20.04.2024

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13.05.00 175 Jahre Rautenberg Druck 1825–2000

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 13. Mai 2000


Ein Buch für jedes Preußenherz
175 Jahre Rautenberg Druck 1825–2000

Ich kann mich noch sehr gut an meine erste Begegnung mit dem "Redlichen" erinnern. Es war in einem kleinen Dorf zwischen Eydtkuhnen und Stallupönen, wo drei Kusinen meiner Mutter lebten, ein Schwesterntrio, das in einem schmucken, neuen Haus neben dem vom Bruder geerbten Hof wohnte. Für mich zehnjährige Marjell war der Besuch nicht sehr aufregend, obgleich die Tanten aufgetischt hatten, was das Zeug hielt. "Habt ihr denn nichts zu lesen?" fragte ich, des ewigen Zuhörens der ausgetauschten Erinnerungen leid. Sie hatten was: Das Kreisblatt, etliche Ausgaben der "Gartenlaube" und schließlich der "Redliche Preuße". Dieser Kalender tröstete mich doch sehr, wenn ich auch mit Trächtigkeitszeiten und Viehmärkten nicht viel anfangen konnte. Aber es gab darin viele Bilder, fesselnde Geschichten, lustige Vertellkes und sogar ein paar Witzchen.

Heute halte ich das Jahrbuch "Der redliche Ostpreuße" für das Jahr 2000 in der Hand. "Redlich" ist er also noch immer, und das nun seit 170 Jahren, denn der erste Kalender mit diesem Attribut erschien im Jahre 1830! Allerdings hieß er "Der redliche Altpreuße" und war sozusagen der Urahn des beliebten Jahrbuches, dem wohl damals sein Begründer Carl-Ludwig Rautenberg in Mohrungen nie ein solch langes Erscheinen vorausgesagt hätte. Denn das Jahrbuch war das erste Verlagswerk des 27jährigen Buchbinders und Verlagsbuchhändlers, der 1825 die Buchbinderei Fermer in Mohrungen übernommen und drei Jahre später die Konzession für den Verlagsbuchhandel erhalten hatte.

Der geborene Liebstädter war ein geistig reger und vielseitig interessierter Mann. Es genügte ihm nicht, Gesangbücher und Fibeln zu vertreiben. Vielleicht war er beim Besuch der ostpreußischen Jahrmärkte, auf denen er die von ihm vertriebenen Schriften anbot, auf die Idee gekommen, einen Heimatkalender herauszugeben, der die Wünsche der heimischen Leserschaft erfüllte. Nach den Wirren der napoleonischen Ära und den Befreiungskriegen war nun die Zeit der Konsolidierung gekommen, die Menschen konnten sich auf ein ruhigeres Leben einstellen und waren für Rat und Belehrung dankbar.

Und die erfüllte der "Redliche" zur vollen Zufriedenheit, wie zwei Jahre später eine Besprechung in den Preußischen Provinzial-Blättern beweist. Er sei reichhaltig und gehaltvoll, wirke belehrend und rege zum Nachdenken an. Als Beispiel werden die "50 Sittensprüche, der Freundschaft und Menschenliebe gewidmet" erwähnt, die jedem Monat beigefügten passenden und kräftigen Denkverse und die 68 Erzählungen zur angenehmen und nützlichen Unterhaltung. Immerhin hatte der zweite Jahrgang schon einen Umfang von 120 Seiten bei einem Preis von siebeneinhalb Silbergroschen. Und er diente natürlich nicht nur der Erbauung: Praktische Ratschläge für Haus und Hof, wie der landwirtschaftliche Arbeitskalender, fehlten ebensowenig wie die Weissagungen aus dem 100jährigen Kalender und die Zeittafel für Messen und Märkte. Nicht nur für die ostpreußischen, denn der Kalender hatte schon bald über die Grenzen der Provinz Verbreitung gefunden, und das machte sich auch in seinem Namen bemerkbar: Nunmehr hieß er "Der redliche Preuße und Deutsche". Was ihm der Rezensent zum Schluß seiner Besprechung wünschte: "… daß der Unternehmer auf diesem eingeschlagenen guten Wege unverdrossen fortfahre und ihm die Theilnahme seiner Landsleute zu Theil werde, welche er sich durch solche Leistungen unstreitig würdig macht!"

