25.04.2024

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15.04.00 BND: "Komplizenschaft mit Aktivitäten"?

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 15. April 2000


BND: "Komplizenschaft mit Aktivitäten"?
Das Auftauchen von August Hanning in Tschetschenien verblüfft die Öffentlichkeit

Es gehört zu den Praktiken der Geheimdienste, auf Chef-Ebene Kontakte zu pflegen mit verbündeten und befreundeten Diensten. Man besucht sich gegenseitig, tauscht Erfahrungen und – begrenzt – auch gewonnene Erkenntnisse aus und arbeitet unterschiedlich eng zusammen in Bereichen von beiderseitigem Interesse. Das war immer so. Nicht ungewöhnlich ist dabei auch die Zusammenarbeit mit den Diensten neutraler Staaten. Dies vollzog sich bisher in der Stille und ohne Aufsehen in der Öffentlichkeit.

Reinhard Gehlen, Begründer des Bundesnachrichtendienstes, wäre – wie auch seine Nachfolger oder der Chef des MAD – nie auf den Gedanken gekommen, in ein Kriegsgebiet zu reisen, um dort offensichtlich eine der kriegführenden Parteien fachmännisch zu beraten. Zu Recht ist die deutsche Öffentlichkeit über die Reise des heutigen BND-Chefs August Hanning alarmiert.

Hanning besuchte auf Einladung des russischen Geheimdienstes vom 23. bis 24. März Tschetschenien, wo immer noch Krieg geführt wird bis zur völligen Unterwerfung des tschetschenischen Volkes, das in Zukunft nach Entscheidung von Wladimir Putin von Moskau aus zentral regiert werden soll. Die Auffassung einzelner Abgeordneter des Deutschen Bundestags, die Hanning-Reise müsse als "Komplizenschaft mit Aktivitäten, die wir nicht billigen können", angesehen werden (Dieter Wiefelpütz, SPD), ist nicht abwegig. Man muß sich vorstellen, daß in einem grausam geführten Krieg die Zivilbevölkerung unter dem Einsatz von mehr als 100 000 Soldaten, schweren Panzern, Artillerie und Luftstreitkräften entsetzlich leidet. Dem stehen nur mehrere 10 000 aufständische Tschetschenen gegenüber. Insofern muß es verwundern, wenn Deutschland durch Beratung einer der kriegführenden Mächte Partei ergreift. Nein, heißt es aus dem Kanzleramt, es ging bei der Reise nur um einen Informationsaustausch mit Rußland über Terrorismus ganz allgemein.

Der Koordinator der Geheimdienste beim Bundeskanzler Uhrlau (SPD), vormals Chef des Landesamts für Verfassungsschutz Hamburg, sieht, wie er sagt, in der Reise des BND-Chefs in die Nähe von Grosny keinerlei Unterstützung der russischen Kriegführung gegen die tschechische Bevölkerung. Es sei allein um einen "Informationsaustausch zum Terrorismus gegangen". Damit aber übernimmt die Bundesregierung zum Krieg in Tschetschenien nun die Sprachregelung der Regierung der russischen Föderation, wonach es sich beim Einsatz der russischen Streitkräfte praktisch nur um eine Vergeltungsaktion für zwei zerstörte Wohnhäuser in Moskau im vergangenen Jahr handelte. Die Täter dieser Anschläge in Moskau konnten bisher allerdings nicht ermittelt werden.

Die Gespräche Hannings mit seinen russischen Partnern betrafen – so das Bundeskanzleramt – nicht die Kämpfe in Tschetschenien. Warum, um Gottes willen, reiste dann der BND-Chef dorthin und nicht nach Moskau? Diese Antwort wird die Bundesregierung dem Deutschen Bundestag nun geben müssen.

Dabei wird zu berücksichtigen sein, daß Deutschland ein berechtigtes Interesse an der Bekämpfung des internationalen Terrorismus hat. Zu nah ist uns noch die Erinnerung an die brutalen terroristischen Anschläge der späten siebziger und frühen achtziger Jahre in Deutschland, bei denen die deutschen Terroristen zum großen Teil im Ausland ausgebildet waren – einige wie Klar auch bei der Bundeswehr – oder im Ausland Unterschlupf fanden. Die Bekämpfung des Terrorismus kann erfolgreich nur grenzüberschreitend erfolgen. In Deutschland arbeiten alle Dienste (BND, BfV, MAD und vor allem das BKA) so weit möglich eng zusammen, daß heißt, soweit ihre Kooperation nicht durch innerstaatliche Regelungen eingeschränkt ist. Auf dem Höhepunkt der Terrorismusbekämpfung unter Bundeskanzler Helmut Schmidt und seinem für die Koordinierung der Dienste zuständigen Staatssekretär Manfred Schüler konnte die Zusammenarbeit kaum enger sein. Soweit die Bekämpfung des Terrorismus in Deutschland damals erfolgreich war, hat allerdings den entscheidenden Beitrag dazu das Bundeskriminalamt mit Unterstützung von BfV und MAD geleistet. Der BND verfügte damals über eine besondere Kapazität.

Heute ist die Beobachtung und Bekämpfung des internationalen Terrorismus im Aufgabenkatalog des BND festgeschrieben. Also ist sein Interesse legitim, auch aus der Terrorismusbekämpfung Rußlands Erkenntnisse zu gewinnen. Zu hoffen ist, daß der BND sich dabei in einer dienenden Funktion gegenüber seinem Land versteht und nicht für parteipolitische Zwecke benutzen läßt. Diese Gefahr ist seit dem Ausscheiden von Reinhard Gehlen leider stetig gewachsen, wie manche Beispiele der letzten Jahre belegen.

Hier könnte Aufklärung darüber helfen, warum der BND-Chef in das Kriegsgebiet des Kaukasus reiste und ob er dort Erkenntnisse gewinnen konnte, wie Terrorismus effektiv bekämpft werden kann. Der Schwerpunkt der Abwehr des Terrorismus muß im vorbeugenden Bereich liegen und kaum im Einsatz militärischer Großverbände. Gerd-H. Komossa Generalmajor a. D.