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18.03.00 Griechenland: Reparationsforderungen angedroht

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 18. März 2000


Griechenland: Reparationsforderungen angedroht
Athener Regierung trotz auswärtiger Ermutigung bisher noch zurückhaltend

Seit geraumer Zeit häufen sich die Anzeichen, daß die Einsicht der Aliierten nach Kriegsende, 1945, Deutschland nicht wieder mit Reparationen zu überhaufen, verfliegt. Neidgefühle der ehemaligen Sieger, Angst vor einer deutschen Dominanz in Europa, bloße politische Instinktlosigkeiten, die Gründe der für Deutschland veränderten Situation werden unterschiedlich beurteilt. Doch die Ansicht, in Europa laufe insofern etwas schief, als die bösen Erinnerungen der Vergangenheit zunehmend gegen Deutschland mißbraucht werden und dieses notwendigerweise zunehmend in eine Abwehrposition versetzen, ist verbreitet.

Veranlassung zu solchen Gedanken geben die immer neuen Forderungen nach Wiedergutmachung aus immer neuen Gründen und für immer neue Personenkreise. Die Vermutung, noch etliche Generationen von Deutschen werden für die Verbrechen ihrer Vorfahren zahlen müssen, ist nicht weit hergeholt. Die Ansicht der wie auch immer definierten Betroffenen in der dritten und vierten Generation nach 1945, die Deutschen müßten in alle Ewigkeit materiell büßen, scheint weiterhin ungebrochen fortzugelten. Die Frage ist längst nicht mehr abzuweisen, ob die Alliierten, die auf der Grundlage einer moralisch installierten Forderung ihre Politik gegenüber Deutschland nach 1945 nochmals einer Revision unterziehen wollen.

Griechenland kann von sich sagen, daß es das Grauen der Besat-zungszeit 1940–1944 am schnellsten von allen anderen europaischen Ländern in die Annalen der Geschichte verwiesen hat. Schon Anfang der fünfziger Jahre erschienen in Griechenland die ersten Reisenden aus Deutschland – einer von ihnen war Carlo Schmid –, und sie berichteten, daß sie überall, in der Stadt und auf dem Land, ohne Ressentiments empfangen würden.

Dies ist um so beachtenswerter, als die Frage der Erinnerung an die Besatzungszeit sehr schnell einen dicken politischen Anstrich erhielt: Griechenland und Deutschland wurden Nato-Mitglieder, die Kommunisten und ihre Mitläufer waren stets bemüht, die Erinnerung an die Besatzungszeit, als Mittel zur Bekämpfung der Allianz und der mittel- und westeuropäischen Länder überhaupt, stets wachzuhalten.

Der gelegentlich bemühte Begriff vom Schock, den die westlichen Nachbarn Deutschlands gelegentlich der Wiedervereinigung erlitten haben, stieß in Hellas auf keinerlei Echo. Trotzdem wurde auch in Griechenland die Frage nach zusätzlicher Wiedergutmachung wegen erwiesener Verbrechen der deutschen Besatzungstruppen nach 1990 aktuell. Dazu haben zwei Faktoren beigetragen: die Linke, die an das Thema immer gerührt hat, und die Einführung der Neuerung des Prinzips gewählter Präfekten. Sie suchten stets nach stimmträchtigen Themen und fanden in den Provinzen, die in der Besatzungszeit besonders hart betroffen wurden, Aussicht auf Millionen von D-Mark fur die Nachkommen der Opfer. Sie legten den 2+4-Vertrag als Friedensvertrag aus, was zu einer Wiedergutmachungsklage beim Landgericht von Levadia, Mittelgriechenland, führte.

Die griechische Regierung war von der Entwicklung eher überrascht, denn ein tatsächliches Interesse an der Sache kann sie nicht haben. Was auch immer Wiedergutmachungsforderungen materiell einbringen mögen, sicher ist, daß der Schaden, den die griechisch-deutschen Beziehungen daraus erlitten, noch viel schwerer wiegen dürfte.

Es liegt daher auf der Hand, daß die Frage der Wiedergutmachung ein äußerst diffiziles innenpolitisches Thema darstellt, das jede demokratische Regierung mit größter Vorsicht behandeln muß.

Demgegenüber scheint aus griechischer Sicht die Handlungsfreiheit der Bundesregierung gegenüber dieser Frage ungemein größer als die der griechischen. Zu mehr als zu einer bloßen Stellungnahme, daß sie nicht über weitere Reparationen an Griechenland sprechen will möchte, konnte man sich nicht durchringen.

