26.04.2024

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26.02.00 Jeder sechste Amerikaner nicht versichert

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 26. Februar 2000


30 Millionen an der Armutsgrenze
Jeder sechste Amerikaner nicht versichert
Von Ronald Gläser

Wenn an manchen Tagen die Verluste an den Wertpapierbörsen der Vereinigten Staaten besonders heftig ausfallen, errechnen die Wirtschaftsfachleute den rechnerischen Gesamtverlust. Die entsprechende Nachricht wird von einem lächelnden Kommentator dann so vorgetragen: "Am heutigen Börsentag gingen 125 Milliarden Dollar Geldvermögen verloren." Die Mehrzahl der Amerikaner stört sich schon lange nicht mehr an solchen Meldungen. Sie haben schließlich vom Aufschwung an den Finanzmärkten mehr als alle anderen profitiert, und ein abruptes Ende des neuen amerikanischen Wirtschaftswunders ist nicht in Sicht.

Das Vertrauen in die Zukunft ist in Amerika höher als je zuvor. Die enormen Zuwächse am Aktienmarkt machen sich vor allem für leitende Angestellte bemerkbar, die in Aktien und Aktienoptionen bezahlt werden. Und auch die Durchschnittsamerikaner haben in der "Neuen Wirtschaftsordnung" der 90er Jahre ihren Lebensstandard verbessern können. Diese neue Wirtschaftsordnung ist geprägt von einem deutlichen Wachstum ohne Inflation, ohne Zinsen und ohne Arbeitslosigkeit.

Einzig die amerikanische Unterschicht ist von diesem wirtschaftlichen Aufschwung ausgeschlossen. Der Abstand zwischen arm und reich wird immer größer. Diese Einsicht ist so alt wie die Industrielle Revolution. Aber unter Ronald Reagan beispielsweise konnten auch die untersten Einkommensschichten spürbar am Aufschwung teilhaben. Dieses Auseinanderdriften wird nirgendwo deutlicher als am größten Finanzplatz der Erde, in New York. Hier ist das Einkommen der obersten 20 Prozent der Einwohner in den letzten zehn Jahren um 13 Prozent gestiegen, während die untersten 20 Prozent Einkommensverluste in Höhe von 15 Prozent hinnehmen mußte. Im Landesdurchschnitt kommen die untersten 20 Prozent der Haushalte wenigstens auf einen schmalen Zuwachs in Höhe von einem Prozent. Trotzdem bestätigen die Zahlen auch hier, daß die Gehälter der Geringverdiener allenfalls stagnieren, während die oberen Einkommensschichten stetig zulegen. Präsident Clinton hatte vor der letzten Präsidentschaftswahl die Auszahlung von Sozialhilfe für Bedürftige zeitlich begrenzt, um so den Mißbrauch zu verhindern und seinen Beitrag zu Konso- lidierung des Staatshaus- halts zu leisten. Gleichzeitig hatte er versprochen, die (damals schon ausgezeichnete) Arbeitsmarktsituation weiter zu verbessern. Das ist ihm auch ge-lungen, denn mit einer Arbeitslosenrate um vier Prozent kann sich Amerika heute wirklich sehen lassen. Ferner hat Clinton den gesetzlich vorgeschriebenen Mindestlohn auf rund 10 Mark pro Stunde erhöht. Allerdings reicht dieser Mindestlohn für viele Familien kaum aus. Das zeigt sich unter anderem daran, daß circa 16 Prozent der Amerikaner nicht krankenversichert sind. Diese Zahl liegt bei den Geringverdienern noch deutlich höher. Betroffen sind vor allem Randgruppen wie Zuwanderer und alleinerziehende Mütter. Längst haben amerikanische Politiker die relative Benachteiligung der Unterschicht als Wahlkampfthema erkannt. Im Januar schlug Bill Clinton vor, das Steuerermäßigungssystem für Geringverdiener mit weiteren 20 Milliarden Dollar auszustatten. Durch dieses Programm aus den 70er Jahren werden Einkommensteuern am Jahresende an Geringverdiener zurückgezahlt. Dank des Präsidenten sollen weitere 20 Millionen Haushalte von dieser Rückzahlung profitieren.

Gleichzeitig werben auch die Republikaner im Wahljahr um die weniger Begüterten. Ihre Pläne, das staatliche Gesundheitsfürsorgesystem zugunsten von Steuersenkungen abzuschaffen, sind schon seit langem vom Tisch. Als erster hat der damalige Republikaner Patrick Buchanan die amerikanische Unterschicht als Zielgruppe entdeckt. Vor fünf Jahren wandte er sich zum Ärger seiner Parteifreunde gegen die negativen Auswirkungen der Globalisierung. Er wendet sich vor allem gegen den Freihandel mit Staaten, in denen Dumpinglöhne gezahlt werden. Amerikas Wohlstand und seine soziale Gerechtigkeit würden auf dem "Altar der Weltwirtschaft" geopfert, kritisierte der konservative Kolumnist damals. Jetzt ist auch der aussichtsreiche Bewerber für das Präsidentenamt, George Bush jun., auf die ungerechte Verteilung des Wohlstands aufmerksam geworden.

In einer Wahlrede bekannte er kürzlich, daß er sich als Sprachrohr derjenigen sehe, "die aus ärmlichen Verhältnissen in den Mittelstand" aufsteigen.