20.04.2024

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06.05.00 Leipzig – eine Stadt der Musik

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 06. Mai 2000


Leipzig – eine Stadt der Musik
Vom Wirken berühmter Komponisten in der alten Messemetropole

Nach sechsmonatiger Schließung ist Ende März das Leipziger Bach-Museum wieder dem Publikum zugänglich gemacht worden (täglich 10 bis 17 Uhr; Führungen 11 Uhr). Im historischen Bose-Haus aus dem 16. Jahrhundert in unmittelbarer Nähe zur Thomaskirche ist die Dauerausstellung zu Leben und Wirken des Komponisten und Thomaskantors Bach und seiner Familie neu gestaltet worden. Neben Autographen, Originalhandschriften, Erst- und Frühdrucken gibt es jetzt auch ein Hörkabinett, in dem man sieben Programme zu bestimmten Gattungen Bachscher Musik anhören kann. Leihgaben aus dem Musikinstrumenten-Museum der Universität Leipzig runden das Bild ab.

Im gleichen Haus befindet sich auch das 1950 gegründete Bach-Archiv, das Material zu Leben und Werk des Thomaskantors sammelt, erforscht und dokumentiert. 27 Jahre lang war Johann Sebastian Bach, dessen 250. Todestages man sich am 28. Juli erinnert, als Kantor an der Thomaskirche, übrigens dem Gotteshaus mit dem steilsten Kirchendach Europas, auch verantwortlich für Musik der drei anderen Leipziger Kirchen seiner Zeit, der Nikolaikirche, der Paulinerkirche und der Neuen Kirche. Außerdem unterstand ihm die musikalische Ausbildung der Thomaner. Die alte Thomasschule, in der Bach auch wohnte, wurde 1902 abgerissen. Die Tür, die in seine Wohnung führte, ist heute im Bach-Museum hinter Glas ausgestellt.

Die Thomaskirche, deren Ursprünge auf das 12. Jahrhundert zurückgehen, wurde Anfang des 13. Jahrhunderts zur Stiftskirche der Augustiner Chorherren umgebaut. 1482/96 wurde die dreischiffige Halle errichtet, die bis heute nahezu erhalten blieb. Am Pfingstsonntag 1539 predigte übrigens Martin Luther zur Einführung der Reformation in dieser Kirche, die seit 1949 auch das Grab des Komponisten und Thomaskantors beherbergt. – Die Nikolaikirche, im 12. Jahrhundert gegründet und 1513/25 als spätgotische Hallenkirche umgebaut, wurde 1784/97 im Innenraum umgestaltet. Seit 1982 wurde dort durch die regelmäßigen Friedensgebete die Wende 1989 eingeleitet. Heute wird dort das Konzept der "Offenen Stadtkirche" mit Ausstellungen und Konzerten verwirklicht.

In Wechmar bei Gotha ist im Jubiläumsjahr auch das Stammhaus der Familie Bach wieder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden. Das Fachwerkhaus aus dem 17. Jahrhundert beherbergte einst eine Mühle und Bäckerei des Stammvaters Veit Bach. Zu DDR-Zeiten war es ein Dorfkonsum, jetzt wird dort in einer Dauerausstellung die Geschichte der Familie dokumentiert.

Eine stolze Reihe von Veranstaltungen erwartet im Bach-Jahr die Musikfreunde. Vor allem in Leipzig, dem langjährigen Wirkungsort des Komponisten, aber auch in anderen deutschen Städten gedenkt man des 1685 in Eisenach Geborenen. Neue CD-Einspielungen seiner Werke, aber auch Biographien und andere Publikationen informieren über das reiche Schaffen Bachs. Neben dem bei Hoffmann und Campe erschienenen Roman Die letzte Kantate von Philippe Delelis (siehe nebenstehenden Beitrag) sei auf die preisgünstige Sonderausgabe der Bild-Biographie von Walter Kolneder und Karl-Heinz Jürgens Johann Sebastian Bach – Lebensbilder aus dem Gustav Lübbe Verlag hingewiesen (224 Seiten mit 137 z. T. farbigen Abb., Format 260 x 304 mm, geb. mit farbigem Schutzumschlag, jetzt nur 39,80 DM). Der Leser begleitet Bach auf seiner Lebensreise, die ihn von Eisenach nach Lüneburg, Celle, Hamburg, Arnstadt, Lübeck, Mühlhausen, Weimar, Köthen, Karlsbad und schließlich nach Leipzig führte. Seine Matthäus-Passion, die h-moll Messe, das Wohltemperierte Klavier, die Brandenburgischen Konzerte, Die Kunst der Fuge – die Kompositionen Bachs sind ein überwältigendes Klangerlebnis. – "Bachs Kraftströme kommen aus der Phantasie und verflechten sich zu Ideen", schreibt Dietrich Fischer-Dieskau im Vorwort zu den "Lebensbildern". "Seine Musik verläuft höchst geschmeidig, durch Rhythmus und Metrum geordnet. Seine verwickelten Notenbilder klären sich oft graphisch. Und der zeitlich im Barock Arbeitende bewegte sich mit seiner Expression eher in gotischen Tonbezirken."