Die Folge war nunmehr, daß das Landgericht von Levadia durch seinen Beschluß 137/1997 Deutschland zur Leistung einer Wiedergutmachung in Höhe von neun Milliarden Drachmen an die Nachfahren der 218 Opfer, die am 10. Juni 1944 in Distomon (Mittelgriechenland) erschossen worden waren, verurteilt hat. (Die Gründe, warum die Besatzungsmacht so brutal gegen die Partisanen von Distomon vorgegangen ist, verschweigt die griechische Seite wohlweislich, denn sie waren zumindest genau so brutal.) Die Bundesregierung lehnte das Urteil, ohne es juristisch anzufechten, mit dem völkerrechtlich richtigen Argument ab, Bürger eines Staates könnten von ihren Gerichten aus keinen anderen Staat verklagen.

Nichtsdestoweniger wurde aber das Urteil des Gerichtes von Levadia rechtskräftig, was zu 60 000 ähnlichen Klageerhebungen in fast allen Präfekturen Griechenlands für ingesamt 120 000 Opfer geführt hat. Nach einer unglückseligen Rechnung auf der Grundlage des Urteils von Levadia stehen jedem Opfer der Besatzungszeit (nach heutigen Paritäten) 242 849 DM zu, also insgesamt ca. 29,142 Milliarden DM, materielle Schäden nicht mitgerechnet.

Es muß unterstrichen werden, daß die Klage am Oberlandesgericht von Levadia in einer Zeit erhoben wurde, in der die Bundesregierung keinen Zweifel haben konnte, daß ein Teil, wahrscheinlich aber alle der ehemaligen Alliierten nicht glücklich über eine mögliche Wiedervereinigung war und daß der Bundesregierung nicht entgangen war, daß der Fall Griechenland Präzedenzkraft für das gesamte Europa und darüber hinaus erlangen konnte und daß es schließlich überschaubar war, daß Deutschland vor einer Neuauflage von Wiedergutmachungsforderungen stand.

Umso unverständlicher ist es daher, daß die Bundesregierung sich lediglich weigerte, das Urteil von Levadia anzuerkennen. Dies veranlaßte nämlich die Kläger, den Fall vor den Areopag, das Oberste Kassationsgericht des Landes, zu bringen. Dieses Mal verlangten sie allerdings gleich 400 Milliarden Drachmen (ca. 2,35 Milliarden DM) als Entschädigung fur das Geschehen in Distomon von 1944.

Erst jetzt trat endlich ein Rechtsanwalt im Auftrag der Bundesregierung auf, der vor dem Areopag das Argument wiederholte, die Regierung eines fremden Staates genieße in einem anderen Staat Exterritorialität und infolgedessen könne die Bundesregierung nicht von Privatleuten in Griechenland verklagt werden. Der Areopag will darüber in Vollversammlung entscheiden, was wohl noch vor dem Sommer geschehen dürfte. Der Generalstaatsanwalt, Panagiotes Demopopulos, plädierte allerdings für die Ablehnung des Anspruches der Bundesregierung auf Exterritorialität. Sein Argument lautet, hier handele es sich um Verbrechen gegen den Frieden und die Menschlichkeit, die auf der Grundlage der vom Internationalen Gerichtshof in Nürnberg geschaffenen Grundsätze das Recht fremder Regierungen auf Exterritorialität verwerfen.

Die Athener Regierung verhält sich bisher in dieser Frage zurückhaltend, weshalb sie von den Klägern kritisiert wird. Vielleicht ist sie die einzige von allen bisher an der Sache Beteiligten, die die Tragweite des Problems erkennt: Über diesen Weg kann Deutschland auf das Jahr 1945 zurückkatapultiert werden. Weder die griechischen Kläger noch die griechischen Gerichte wollen und können eine solche Katastrophe auslösen; die griechischen Kläger spielen naiv mit dem Feuer, offenbar ohne dies zu ahnen, und es ist ihnen nicht bewußt, wie tief antieuropäisch ihre Handlungen sind.

Die gelegentlich angeführte Ansicht aber, daß die mögliche Perspektive, die die privaten Klagen in ganz Europa gegen Deutschland und die Europaische Union eröffnet, nicht von anderen Staaten und Gruppierungen in der Welt aufgegriffen wird, scheint zumindest naiv. Denn hier liegt die eigentliche Brisanz der Klagen der griechischen Präfekten auf Entschädigung gegen Deutschland, die ganz Europa schwächen und in noch größere Uneinigkewit bringen würde. Gregor Manousakis / P. F.