29.03.2024

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20.05.00 Reißleine

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 20. Mai 2000


Reißleine
Von Peter Fischer

Überall wo auswärtige übernationale Gremien in fremden Staaten installiert werden, stehen am Ende die Hilfswilligen falscher Politik mit den Helmen und Gewehren der UN oder ähnlich inspirierter Eingreiftruppen, um die Menschen des betroffenen Landes zu ihrem vermeintlichen Glück zu zwingen. Es lassen sich aber die Völker auf Dauer nicht ungestraft auf das Prokrustesbett internationalistischer Visionen strecken, nur weil Herrschaftswille, Hochfinanz oder auch einfach angeblich beste Absichten dazu raten.

Die Ereignisse auf dem Balkan zeigen dies ebenso an, wie das fortwährende Drängen der Iren, Basken und Korsen nach Freiheit und Unabhängigkeit. Daß die Europäische Union über diese Regungen hinweggeht, als seien sie nicht existent, beweist allein schon, daß der tiefste Grund für den Zusammenschluß der Nationen und Staaten Europas nicht die allgemeine Wohlfahrt ihrer Mitgliedsländer ist, sondern die Bändigung der ungleich großen Länder des Kontinents in ein Netz von Koalitionen und Allianzen. Seit dem Westfälischen Frieden bildet diese bislang ungelöste Frage das Fundament jeglicher auswärtiger Politik auf dem Kontinent, die im letzten Jahrhundert mit der Einflußnahme einer raumfremden Macht von Weltrang noch zusätzliche Brisanz bekommen hat.

Nachdem Völkerbund und Uno mit ihren internationalistischen Zielsetzungen, wie es sich etwa an den Beispielen Danzigs oder den Feindstaatenklauseln zeigt, keine Lösung zu präsentieren wußte, und die "Festung Europa" durch den Fortgang der Kriegsereignisse zu einem schnellen Ende kam, so scheint auch die Variante Schumann, de Gaspari und Adenauer, wie sie sich nach 1945 entwickelte, bisher wenig Anlaß zu Optimismus zu geben. Ein ungeheuer großes und schwerfälliges bürokratisches Gebilde in Brüssel, das zunehmend spürbarer an Einsicht und Gefühl der Völker vorübergeht, kann sich allenfalls über die Größe von Birnen, Äpfeln und Reißzwecken einigen.

Aber schon bei der Festlegung der Größe der Betten ergibt sich, daß die Nordeuropäer sich bei westeuropäischer Vorgabe krümmen müssen. Das unorganische Denken triumphiert, weil die Idee seit 1945 zudem noch unter der Absicht steht, die deutschen Staaten einzubinden, zu kontrollieren oder ihre finanzielle Leistungsfähigkeit auszunutzen. Seit die andere Hauptmacht Europas, Frankreich, zufrieden mit dem Satz umgeht "Maastricht, das ist Versailles ohne Krieg", erhalten alle noch so gutgemeinten Absichten einen schalen Beigeschmack. Man erinnert sich, daß in Berlin die bundesdeutsche Regierung genötigt wurde, bis zum Jahr 2006 die Einzahlungen nicht zu verringern, um daraus die Schlußfolgerung zu ziehen, daß diese Idee in dieser Form nicht mehr tragfähig ist.

Es gab halbherzige Reformversuche der CDU/CSU (Schäuble), wenigstens den wirtschaftlichen Ansatz, gewissermaßen die kontinentale industrielle Kraft zu bündeln, indem die potentensten Staaten der EU sich vorerst vereinen sollten, aber dies wurde sofort wieder publizistisch niedergemacht, da dahinter die (unbegründete) Furcht steckte, die Bundesrepublik mit ihren "20 Millionen zuviel" (Foch) würde sich dadurch alsbald als Führungsmacht empfehlen, was naturgemäß bei "unseren Eliten" nicht zu erwarten sein dürfte. Verzerren sich so die Perspektiven gerade aus diesem Grunde immer wieder, so bleiben die nichtdeutschen EU-Mitglieder der EU zumindest in dem Sinne untätig, als sie finanzielle Zusatzzahlungen aus Berlin mit tiefer Genugtuung empfangen und schon aus diesem Grunde den Status beibehalten möchten. Durch diesen steten Kapitalabfluß verzerren sich die Konkurrenzverhältnisse und verschlechtern sich unsere vordem beispielhaften sozialen Leistungen rapide.

Wenn nun völlig unerwartet Außenminister Joschka Fischer die Reißleine zieht, um das närrische Spiel der EU zu beenden, um Europa nicht mehr von Brüssel her zu denken, sondern plötzlich den "Nationalstaat als unverzichtbare Größe" propagiert, dann stehen die Eurokraten in allen Spielarten vor einem Scherbenhaufen.

In letzter Sekunde wird hier der Versuch unternommen, mittels einer "europäischen Verfassung" eine Neuordnung des Kontinents gedanklich zu retten. Dabei soll eine belastbare "Hauptachse" zwischen der europäischen Verfassung und dem jeweiligen "Nationalstaat" eingeschoben werden. Dies heißt, daß der Kern der europäischen Idee vom Kopf endlich auf die Füße gestellt wird: der Nationalstaat ist nicht tot, im Gegenteil, er zeigt gerade durch diese Kehrtwende aus diesem Munde an, er ist der vitale, der lebenskräftige Ausdruck Europas, der gerade in dieser Vielfalt ein Abbild von dem schafft, was den Kontinent auszeichnet.

Bei dem Deutschlandtreffen der Ostpreußen in Düsseldorf 1994 kam gerade aus dieser Überzeugung ein Satz auf, der nun aus dem Trümmerhaufen der EU heraus seine Bestätigung in Sachen Nationalstaat findet: "Wir sind nicht die Letzten von gestern, sondern die ersten von morgen."