Es war der 1809 in Hamburg geborene Felix Mendelssohn-Bartholdy, der 1829 in der Berliner Singakademie die von Friedrich Zelter vorbereitete Matthäus-Passion von Bach dirigierte und zum Auftakt einer auch andere mitreißenden Bach-Bewegung machte. 1835 trat Mendelssohn-Bartholdy in Leipzig sein Amt als Kapellmeister des Gewandhausorchesters, übrigens des ältesten bürgerlichen deutschen Konzertorchesters, an; ein Jahr später schon wurde er zum Dr. h.c. der Leipziger Universität ernannt.

1841 hielt sich der Komponist einige Zeit in Berlin auf, um seine Komposition zur "Antigone" aufzuführen. Friedrich Wilhelm IV. war begeistert und ernannte Mendelssohn-Bartholdy zum Preußischen Generalmusikdirektor. Es gelang dem König allerdings nicht, den Komponisten von Leipzig wegzulocken. Dort gründete er 1843 das Konservatorium, das bald im In- und Ausland als Bildungsstätte der romantischen Musik schlechthin galt und der deutschen Musik ein außerordentliches Ansehen verschaffte. Mendelssohn-Bartholdy starb 1847 in Leipzig. Die Wohnung, Goldschmidtstraße 12, in der er lebte und starb, ist heute als Museum eingerichtet (täglich 10 bis 18 Uhr).

An einen anderen Komponisten, der sich vor allem auch als Schriftsteller einen Namen machte und einige Zeit in Leipzig verbrachte, erinnert dort nichts mehr: E. T. A. Hoffmann (1776–1822). Der Königsberger war 1813 als Musikdirektor der Secondaschen Operngesellschaft von Dresden nach Leipzig gekommen – mitten in den Wirren der Befreiungskriege gegen Napoleon und seine Besatzungstruppen. Allen Unruhen zum Trotz brachte Hoffmann in dieser Zeit mehr als 40 Opern und Singspiele zur Aufführung. Er wohnte damals mit seiner Frau Mischa im "Goldenen Herz" in der Fleischergasse.

Hoffmann, der vollauf beschäftigt ist mit dem Einstudieren immer neuer Opern, findet dennoch die Zeit, sich seiner eigenen Kunst zu widmen. Er schreibt die Erzählung "Der Magnetiseur", das Märchen "Der Goldene Topf", ein neues Stück für die "Kreisleriana", die "Nachricht von einem gebildeten jungen Mann", beginnt seinen ersten Roman "Die Elixiere des Teufels", schreibt das Schauspiel "Prinzessin Blandina", die Erzählung "Ignaz Denner", einen Aufsatz "Über alte und neue Kirchenmusik", Rezensionen für die "Allgemeine Musikalische Zeitung" und vollendet die Partitur für seine Oper "Undine". Im Februar 1814 hatte Seconda seinem Musikdirektor gekündigt, doch erst im September verläßt er Leipzig, um in Berlin eine neue Stelle am Kammergericht anzutreten. Der Abschied von Leipzig soll E. T. A. Hoffmann nicht schwer gefallen sein, hat er dort doch nur einen einzigen Menschen gefunden, mit dem er sich wirklich verstand: den Schriftsteller und Privatgelehrten Adolph Wagner: "Ein gebildeter Mann – spricht 1700 Sprachen", notierte Hoffmann in seinem Tagebuch. Wagner war übrigens der Onkel des 1813 in Leipzig geborenen Richard Wagner ...

Wagner, dessen Geburtshaus Brühl 3, 1886 abgebrochen wurde, besuchte die Nikolai- und dann die Thomasschule und studierte Musik an der Universität Leipzig. An seine Anfänge als Dichter erinnert er sich voller Humor: ein großartiges Trauerspiel nach Vorbild der Griechen wollte er schreiben: "... 42 Menschen starben während des Stückes und ich sah mich bei der Ausführung genötigt, die meisten als Geister wiederkommen zu lassen, weil mir sonst in den letzten Akten die Personen ausgegangen wären ... Beethovens Musik zu ,Egmont’ begeisterte mich so, daß ich ... mein Trauerspiel nicht anders vom Stapel laufen lassen wollte als mit einer ähnlichen Musik versehen." Acht Tage lang studierte Wagner Logiers "Methode des Generalbasses". "Die Schwierigkeiten desselben reizten und fesselten mich; ich beschloß Musiker zu werden ..."

Leipzig – die Stadt der Musik? Im Bach-Jahr 2000 ganz gewiß. Aber am 10. und 11. Juni auch die Stadt des Deutschlandtreffens der Ostpreußen. Eine Stadt, die es lohnt, einmal genauer anzusehen.

Silke Osman