29.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
08.04.00 Wen stellt die Büste des Medaillons an der Königsberger Chirurgischen Universitätsklinik dar?

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 08. April 2000


"Sculpturen und Ornamente"
Wen stellt die Büste des Medaillons an der Königsberger Chirurgischen Universitätsklinik dar?

Eine Vielzahl von Universitätseinrichtungen war in der Umgebung der Neuen Universität im nordwestlichen Teil der Innenstadt Königsbergs untergebracht. Dazu gehörte der 1859 bis 1864 errichtete Backsteinbau der ersten Chirurgischen Universitätsklinik in der Drummstraße, der entgegen der Angabe in der Stüler-Werkmonographie von 1997 bis heute überdauert hat und als Krankenhaus genutzt wird. Die Fassade entwarf kein Geringerer als Friedrich August Stüler, der "Architekt des Königs", nach dessen Entwurf auch die Neue Universität selbst ausgeführt wurde. Die Front des Mittelbaus der Klinik wird durch die in der Mittelachse vorgesetzte, zweistöckige Ädikula-Architektur mit Rundportal im Erdgeschoß, sogenanntem Drillingsfenster im Mittelgeschoß und abschließendem Dreiecksgiebel mit Palmettenakroter bestimmt.

Hier läßt sich trotz rötlicher Übermalung noch eine Vorstellung von der einst die Fassade der Stülerschen Univeristät bestimmenden, beim Wiederaufbau gänzlich beseitigten Architekturkeramik, insbesondere der Drillingsfenster, gewinnen. Die aus gelbgebrannter Terracotta bestehenden Architekturteile lieferten die Marchschen Fabriken in Berlin-Charlottenburg. Stülers Bewertung hat sich am Klinikbau bewahrheitet: "Die treffliche Mischung von Töpferthon, Porzellanerde und Sand, wodurch der Thonwaarenfabricant March bei Charlottenburg eine allen Einflüssen der Witterung trotzende Steinmasse herstellt, ermöglichte die Ausführung jeder Art von freistehenden Architekturteilen, Sculpturen und Ornamenten …".

Bei March wurden auch nach Modellen eines nicht namentlich bekannten Künstlers der Berliner Bildhauerschule die beiden für Stüler-Bauten so charakteristischen Scudellen-Büsten in den Steinfeldern des Obergeschosses hergestellt. Waren bei der Universität bedeutende Professoren und Direktoren der Albertina dargestellt, so hier der Funktion des Gebäudes entsprechend zwei berühmte Chirurgen. Rechts das Brustbild des 1795 in Königsberg geborenen und zuletzt als Direktor des Chirurgischen Klinikums in Berlin tätigen Professors Johann Friedrich Dieffenbach (gestorben 1847). Er machte sich namentlich um die plastische Chirurgie, Tenotomie und Bluttransfusion verdient. Er schrieb: "Die Transfusion des Blutes und die Infusion der Arzneien in die Blutgefäße", "Die Heilung des Stotterns" oder "Über das Schielen und die Heilung derselben durch die Operation".

Das linke Büstenmedaillon zeigt aber nicht, wie Herbert Meinhard Mühlpfordt in "Königsberger Skulpturen und ihre Meister 1255–1945" von 1970 vermutete, vielleicht "Professor Johann Daniel Metzger, der sich als erster und einziger schon 1790 für den Bau eines bis dahin noch nicht vorhandenen Clinicums … und den Bau einer Hebammenschule kräftig einsetzte". Wie die jetzt mittels Teleobjektiv-Aufnahme lesbare Inschrift auf dem Rand der Scudelle bezeugt, stellt die Büste "August Gottlieb Richter 1742–1812" dar. Im Großen Brockhaus, der als zweiten Vornamen abweichend Gottlob, aber übereinstimmende Lebensdaten nennt, heißt es zu dem seit 1766 als Professor in Göttingen wirkenden Mediziner: "Er führte als erster die Grundsätze der englischen Chirurgen in Deutschland ein und strebte eine engere Verbindung zwischen Chirurgie und wissenschaftlicher Medizin an. Seine ,Anfangsgründe einer Wundarzneikunst‘ … wurden grundlegend für die weitere Entwicklung der Chirurgie. Er gilt als der Reformator der Augenheilkunde, da er die umherziehenden ,Okulisten‘ bekämpfte und eine wissenschaftliche Augenheilkunde begründete."

Nach der Eröffnung der Neuen Chirurgischen Klinik in der Langen Reihe 1881 fiel das "Rote Haus" der Medizinischen Universitätsklinik zu, die bisher nur im 1847 eröffneten "Grauen Hause" gewirkt hatte. Heinrich Lange