Der Wunsch ging voll in Erfüllung: Die 25. Jubiläumsausgabe wurde bereits in einer Auflage von 280 000 Exemplaren gedruckt. Das bewies nicht nur die Beliebtheit des Kalenders, der jährlich sogar in mehreren Ausgaben erschien – so auch als "Der kleine redliche Preuße", der nur drei Silbergroschen kostete –, sondern auch die Leistungsfähigkeit der Druckerei, die Carl-Ludwig Rautenberg zur Förderung seines Verlages in dem neuen Geschäftshaus in Mohrungen errichtet hatte.

Fachliches Können, Tatkraft und Weitsicht zahlten sich aus. Längst war es nicht bei dem einen Verlagsobjekt geblieben, weitere Werke erschienen in unglaublich rascher Folge. 1833 gab der sein Vaterland liebende Verleger die "Preussenschule" heraus, ein Werk für Schulwesen und Lehrer, ein Jahr später den "Vollmond", ein Erbauungsbuch für alle Stände, und den "Neumond", eine Schrift für die jüngeren Leser. Und dann folgte eine Schriftenreihe, die im Laufe weniger Jahre auf 70 Veröffentlichungen anstieg: Deutsche Preußische Volksbücher.

Diese Reihe galt in erster Linie der preußischen Geschichte und ihren großen Männern und Frauen. Allen voran der Königin Luise. 1937 erschien "Das Leben der Königin von Preußen Luise Auguste Wilhelmine Amalie" mit dem Untertitel "Ein Denkmal für Alle, zunächst für jedes Preußenherz in Trauer und Freude". Das Buch wurde – wie man heute zu sagen pflegt – ein Bestseller, denn die 1810 verstorbene Königin genoß in ganz Ostpreußen eine tiefe und liebevolle Verehrung.

Im Impressum der Volksbücher stand als Verlagsort neben Mohrungen noch ein zweiter: Braunsberg. Aufgrund der besseren Verkehrsverbindungen hatte Carl-Ludwig Rautenberg seinen Hauptsitz dorthin verlegt. In Braunsberg brachte er auch eine Zeitung heraus: "Der Bote aus Preußen", die dreimal in der Woche erschien. Der Verlag nannte sich nun "Bücher-Magazin für Preußen", im Kopf der Zeitung werden weitere Erscheinungsorte erwähnt: Marienburg, Tilsit, Insterburg, Rastenburg, Lyck und Memel. Carl-Ludwig Rautenberg hatte dort Buchhandlungen gegründet und sich in allen genannten Städten das Bürgerrecht erworben. Diese Zweigniederlassungen trugen erheblich zur Verbreitung des Schriftgutes und damit zur Bildung aller Bevölkerungsschichten in ganz Ostpreußen bei.

Technisch war Rautenberg immer auf dem neuesten Stand. Wie leistungsfähig seine Druckerei war, beweist der Druck des 54 Seiten starken Mennoniten-Gesangbuches, das in Tag-und-Nacht-Schicht in bemerkenswert kurzer Zeit in einer Auflage von 3000 Exemplaren hergestellt wurde.

"Alles was ich drucke und verlege, ging und geht durch meine Hand!" sagte der unermüdliche Verleger, dem damals nur sein Sohn Emil Beistand leistete. Dieser trat dann 1856 in das expandierende Unternehmen ein. Um seinen Verlagswerken eine weitere und schnellere Verbreitung zu schaffen, erwog Rautenberg die Gründung eines Zweiggeschäftes in Königsberg. Nachdem Emil Rautenberg die Erlaubnis erhalten hatte, das Gewerbe eines Buchdruckers zu betreiben, und ihm der Verkauf der von ihm gedruckten Werke genehmigt worden war, wurde die Verlagsbuchdruckerei "C. L. Rautenberg und Sohn" gegründet. Nach dem Tode des Gründers 1873, dem es gerade noch vergönnt war, die Einigung des Deutschen Reiches mitzuerleben – ein Ziel, um das dieser Patriot sein Leben lang gerungen hatte –, führte sein Sohn das nunmehr "Verlagsdruckerei Emil Rautenberg" firmierende Unternehmen weiter. Allen Königsbergern, die noch die unversehrte Pregelstadt kennen, ist das ehrwürdige Gebäude am Schiefen Berg – vordem ein adeliges Fräuleinstift – wohl in guter Erinnerung.

