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26.02.00 Rühe vor dem Aus?

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 26. Februar 2000


Rühe vor dem Aus?
Der Kohl-Zögling zwischen den Stühlen

Ein Wahlsieg in Schleswig-Holstein ist für Rühe fast aussichtslos geworden. Nicht schleswig-holsteinische Landespolitik, sondern die Finanz- und Spendenaffäre der CDU bestimmen das Wahlkampf-Klima im nördlichsten Bundesland. Zudem stellt die Landes-Partei keine kämpfende Einheit dar. Die ursprünglich von der Basis gewollte Gemeinsamkeit des mehr liberalen Ministerpräsidentschaftskandidaten Rühe mit dem konservativen Landesvorsitzenden Peter Kurt Würzbach zerbrach, bevor sie richtig begonnen hatte. Rühes straffen Linkskurs wollte Würzbach nicht widerspruchslos hinnehmen. Zielgruppe von Rühes Wahlkampf sind die Wechselwähler der Mitte. Die aber sind durch die Affären so verschreckt, daß es keine Chance mehr gibt, sie an die Union zu binden. Die konservativen Wählerschichten und die Vertriebenen hat Rühe jedoch so verprellt, daß sie eher Wahlenthaltung betreiben, als Rühe zu wählen. In seiner zukünftigen Regierungsmannschaft, die er scheibchenweise der Öffentlichkeit präsentierte, befindet sich kein einziges prägnantes konservatives Gesicht. Hinzu kommt der Führungsstil Rühes. So wie Kohl es tat, grenzt er Frauen und Männer aus, die sich seiner – zumeist medienopportunistischen – Meinung nicht anschließen. Der Begriff des politischen Dialogs mit Andersdenkenden in der Partei ist ihm fremd. Auf Ratschläge, die nicht von den von ihm bevorzugten Persönlichkeiten kommen, reagiert er meist unwirsch oder gar nicht.

War seine Ministerpräsidentschaft in Schleswig-Holstein von Anfang an nur als Zwischenspiel zur Bundeskanzlerschaft gedacht, so ist die jetzt programmierte Niederlage dafür ein schlechtes Omen. Zwar gelang es ihm, eine schnelle Neuwahl der CDU-Fraktionsspitze in Berlin zu verhindern. Aber seine Wahl in den Vorstand der CDU-Bundestagsfraktion ist keineswegs sicher. Weg von Kohl heißt für viele junge Abgeordnete auch: weg von den Kohljüngern. Rühe war einer der eifrigsten. Die Chance, Bundesvorsitzender der CDU zu werden, sinkt für ihn um so mehr, je schlechter sein Wahlergebnis in Schleswig-Holstein ausfallen wird. Eine Kanzlerkandidatur bei der Bundestagswahl 2002 wird er auf der Basis einer Niederlage kaum schaffen.

Wie ist seine politische Stellung in Hamburg zu sehen? Was den Bundesvorsitz angeht, hat der Landesverband sich für Angela Merkel entschieden. Und was sein Bundestagsmandat betrifft, erworben über die Hamburger Landesliste, so betrachtet ihn die Hamburger CDU als "nach Schleswig-Holstein ausgewandert". Dort hofft er, Nachfolger des Abgeordneten Peter Harry Carstensen im Wahlkreis Nordfriesland zu werden. Ob der aber wirklich aufhören will, ist keinesfalls sicher.

Bleibt noch das Amt des Landesvorsitzenden in Schleswig-Holstein. Peter Kurt Würzbach ist noch ein Jahr im Amt, und nichts deutet auf einen vorzeitigen Rücktritt hin. Selbst wenn Rühe sich in zwölf Monaten dafür bewerben würde: inzwischen hat er sich im Lande so viele Gegner gemacht, daß der Ruf nach der jüngeren Generation unüberhörbar geworden ist. Rühes politische Laufbahn hat den Zenit überschritten. Viele werden es nicht sein, die ihm nachtrauern. Die Ostdeutschen haben nicht vergessen, daß es Rühe war, der bei Beginn von Kohls Kanzlerschaft die Bindungswirkung der Brandtschen Ostverträge beschwor. W. v. G.