19.04.2024

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03.06.00 Russen lehnen EU-Lösung für Ostpreußen ab

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 03. Juni 2000


Keine Einreise für Verheugen
Russen lehnen EU-Lösung für Ostpreußen ab

EU-Kommissar Günter Verheugen ist derzeit in Königsberg nicht willkommen. Der für die EU-Osterweiterung zuständige EU-Beamte wollte im Mai mit der russischen Verwaltung sprechen, doch Gebietsgouverneur Leonid Gorbenko lehnte jedes Gespräch mit Verheugen ab und verweigerte ihm sogar die Einreise.

Wer jetzt in Berlin mit Vertretern der Bundesregierung, der Sozialdemokratie oder mit deutschen EU-Beamten spricht, trifft auf ein ganz neues Gesprächsthema: das nördliche Ostpreußen. Während der Regentschaft von Kanzler Helmut Kohl wollte sich die Bundesregierung partout nicht mit Königsberg beschäftigen.

Der Wandel ist erklärlich: Die Nato-Osterweiterung ist vollzogen, das Nato-Banner steht jetzt vor Königsberg. Die EU-Osterweiterung wird in wenigen Jahren ebenfalls Wirklichkeit sein – und dann wird das nördliche Ostpreußen eine vom russischen Mutterland abgeschnittene Insel sein. Allerdings eine Insel mit einer riesigen Militärpräsenz. Polen und die Balten fordern jetzt auf vielen Konferenzen immer wieder eine sogenannte "europäische Friedenslösung" für das nördliche Ostpreußen. Das ist der Auftrag für Günter Verheugen.

Eine dieser Konferenzen war eine vom polnischen Ökumenischen Rat organisierte internationale Tagung, die Ende Mai im polnisch verwalteten Nikolaiken und in Königsberg stattfand. Dort stellte sich heraus, daß man sich darüber auch in Brüssel, Berlin, Moskau, Warschau und Wilna Gedanken macht. Mit dem Beitritt Polens und später eventuell Litauens in die EU wird die gesamte Grenze im nördlichen Teil Ostpreußens Schengen-Außengrenze und müßte somit abgeschottet werden.

"Wenn es so kommt und die Visumpflicht eingeführt wird, müssen wir dagegen protestieren", erklärte der Vertreter des russischen Außenministeriums in Königsberg, Botschafter Artur Kusnetzow. Es könne nicht angehen, daß man die Genehmigung eines Drittstaates für Reisen ins "eigene russische Land" brauche. "Es muß eine Lösung vorbereitet werden, daß die Exklave nicht zur Enklave wird", sagte die Europa-Abgeordnete Magdalene Hoff (SPD). Die Sorgen der russischen Bürger Königsbergs vor einer EU-Osterweiterung sind bekannt; erst kürzlich berichtete Das Ostpreußenblatt über einen vertraulichen Brief von Gorbenko an Präsident Putin.

Ähnliche Informationen konnten sozialdemokratische Bundestagsabgeordnete während einer Informationsreise der Friedrich-Ebert-Striftung in Lettland und in Litauen Anfang Mai sammeln. Die Regierungsvertreter der beiden baltischen Länder erklärten, man strebe nicht nur einen raschen Beitritt zur EU an, man wolle auch Mitglied der Nato werden. Das Trauma des Verlustes der eigenen Staatlichkeit aufgrund des Deutsch-Sowjetischen-Paktes wirkt im Baltikum immer noch nach, und die Beziehungen zu Rußland sind immer noch alles andere als unproblematisch. Polen und Balten versuchen die deutschen Sozialdemokraten für folgende Lösung zu gewinnen: Die russische Verwaltung im nördlichen Ostpreußen wird beendet, das russische Militär zieht ab und das Gebiet wird von einer EU-Behörde verwaltet. Doch Gorbenko will Verheugen nicht sehen. Hagen Nettelbeck