28.03.2024

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03.06.00 Im Gespräch: VDA-Geschäftsführer Gerhard Müller

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 03. Juni 2000


Im Gespräch: VDA-Geschäftsführer Gerhard Müller
"Man wird von uns hören"
Traditionsverein sucht nach neuen Formen der Öffentlichkeitsarbeit

Am 18. Mai hat der VDA gemeinsam mit der Hanns-Seidel-Stiftung in Berlin eine Tagung ausgerichtet zum Thema "Die Bedeutung der Deutschen im Ausland für die auswärtige Kulturpolitik der Bundesrepublik Deutschland". Wie lautete das Fazit?

Müller: Als zentrale Forderung an die Politik wurde auf der mit rund 80 Teilnehmern erfreulich gut besuchten Veranstaltung festgehalten, daß die im Ausland lebenden Deutschen nicht länger nur Adressaten der auswärtigen Kulturpolitik sein dürfen, sondern deren aktive Träger werden müssen.

Nach Angaben des VDA-Vorsitzenden Hartmut Koschyk handelt es sich immerhin um über 14 Millionen Menschen, die außerhalb des geschlossenen deutschen Sprachraums in Europa leben und sich mit der Heimat der Vorfahren bis heute kulturell verbunden fühlen.

Vor allem über die Sprache...

Müller: ... ja, die Sprache ist sicherlich das wichtigste Element kultureller Identität. Um so mehr muß es beunruhigen, wenn die Stellung des Deutschen in der Welt ernsthaft gefährdet erscheint.

Dies hob in Berlin Dr. Rainer Glagow hervor. Er ist Leiter der dortigen Verbindungsstelle des Bildungswerkes der Hanns-Seidel-Stiftung. In bezug auf die auswärtige Kulturpolitik mahnte er an, daß die drohende linguistische Globalisierung nicht als Vorwand für Einsparungen dienen dürfe.

In Frankreich oder Spanien wäre es unvorstellbar, gerade über diesen sensiblen Bereich mit dem "haushaltspolitischen Rasenmäher" drüberzugehen. Außerdem werden bei der Gelegenheit neben der Sprachförderung gleich mehrere andere Aufgabenfelder der auswärtigen Kulturpolitik zusammengestutzt.

Können Sie das mit aktuellen Zahlen untermauern?

Müller: Die Statistiken sind höchst unerfreulich: Im Jahr 2000 stehen im Bundeshaushalt für die auswärtige Kulturpolitik insgesamt 2,173 Milliarden Mark zur Verfügung, während es 1998 noch 3,255 Milliarden waren.

Dabei sind von den Streichungen gerade die Unterstützungen für die Auslandsdeutschen betroffen. Besonders eklatant fallen sie bei der Sprachförderung und den kultur- und bildungspolitischen Hilfen zugunsten deutscher Minderheiten in den Staaten des früheren Ostblocks aus.

Diese Mittel wurden von 90 Millionen Mark 1998 auf heute noch 50 Millionen heruntergefahren. Auch die Förderung des deutschen Schulwesens im Ausland ist im Vergleichszeitraum um 20 Millionen Mark zusammengestrichen worden.

Zu der Tagung waren auch Vertreter deutscher Volksgruppen aus dem ostmitteleuropäischen Raum geladen. Wahrscheinlich hatten diese angesichts solcher Zahlen eine gehörige Portion Wut im Bauch.

Müller: Vor allem sind sie enttäuscht. Wie sehr, das hat der Oberschlesier Heinrich Kroll klar gemacht. Aber auch er war beileibe nicht nur zum Jammern nach Berlin gekommen, schließlich soll Schritt für Schritt auf eine Verbesserung der Lage hingewirkt werden.

Albert Koncsek, der Leiter der Geschäftsstelle der Landesselbstverwaltung der Ungarndeutschen, nannte als konkreten Förderungswunsch ein in Planung befindliches regionales Ausbildungszentrum, an dem Lehrer für den zweisprachigen deutsch-ungarischen Unterricht geschult werden sollen.

Eine finanzielle Hilfe aus Deutschland ist hier, so Koncsek, nicht nur wegen der völlig unbefriedigenden Deutschkenntnisse gerade der jüngeren Ungarndeutschen eminent wichtig, sondern auch weil es in Ungarn allgemein eine bedauerliche staatliche Unterfinanzierung des Schulwesens gibt.

Besitzt der von manchen Medien im zurückliegenden Jahrzehnt unter Dauerbeschuß genommene VDA abgesehen von ambitionierten Tagungen ein breit angelegtes Konzept für eine verbesserte Öffentlichkeitsarbeit? Oder anders gefragt: Worauf will man in Zukunft die Bekanntmachung der Vereinsinhalte und -ziele stützen?

Müller: Die oft unberechtigte Kritik an der Arbeit des VDA, vornehmlich im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit in den Ländern der ehemaligen Sowjetunion, aber auch falsche Behauptungen in den Medien, haben es dem Verein in der Vergangenheit schwer gemacht, eine offensive Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben.

Hinzu kam eine spürbare Distanz gegenüber dem VDA bei der Nennung des Namens. Die Mitgliederversammlung hat daraufhin im November 1998 unter Beibehaltung des Kürzels VDA den Namen in "Verein für Deutsche Kulturbeziehungen im Ausland e. V." geändert. Die Projekte zur materiellen und kulturellen Unterstützung der Rußlanddeutschen in der GUS sind an die Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammmenarbeit (GTZ) und das Goethe-Institut übergeben worden.

