25.04.2024

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22.04.00 Pillau-Neutief und die Frische Nehrung (Teil III)

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 22. April 2000


Ein Niemandsland sucht seine Zukunft
Pillau-Neutief und die Frische Nehrung (Teil III)

Grüner, schweigender Wald bis Strauchbucht und Scheitschhaken, wo die Nehrung mit fast zwei Kilometern die größte Breite hat und das Dorf Schvyte begraben liegt. Die mächtige Wanderdüne, die es verschüttet hat, ragt unverändert, beherrschend, lockend und drohend gen Himmel. Als einzige auf der Nehrung wurde sie nicht festgelegt. Fast zwei Kilometer ist sie lang und 26 Meter hoch. Grandios ist der Anblick von der Höhe des goldgelben Ungetüms. Ihr zu Füßen südlich liegt – besser sagt man lag – Narmeln; nun nicht viel mehr als Unterkunft für die letzten militärischen Grenzposten. Endstation für alle, die bis hier gekommen sind. Das soll anders werden. Offiziell wurde soeben die Genehmigung für einen russisch-polnischen Grenzübergang erteilt. Aber werden wirklich bald Besucher aus dem Süden kommen, um die "Kosa" (Landzunge), wie die Russen ihren Teil der Nehrung nennen, zu einem Touristenziel wie auf der polnischen Seite zu machen? Niemand hofft das so sehr wie die Bewohner von Neutief.

Die 1200 Menschen dort fristen ein bedauernswertes Dasein. Arbeit gibt es fast gar nicht. Die Brotfabrik wurde nach dem Abzug der Truppen vor zwei Jahren schnell zur Ruine. Zwei Einkaufsstellen verdienen nicht den Namen "Laden". Plünderungen sind an der Tagesordnung. Feuchtigkeit in den Wohnungen, Stromsperrungen, tote Telefonleitungen, miserables Trinkwasser – in Baltijsk, wie die Russen Pillau nennen, hat immerhin Präsident Jelzin bei einem Besuch dafür gesorgt, daß die auf Stunden beschränkte Wasserzuleitung durch eine regelmäßige Belieferung abgelöst wurde.

Die Fährverbindung über das Tief ist mangelhaft geworden. Wer von den 400 Schülern in Neutief, die wenigstens dort eine Grundschule haben, zur weiterführenden Lehranstalt in die Stadt muß, wer von den Erwachsenen hinüber zur Arbeit will, hat oft seine liebe Not, pünktlich zu erscheinen. In Notfällen kommt manchmal die Fähre zu spät, auch für ein Menschenleben. So bleibt die Hoffnung als Überlebenshilfe, genährt aus jahrzehntelanger bitterer Erfahrung. Oder ist es mehr als Hoffnung, wenn jetzt von großen Plänen gesprochen wird?

Tatsächlich ist auch von einem Vergnügungspark die Rede, von kleinen Hotels, von einem internationalen Jachthafen, von der Nutzung der Piste für einen zivilen Flughafen, der "Hallen" als Sportzentren für Garagen und Bootsliegeplätze, von internationalen Fährverbindungen, von Investoren aus Schweden, Polen, auch Deutschland. Schamhafte Versuche einer Wiederbelebung gibt es mit einer Jugendherberge und einem Jachthafen zwischen Fähranleger und Rappenhagen, wie er schon zu deutscher Zeit existierte. Kann man angesichts der allgemeinen desolaten Lage und der speziellen Misere daran glauben? Die Antwort vor Ort: "Wir hätten 1992 nicht daran gedacht, daß sich unsere Lage hier so total verändern würde. Wenn das möglich war, dann kann auch dies Wirklichkeit werden." Der nüchterne, aber auch wohlwollende Beobachter kann nur raten: "Die Luftschlösser stehen in jener Welt überall. Fangt endlich an, Fundamente zu bauen!" Helmut Peitsch

(Schluß)