16.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
01.04.00 Rohstoffe: Wasser – begehrt wie Erdöl

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 01. April 2000


Rohstoffe:  Wasser – begehrt wie Erdöl
Die Verteilungskämpfe um den lebenswichtigen Stoff sind offen entbrannt

19 Staudämme und 22 Kraftwerke umfaßt das Südostanatolien-Projekt (GAP) der türkischen Regierung an Euphrat und Tigris. Das türkische Staudammprojekt ist eines der größten wasserbaulichen Vorhaben der Welt und das umfangreichste Entwicklungsvorhaben in der Geschichte der Türkei. Neben der Stromgewinnung soll dieses gigantische Projekt vor allem der künstlichen Bewässerung landwirtschaftlicher Großprojekte dienen. Daß insbesondere die Nachbarstaaten Syrien und Irak dieses türkische Projekt mit offenem Mißtrauen verfolgen, liegt auf der Hand: die Türkei gräbt seinen Anrainerstaaten regelrecht das Wasser ab. Außer einer Verminderung des Flußwassers droht Syrien und dem Irak auch eine verminderte Qualität aufgrund der landwirtschaftlichen Entwicklung Südostanatoliens. Insbesondere Syrien sieht sich bei einer Realisierung des türkischen Projektes mit einer andauernden Wasserknappheit konfrontiert. Daß es bisher noch nicht zu militärischen Verwicklungen gekommen ist, liegt wohl vor allem in der Tatsache begründet, daß Syrien ein eher armes Land ist und der Irak unter den bedrohlichen Folgen der ihm auferlegten UN-Sanktionen leidet. Die türkische Regierung kann selbst dem Protest der Arabischen Liga mit Gleichmut begegnen, stände doch im Konfliktfall die Nato zur Seite, die das türkische Projekt gegen eine mögliche militärische Durchsetzung des Gewohnheitsrechtes der Araber auf das Wasser der Flüsse schützen würde. Wie der Konflikt zwischen der Türkei und seinen Nachbarn auch ausgehen mag, er dokumentiert, welchen Stellenwert das Wasser im 21. Jahrhundert einnehmen wird. Wasser, dies kann heute ohne Abstriche gesagt werden, wird mehr und mehr zu einer strategischen Ressource, von der in Zukunft das Wohl ganzer Völker abhängen wird. Dies hat inzwischen auch die Wirtschaft erkannt. So berichtete die Berner Journalistin Gabriela Neuhaus in der "Basler Zeitung" vom 22. März, daß "der Nahrungsmittelkonzern seit Jahren systematisch Trinkwasserquellen aufkauft. Auch weitsichtige Investoren in den USA und in Europa setzen auf den Wassersektor, der momentan vielerorts von der öffentlichen Hand an Private übergeht."

Diese steigende Bedeutung des Faktors Wasser steht im Gegensatz zu dem immer noch fahrlässigen Umgang mit dieser lebenswichtigen Ressource. In diesem Zusammenhang sind z. B. ineffiziente Bewässerungsanlagen in Entwicklungsländern zu nennen, die dazu führen, daß ein Teil des zugeführten Wassers ungenutzt verdunstet. Oder der Raubbau an Grundwasserbeständen im Umfeld der Megastädte der Dritten Welt, der die Vernichtung nicht erneuerbarer Wasserreserven zur Konsequenz hat. Zu den Problemen der Wasserversorgung in Ballungsgebieten gehört weiter die Abwasserentsorgung, die vielfach ungelöst ist.

Zu diesen Problemen kommt ein massives Verteilungsproblem im Hinblick auf die Ressource Wasser. Die gerade einmal 0,13 Prozent des Wasservolumens der Erde, die heute genutzt werden können, sind sehr ungleich verteilt. Eine ständige steigende Anzahl von Menschen (derzeit 1,2 Milliarden Menschen) hat keinen Zugang zu Trinkwasser in genügender Qualität. Berechnungen haben ergeben, daß diese Zahl bis zum Jahre 2025 auf 2,3 Milliarden Menschen ansteigen wird. Eine Konsequenz dieser Entwicklung ist laut Jahresgutachten 1997 des Wissenschaftlichen Beirates der Bundesregierung für Globale Umweltveränderungen ein signifikantes Ansteigen von Krankheiten, die im Zusammenhang mit dem Genuß von verseuchtem Trinkwasser stehen. "Insgesamt treten etwa vier Milliarden Durchfallerkrankungen jährlich auf", wird im Gutachten festgestellt. "Mit mangelnder Wasserhygiene verbundene Erkrankungen wie bakterielle, virale und parasitäre Darminfektionen häufen sich besonders in Entwicklungsländern mit rascher Verstädterung und Slumbildung sowie im Rahmen größerer Migrationen infolge von Kriegen oder Naturkatastrophen." Daß auch Industriestaaten vor den Konsequenzen von verseuchten Trinkwasser nicht gefeit sind, zeigt folgende Einschätzung des Jahresgutachtens: "Besonders häufig sind auch in entwickelten Ländern Seuchen durch Genuß von Trinkwasser, das infolge von Leitungsschäden durch Abwasser kontaminiert ist." Jeder zweite Mensch, so schlußfolgert das Jahresgutachten, leidet zur Zeit an Krankheiten, die über Wasser oder an Wasser gebundene Erreger übertragen wurden.

Von der steigenden Wasserknappheit sind inzwischen nicht nur Entwicklungs- und Schwellenländer allein betroffen. Auch in bestimmten Industriestaaten zeichnet sich ab, daß der Wasserverbrauch in der bisherigen Form schon in Bälde auf Grenzen stoßen wird. Entsprechende Konfliktszenarien sind damit programmiert. Stefan Gellner