28.03.2024

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20.05.00 Weizsäckers Bundeswehrplan gefährdet unsere äußere Sicherheit

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 20. Mai 2000


Bedingt abwehrbereit
Weizsäckers Bundeswehrplan gefährdet unsere äußere Sicherheit
Von Generalmajor a. D. GERD-H. KOMOSSA

In den sechziger Jahren erregte ein Artikel in einem Hamburger Magazin die Öffentlichkeit mit der Feststellung, die Bundeswehr sei nur bedingt abwehrbereit. Diese Feststellung war zutreffend. Anfang Mai 2000 stellte nun Verteidigungsminister Scharping in München die Bündnisfähigkeit der heutigen Bundeswehr in Frage. Auch diese Feststellung ist zutreffend.

Die Weizsäcker-Kommission "Zukunft der Bundeswehr" hat ihre Überlegungen zur künftigen Bundeswehr abgeschlossen. Sie hätte für ihre Arbeit bis zum 15. September Zeit gehabt. Was in den letzten Tagen zu erfahren war, scheint dem Ergebnis der Kommissionsarbeit zu entsprechen. Danach soll die Bundeswehr in Zukunft von 320 000 auf 240 000 Soldaten verringert werden. Die Zahl der Wehrpflichtigen wird von 300 000 auf 30 000 abgesenkt. Bei einem durchschnittlichen Jahrgang von 400 000 wehrpflichtigen Männern, würde in Zukunft nur jeder 10. zum Wehrdienst einberufen werden. Die Kommission spricht daher vom "Auswahl-Wehrdienst" und schlägt, da es Wehrgerechtigkeit nicht mehr geben kann, die Einberufung nach Losverfahren vor. Sie empfiehlt in der künftigen Struktur den Umfang der für Auslandseinsätze vorgesehenen Krisenreaktionskräfte von 50 000 auf 140 000 Berufssoldaten zu erhöhen.

Der Schlußbericht der Weizsäcker-Kommission soll am 23. Mai dem Verteidigungsminister vorgelegt werden. Was bisher bekannt geworden ist, geht über das hi-naus, was Sicherheitsexperten in Deutschland wie in der Nato befürchtet hatten. Es ist erstaunlich, wie weit der Alt-Bundespräsident, der ja für das Ergebnis die Verantwortung trägt, den Grünen in ihren Vorstellungen von Sicherheitspolitik entgegenkommt. So machen diese aus ihrer Freude keinen Hehl, wenngleich sie mit Blick auf die Wahlen in NRW noch vorsichtig argumentieren. Aber die Abgeordneten Angelika Behr und Ströbele zögern nicht, die Empfehlungen der Kommission als richtungweisend zur Abschaffung des "Zwangsdienstes" bei der Bundeswehr zu begrüßen.

Sicherheitsexperten und Parteien werden das Ergebnis der Kommissionsarbeit nun analysieren. Sie werden zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Das Ansehen Deutschlands wird innerhalb der Nato Schaden nehmen, denn dieser Militärpakt hat andere Vorstellungen von der Bundeswehr der Zukunft. Dabei ist es für sie unerheblich, ob Deutschland an der Wehrpflichtarmee festhält oder zur Berufsarmee übergeht. Der Streitkräfteplan der Nato fordert eine effektive und verteidigungsfähige Bundeswehr. Nach der Weizsäckerplanung, nach der die Bundeswehr um 80 000 Soldaten geringer sein wird als die französische Armee, wird diese Forderung nicht zu erfüllen sein. Polen hat zum Beispiel 240 000 Soldaten, von denen 142 000 Wehrpflichtige mit einem Grundwehrdienst von zwölf Monaten sind.

Nach und nach soll die Bundeswehr verringert werden, bis sie in der Zukunft vermutlich Reichswehr-Niveau erreicht hat. Politik für Deutschland kann nur zukunftsorientiert sein. Doch sollten dabei die Lehren der Geschichte nicht ignoriert werden. Als Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg nur eine schwache Verteidigungsfähigkeit zugebilligt bekam, weckte dies Gelüste bei manchen Nachbarn, die Situation auszunutzen. Es ist eine Tatsache, daß Polen Anfang der 30er Jahre ein Übereinkommen mit Frankreich für Präventivmaßnahmen gegen Deutschland suchte. Angesichts der vermuteten eigenen militärischen Überlegenheit gegenüber Deutschland – und auf die Hilfe von England und Frankreich bauend – widersetzte sich Polen jeder vernünftigen Lösung des deutsch-polnischen Konflikts. Seine Armee plante unter General Rydz-Smigly eine Offensive bis Berlin.

Demgegenüber waren die Pläne des deutschen Generalstabs unter Beck für einen möglichen Krieg defensiver Natur unter Einsatz begrenzter Kräfte. Für den Fall eines Konflikts sah der Generalstab 1935 die Deckung der Rheinlinie mit zwei Armeen vor. Eine weitere Armee sollte gegen Polen und die Tschechoslowakei nur sichern. Gegenüber Polen plante Deutschland den Ausbau der Oder-Warthe-Linie als Befestigungsfront. Daß diese Planung mit Hitlers Machtübernahme bald nur noch Makulatur war, ist eine andere Sache.

Die Geschichte lehrt, daß eine zu kleine Armee nie ausreichend Sicherheit gewährleistet. Jede Armee aber sollte nicht vom Finanzminister konzipiert werden, sondern einer sorgfältigen strategischen Analyse entsprechen. Dann aber braucht Deutschland eine andere Bundeswehr als die vom Altbundespräsidenten vorgeschlagene. Eine reine Interventionsarmee? Nein danke.