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20.05.00 Gedanken zur Zeit

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 20. Mai 2000


Gedanken zur Zeit: "Nationalstaat bleibt"
Joschka Fischer in den Fußstapfen Jörg Haiders
Von Wilfried Böhm

Die politisch korrekte Tageszeitung "Die Welt" war völlig aus dem Häuschen: "Zwei große Reden bewegen Deutschland" überschrieb sie ihre erste Seite.

Das Blatt meinte damit eine "Berliner Rede" des Bundespräsidenten Johannes Rau und eine "Grundsatzrede" des Außenministers Joseph Fischer, die dieser einige Straßenzüge weiter und ebenso "zufällig" drei Tage vor der Wahl in Nordrhein-Westfalen gehalten hatte.

Rau hatte Binsenwahrheiten von sich gegeben, die an deutschen Stammtischen längst zu Hause sind, aber bisher politisch korrekt als "dumpf und fremdenfeindlich" in den Medien verunglimpft wurden. Rau teilte mit, daß es gelte, eine falsch verstandene Ausländerfreundlichkeit zu überwinden, "die so tut, als gebe es überhaupt keine Probleme und Konflikte, wenn Menschen unterschiedlicher Herkunft miteinander leben." Das Zusammenleben mit Einwanderern sei "auch schwierig und anstrengend", und deutsche Eltern fürchteten um die Bildungschancen ihrer Kinder in Klassen mit hohem Ausländeranteil, stellte der Bundespräsident fest. Schließlich meinte er, die Ausländer müßten als Beitrag zu ihrer eigenen Integration die deutsche Sprache erlernen. Diese Erkenntnisse Raus hatte die Masse der Deutschen allerdings schon längst, und auch "Die Welt" mußte trotz ihres Entzückens über die "große" Rede feststellen, daß Rau "nur das Selbstverständliche ausgesprochen" habe. Immerhin beruhigend, daß man im Lande der politischen Korrektheit schon mit dem Selbstverständlichen "Großes" sagen kann, wenn es denn der Bundespräsident höchst persönlich ausspricht und nicht etwa ein Rechtspopulist.

Dem Außenminister bescheinigte "Die Welt" ebenso enthusiastisch, mit seiner Rede sei ihm "der große außenpolitische Wurf" gelungen. Wer das große Glück hatte, sie persönlich miterleben zu dürfen (wie der "Welt"-Redakteur) sei "Zeuge eines historischen Augenblicks" geworden. Was also hat der grüne Joseph denn so Bedeutendes gesagt? Fischer hat "oberste nationale Interessen" Deutschlands entdeckt und denkt – man glaubt es kaum – an ein "Europa der Nationalstaaten" als "unverzichtbare Größe". Genau dieser Nationalstaat aber war bisher jene schlimme staatsrechtliche Konstruktion, die jedem in der Wolle gefärbten 68er als reaktionäres Ungeheuer erschien. Die grüne Terminologie nannte den Nationalstaat bekanntlich eine vollkommen überholte und von der Geschichte widerlegte Idee aus dem 19. Jahrhundert, der für alles Übel in Europa verantwortlich gewesen sei.

Fischer bezeichnet jetzt den "Übergang vom heutigen Staatenverbund der Europäischen Union (EU) hin zur vollen Parlamentarisierung in einer Europäischen Föderation" als sein Ziel, wobei die Hauptachse einer europäischen Verfassung das Verhältnis zwischen Föderation und Nationalstaat bilden werde. Gerade das aber bewirke, daß sein Konzept "nicht die Abschaffung des Nationalstaates bedeuten wird". Fischer beteuerte, "der Nationalstaat mit seinen kulturellen und demokratischen Traditionen" sei "unersetzlich, um eine von den Menschen voll akzeptierte Bürger- und Staatenunion zu legitimieren".

Ähnliches hatte – ja wer wohl? – der Österreicher Jörg Haider schon 1993 gesagt, als er feststellte: "Der Nationalstaat hat seine historische und kulturelle Funktion; vor allem gibt es keine Ebene, die besser geeignet wäre, die Bürgerrechte zu garantieren", und daraus geschlossen, "daß das vielfach verkündete Ende der Nationalstaaten heute und morgen nicht eintreten wird."

Haider war Fischer auch bei der Einschätzung eines "Europa der zwei Geschwindigkeiten" sieben Jahre voraus, wie auch bei seinen Darlegungen eines "Europa der konzentrischen Kreise", dem, so Haider 1993, eine "realistisch-visionäre Bedeutung zukomme". Fischer nennt heute mit Blick auf die "im obersten nationalen Interesse für Deutschland liegende Osterweiterung der EU" eine solche Konzeption die Schaffung eines "Gravitationszentrums aus einigen Staaten", die "aus tiefer europäischer Überzeugung heraus bereit und in der Lage seien, mit der politischen Integration voranzuschreiten".

Wohin und mit wem wird Joseph Fischer seine Wege in Zukunft gehen? Die "große Rede" läßt viele Möglichkeiten zu. Wollte er angesichts des Flirts von SPD und FDP andeuten, daß er auch anders kann? "Die Welt" jedenfalls meinte bedeutsam, Fischer habe über seine Rede gesagt, er glaube, daß Stoiber von der CSU damit "etwas anfangen kann". Was wohl?