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03.06.00 Was vom Schloß der Grafen von Dönhoff blieb

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 03. Juni 2000


Der Neptun von Schloß Friedrichstein
Was vom Schloß der Grafen von Dönhoff blieb
Von Heinrich Lange

Eines der kunstgeschichtlich bedeutendsten Barockschlösser Ostpreußens war das zwanzig Kilometer von Königsberg entfernt am Südufer des Pregel gelegene Schloß Friedrichstein. Otto Magnus Graf von Dönhoff ließ es 1709 bis 1714 durch John von Collas nach dem Entwurf von Jean de Bodt erbauen. De Bodt war 1699 aus England nach Brandenburg berufen worden und leitete hier zunächst nach Andreas Schlüter den Bau des Zeughauses in Berlin, dessen Vorderfront er nach eigenen Entwürfen umgestaltete.

Hinter dem Aufriß der Parkfassade des Schlosses Friedrichstein steht denn auch, wie Carl von Lorck in "Landschlösser und Gutshäuser in Ost- und Westpreußen" (1965) ausführt, "die stolze Ordnung der Lindenfront des Zeughauses in Berlin". Friedrichstein sei die "großartigste und meisterlichste" Lösung der nach Entwürfen de Bodts errichteten Schlössergruppe in Ostpreußen.

Marion Gräfin Dönhoff, 1909 im Schloß als jüngstes von sieben Kindern des August Graf von Dönhoff (1845–1920) geboren, erzählt in ihren Büchern "Namen die keiner mehr nennt" (1962) und "Kindheit in Ostpreußen" (1988) von ihrer Jugendzeit in Friedrichstein, der Geschichte des jahrhundertealten Familienbesitzes und der Flucht im Januar 1945. Den Grundstock der Güter hatte 1660 Friedrich Graf von Dönhoff (1639–1696) erworben.

Der in brandenburgische Dienste getretene Reichsgraf wurde als General Chef des Ersten Regiments. Er machte die meisten Feldzüge des Großen Kurfürsten mit. 1678 wurde er Gouverneur von Memel und Geheimer Kriegsrat. Kurfürst Friedrich III., der sich 1701 zum ersten König in Preußen krönte, ernannte Friedrich von Dönhoff zum Oberkämmerer, dem damals höchsten Amt am Hofe.

Sein Sohn Otto Magnus bekleidete ebenfalls hohe Staatsämter, so daß er den Bau des Schlosses finanzieren konnte. Er war erster Gesandter am Deutschen Kaiserhof, Geheimer Staats- und Kriegsminister, Preußischer Ambassadeur beim Friedenskongreß zu Utrecht und wie sein Vater Generalleutnant und Gouverneur von Memel. Bei der Königskrönung 1701 trug er "in dem großen Königszug die Krone der Königin Sophie Charlotte" und erhielt "als einer der ersten den neu gestifteten Orden vom Schwarzen Adler".

Die 1999 zum 90. Geburtstag von Marion Gräfin Dönhoff erschienene, beide Bücher umfassende Sonderausgabe mit dem Titel "Bilder, die langsam verblassen. Ostpreußische Erinnerungen" enthält auch Farbaufnahmen von Wladimir Federenko aus dem Ende der 80er Jahre. Diese zeigen zwar noch die von Löwenhagen nach Friedrichstein führende alte Lindenallee und den langgestreckten, von bewaldeten Hügeln eingefaßten See, doch das Schloß selbst ist zur Gänze verschwunden.

"Gerade vor Beginn des Zweiten Weltkriegs", so Gräfin Dönhoff, "war die Restaurierung beendet, aber nur wenig später, im Januar 1945 beim Einmarsch der Russen, wurde das in neuer Pracht entstandene Schloß" – "mit allen Sammlungen, Bildern, Teppichen und dem Archiv" – "eine Beute der Flammen". Die Natur hat die weiträumige, aus dem 18. Jahrhundert stammende Parkanlage wieder in Besitz genommen.

Eines der alten Schwarzweißfotos eingangs des Jubiläumsbuches zeigt das Schloß von der Parkseite mit der Säulenloggia in der Mitte. Links im Vordergrund ist eine Figur, deren Arme abgebrochen sind, von der Rückseite mit ins Bild genommen. Sie steht am linken Heckenbogen, der den großen Rasenplatz vor dem Schloß säumt. Die Skulptur hat sich überraschenderweise erhalten – wenn auch an unvermutetem Ort. Die überlebensgroße Sandsteinplastik befindet sich im Hof der ehemaligen Neuen Universität in Königsberg, wo seit Jahren eine Reihe von Steindenkmälern aus deutscher Zeit lagert. Um den Unterkörper der männlichen, halbnackten Figur winden sich zwei Delphine, deren angestücktes Maul fehlt. Der rechte Fuß des Spielbeins des Mannes ruht auf dem Kopf des Tieres zur Rechten, dessen Schwanzflosse sein Geschlecht bedeckt.

Wenn auch der auf dem Foto noch vorhandene lockige Kopf des Mannes fehlt, zeigen doch die Reste der Lockenspitzen über der Brust, daß der wie der Oberkörper halb nach links gewandte Kopf bärtig war. Der rechte, am Schulteransatz abgebrochene Arm muß erhoben gewesen sein. Vor dem linken Fuß befindet sich eine zylindrische Vertiefung, vermutlich zur Verankerung eines Metall(?)stabes. Da die Delphine Begleittiere des griechischen Meeresgottes Poseidon bzw. des mit diesem gleichgesetzten römischen Neptun sind, könnte die Rechte einen Dreizack gehalten haben.

Die profilierte "Basis", auf der die Figur im Universitätshof steht, ist die Deckplatte des rechteckigen Postaments, auf dem die Figur stand. Obgleich auf dem Foto die Hecke den Sockel halb verdeckt, ist auf dessen sonnenbeschienener Rückseite noch der obere Teil des Reliefschmucks zu erkennen. Auch dieser hat überdauert. Es ist eine Maske, wie sie sich in drei Exemplaren im Hof der Universität findet. Mit Hilfe einer Lupe lassen sich auf dem Foto zwei Locken und das linke Ohr einer solchen Maske identifizieren. Die wilden Masken mit symmetrisch angeordnetem Haupt- und Barthaar aus Blättern und geöffnetem Mund verweisen gleichfalls auf den Meeresgott – ursprünglich ein Gott aller Gewässer, der Quellen, Flüsse und Seen.

Möglicherweise handelt es sich – durch die Mundöffnungen der Masken könnten die Mündungen der Wasserrohre geführt haben – um die Figur des barocken Brunnens, die später, als sie beschädigt war, abgeräumt wurde. Auf einer der alten Aufnahmen ist in der Mittelachse des Parks die runde Fassung eines großen Beckens auszumachen. Seit der Renaissance, besonders aber im Barock, bildeten Neptun-Brunnen usw. den Mittelpunkt großer Park- und Gartenanlagen, zunächst in Italien und Frankreich.