Der VDA ist heute nur noch seinen satzungsgemäßen Aufgaben verpflichtet. Das macht ihn auch frei von jeder staatlichen Bevormundung. Und man wird in Zukunft öfter von uns hören, wenn es um die Interessen unserer Landsleute im Ausland geht.

Das gilt schon fürs laufende Jahr?

Müller: Auf jeden Fall! Für September planen wir zum Beispiel gemeinsam mit der Botschaft der Republik Ungarn eine Diskussionsveranstaltung über Probleme der deutschen Minderheit in Ungarn.

Der seit 1993 jährlich verliehene VDA-Kulturpreis hat schon 1999 in Bayreuth erhebliche Beachtung auch in den Medien gefunden. Diesmal wird die Verleihung in München stattfinden und eine noch größere Beteiligung aus Politik, Wirtschaft und Verwaltung erfahren. Erstmals wird es in diesem Jahr zudem einen VDA-Medienpreis geben, den eine deutschsprachige Zeitung im Ausland erhält.

Das klingt alles sehr dynamisch und erstaunlich optimistisch. Denn wenn man bedenkt, daß der "Reichsausschuß der deutschen Jugendverbände" für das Jahr 1928 für die Jugendgruppen des VDA rund eine halbe Million Mitglieder registrierte und heute der überalterte Gesamtmitgliederbestand bei wenigen Tausend liegt, kann man da nicht schon das Sterbeglöckchen für den Traditionsverein läuten?

Müller: Es ist in der Tat so, daß unsere Mitgliederstruktur eine hohe Überalterung aufweist. Nach seiner Wiedergründung 1955 ist es dem VDA nicht gelungen, an die erfolgreiche Zeit in den 20er und 30er Jahren anzuknüpfen. Mitglieder wurden damals meist Menschen, die den VDA noch aus der Schulzeit kannten.

Wenn wir diese nun wegsterbende Generation nicht Zug um Zug ersetzen können, dann muß auch unser 1881 gegründeter Verein in nicht allzu ferner Zeit den Totengräber bestellen.

Die räumliche Verteilung unserer Mitglieder ist so, daß es kaum einen Ort gibt, an dem es möglich ist, eine Gruppe zu bilden, die eine aktive und interessante Vereinsarbeit sozusagen vor der eigenen Haustür zuließe.

Wir arbeiten derzeit an einem Konzept, das vorsieht, "VDA-Clubs" nach dem Vorbild der großen Service-Clubs Rotary und Lions zu gründen, die dann vor Ort unsere Arbeit gestalten sollen. In unserer heutigen Zeit erwartet ein Vereinsmitglied interessante Veranstaltungen, gute Unterhaltung und erlebnisreiche Reisen.

Also auf in die moderne "Spaßgesellschaft"?

Müller: Das nicht, aber man muß schon auf die heutigen Menschen zugehen, wenn man Zuspruch gewinnen will. Einige unserer 15 VDA-Arbeitskreise arbeiten schon so und haben damit Erfolg.

Aber wie soll die Vereinsarbeit für junge Leute attraktiver gemacht werden? Das "Rotarier-Modell" dürfte bei diesen ja wohl kaum ziehen.

Müller: Der VDA organisiert seit über 30 Jahren einen Schüleraustausch mit überseeischen Ländern. Daran nehmen inzwischen jährlich rund 350 Schüler teil – Tendenz steigend. Bisher haben wir jedoch zu wenig getan, um auf diesem Wege junge Mitglieder zu gewinnen.

Wir werden noch in diesem Jahr mit den Landesverbänden Ideen ausarbeiten, wie wir durch ein Nachbetreuungsprogramm für die beteiligten bundesdeutschen Schüler eine längerfristige Bindung an den VDA erreichen können.

Pläne gibt es offenbar viele. Wie sieht es aber mit tatsächlichen Erfolgen aus?

Müller: Immerhin können wir seit der Namensänderung eindeutig feststellen, daß die frühere Zurückhaltung bei jungen Leuten gegenüber dem VDA kaum mehr in Erscheinung tritt. Auch die Schulen, mit denen wir im Rahmen der Austauschprogramme zusammenarbeiten, stehen uns freundlich und unvoreingenommen gegenüber.

Zudem hat der VDA in jüngster Zeit bei Veranstaltungen deutscher Verbände und Organisationen im Ausland wieder stärker Präsenz gezeigt und den Bekanntheitsgrad verbessert. Unsere Internetseiten (www.vda-globus.de) werden rund um den Globus zur Kenntnis genommen, was die fast täglich eintreffenden Anfragen bestätigen.

Alles in allem sind wir zuversichtlich und geben dem VDA auch in Zeiten wirtschaftlicher Globalisierung, weltweiter Kommunikation und hoher Mobilität eine Zukunft.

Dieses Interview führte Martin Schmidt.

Zur Person:

Gerhard Müller wurde 1938 im schlesischen Waldenburg geboren und wuchs in Wolfenbüttel in Niedersachsen auf. 1960 trat er in die Bundeswehr ein, wo er es bis zum Personalstabsoffizier in einer Panzerbrigade brachte und 1992 als Oberstleutnant seine Dienstzeit beendete. Seit April 1994 amtiert Müller als Geschäftsführer des VDA.

Weitere Auskünfte über den Verein für Deutsche Kulturbeziehungen im Ausland gibt die Bundesgeschäftsstelle, Kölnstr. 76, 53757 St. Augustin, Tel.: 02241/21071, Fax: 29241, E-Mail: vda.globus@t-online.de