28.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
03.06.00 Nach der "Kohl-Dämmerung" fehlt das erkennbare Startzeichen

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 03. Juni 2000


CDU: Wo, Frau Merkel, bleibt das Neue?
Nach der "Kohl-Dämmerung" fehlt das erkennbare Startzeichen

In respektverschaffender Entschlossenheit und nicht ohne taktisches Geschick hatte Angela Merkel mit der aufgemischten CDU-Basis den Sprung an die Parteispitze inszeniert und in rasantem Tempo praktiziert. Die niedergeschlagenen Funktionsträger, all die vielen zutiefst verstörten Getreuen im Lande wollten endlich – nach monatelanger, zermürbender "Kohl- und Schäuble-Dämmerung" – wieder durchatmen können.

Diesen unzähligen Zweiflern und Verzagten sich als Hoffnungsträgerin für einen "Neuanfang" darzustellen, das war kein leichtes Spiel für die Generalsekretärin, die bislang als Schäubles rechte Hand firmierte. Daß es ihr dennoch gelang, die Wünsche und vielleicht sogar Träume der Basis für sich zu bündeln, war auch eine psychologisch-emotionale Leistung, die ihresgleichen sucht. Wenn da nur nicht die Schnellebigkeit der Zeit und die jähe Vergänglichkeit des Erfolgs daherkäme ...

Und jetzt wird die Frage gestellt: Was ist denn nun mit dem "Neuanfang"? Könnte es sein, daß er, der vielbeschworene, nur ein Wort, ein Feuerwerkskörper am Frühlingshimmel war? In der Tat, Angela Merkel steht auf ihrem Gipfel, aber am Gipfel ist Ruh’. Die Medien, im April noch fast im Überschwang, verspüren offenbar auch keinen Hauch und fragen sich: Und nun? Und wenn bei Sabine Christiansen der Wahlforscher und Demoskopie-Experte feststellt, daß Frau Merkel eine "soziale Kompetenz", Schröder aber die "Wirtschaftskompetenz" zufällt, beginnt es zu rumoren an der Basis der gerade Schein-Erlösten. Die bange Frage, die sich schon zu Schäubles ebenso kurzer wie unrühmlicher Führung stellte, kehrt bohrender zurück. Die CDU – zum Verwechseln ähnlich mit der SPD in Grundsatzfragen? Die eine große Partei etwas gewerkschaftlicher, die andere etwas katholischer und nun auch noch – mit dem sogenannten "Neuanfang" auf Kurs der Umsetzung der "DDR-Rechtswirklichkeit"? Denn selbst wenn man der neuen Vorsitzenden eine Anlaufschonfrist zubilligt, eines geht nicht: daß sie selbst den angekündigten "Neuanfang" als leeres Wortgeklingel enthüllt. Bekannt sind inzwischen ihre Äußerungen von Ende März des Jahres – also zum Zeitpunkt, in dem ihre Wahl wahrscheinlich geworden war –, sie wolle in keinem Fall die skandalösen Rechtsstaats-Defizite im Zusammenhang mit DDR-Verfolgung und SBZ-Enteignung auch nur anrühren, geschweige denn rechtsstaatliche und rechtsfriedenstiftende Lösungen suchen.

Schäubles menschenverachtende Unrechtspolitik soll also fortgesetzt werden, wohl zum angeblichen Nutzen des Fiskus und einiger tausend "Einheitsgewinnler" und Ex-Funktionsträger aus der SED und ihrer Satrapen. Auch in der Frage der Gleichbehandlung der deutschen Vertriebenen ist auf außenpolitischem Feld und in Europa nichts Konkretes zu hören. Nicht einmal in der Frage der die Gemeinschaft gefährdenden Haltung zum demokratischen Österreich kann eine klare Distanzierung vom Vorgehen der sozialistischen Internationale unter der Tarnkappe der portugiesischen EU-Ratspräsidentsschaft ausgemacht werden. Die Chancen eines Frühlings als "Neuanfang" glaubhaft zu machen, verwelken wie Obstbaumblüten.

Dabei stand im tiefen Tal des großen Frusts – also im März/April des Jahres – die Aussicht gut für einen glaubhaften Neuanfang. Wenn schon der Neubeginn auf den Weg gebracht wird, warum dann nicht gleich den schlimmsten anderen Unrat gleich mit aufnehmen und Unrecht entsorgen? so fragten sich viele, auch nachdenkliche Insider. – Aber jetzt, schon 50 Tage später schwindet die Chance, den allseits akzeptierten und zumindest mitgetragenen echten Befreiungsschlag in der zerrissenen Partei zu führen.

Man darf eben in Grundsatz- und Grundwertefragen in den entscheidenden Stunden nicht nur auf taktische Durchsetzbarkeit nach Art lavierender Parteimitglieder schielen! Und wenn – was leider nicht auszuschließen ist – noch Ideologisches in Sachen Anti-Eigentum bzw. Anti-Rechtsstaat im Spiel sein sollte, dann wird der CDU-Basis ihr Traum vom "echten Neuanfang" alsbald verfliegen. Wenn also Angela Merkel beispielsweise wider besseres Wissen, sie wurde nachweislich hinlänglich "aufgeklärt", sogar vom eigenen Vize an ihrer eigentumsfeindlichen, rechtswidrigen Position in der Wiedergutmachungs- und Ausgleichsfrage bei den SBZ/DDR-Eigentumskonfiskationen festhält, sogar allen Ernstes von vorhandenen tragbaren "Kompromissen" schreiben läßt, dann ist in der Tat schon für sie eine Wende eingeläutet. Die Pfarrerstochter aus der "Kirche im Sozialismus" hat ihn offenbar nicht erkannt, den "Mantel Gottes in der Geschichte", von dem Bismarck sprach, dessen "Zipfel man ergreifen müsse, wenn er vorbeirauscht". Wie soll ein "Neuanfang" noch möglich sein, wenn der Person, die für ihn vor allen steht, nicht geglaubt werden kann?

Ulrich Landskron