förderung von Bildung und Kultur, aber es gibt auch Hilfen für Jungunternehmer oder die Vermittlung von Investoren aus der Steiermark. Beides ist im "Ruhrgebiet Rumäniens" dringend nötig, will man einen totalen Exodus wie in Siebenbürgen und im restlichen Banat (über 80 Prozent Ausgesiedelte) vermeiden. Noch sind "nur" die Hälfte der Berglanddeutschen fort.

Beide Organisationen setzen jetzt darauf, daß die FPÖ ihrem Bekenntnis zur grenzüberschreitenden nationalen Solidarität Taten folgen läßt.

Kontakt: Österreichische Landsmannschaft, Fuhrmannsgasse 18a, A – 1080 Wien; Alpenländischer Kulturverband Südmark, Joanneumring 11, A – 8010 Graz