Doch diese sich ständig steigernde Entwicklung, die nach zwei Weltkriegen und Vertreibung bis zum heutigen Betrieb in Leer führte, ist an dieser Stelle schon im Februar vergangenen Jahres ausführlich behandelt worden, als das 50jährige Bestehen der Druckerei Rautenberg in Leer gefeiert wurde. Nun gibt es aber wieder ein Jubiläum festlich zu begehen, und das führt noch viel weiter in die Vergangenheit zurück, die wir in diesem Bericht ein wenig erhellt haben: Der 175jährige Geburtstag der Druckerei Rautenberg, die anno 1825 in Mohrungen entstand.

Wenn sein Gründer Carl-Ludwig Rautenberg heute das viergegliederte Unternehmen – Verlag, Buchhandlung, Druckerei, Reisebüro – sehen würde, wäre er wohl sehr zufrieden mit dem, was die fünfte Rautenberg-Generation auf die Beine gestellt hat. Und erst recht mit dem Anliegen, die Heimat, ihr Volkstum, ihr Kulturgut zu bewahren und lebendig zu halten. Das geschieht mit dem Druck unserer Zeitschrift Das Ostpreußenblatt, mit den ostpreußischen Büchern und CDs, die den Hauptteil des Verlagsprogramms ausmachen, mit dem Versand von Heimatliteratur in alle Welt und mit den Reisen in die Heimat, die für die Älteren ein Wiedersehen, für die Jüngeren ein Kennenlernen bedeuten.

Und so hat sich auch der "Redliche" gewandelt, der noch immer dieses Attribut trägt, seit 1951 als "Der redliche Ostpreuße". Es ist ein altmodisches Wort, vielleicht wird es sogar belächelt, aber es wurde mit voller Absicht beibehalten, wie sein damaliger Herausgeber Gerhard Rautenberg – Vater des heutigen Verlegers – erklärte:

"In der heutigen Zeit, da so vieles brüchig geworden, bekennen wir uns zu der guten und ostpreußischen Tradition der Treue und Redlichkeit, der Gerechtigkeit und Vaterlandsliebe – eben zu dem Geist, aus dem schon Carl-Ludwig Rautenberg damals in Mohrungen seinen Kalender ins Leben gerufen hatte. Der hatte allerdings eine andere Aufgabe und einen anderen Inhalt. Unser Jahresweiser ist im Ansehen, Umfang und Inhalt etwas durchaus anderes als einer jener alten Volkskalender, er ist ein Heimatkalender für unsere Landsleute, die heute überall verstreut sind."

Aber der "Redliche Ostpreuße ist ja nur ein Verlagsobjekt des breitgefächerten Unternehmens in Leer mit den ostpreußischen Wurzeln, auf die wir im Hinblick auf die stolze Tradition hier besonders intensiv eingegangen sind. Die Rautenberg Druck GmbH gehört heute zu den modernsten Druckereien im Nordwesten mit den neuesten Einrichtungen für Reproduktion und Druck. Über 80 Mitarbeiter beschäftigt das Unternehmen, das sich vor allem auf den Druck von Zeitschriften, Werbedrucksachen, Farbkatalogen und Büchern spezialisiert hat.

Es gibt also viele und gute Gründe, das 175jährige Jubiläum zu feiern. Gleich, ob sie in der Vergangenheit verankert sind, die Gegenwart bestimmen oder auf die Zukunft ausgerichtet sind.

Ruth Geede