24.04.2024

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03.06.00 Das historische Kalenderblatt: 31. Mai 1916

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 03. Juni 2000


Das historische Kalenderblatt: 31. Mai 1916
Seeschlacht ohne echten Sieger
Die Schlacht vor dem Skagerrak brachte keine Änderung der Verhältnisse
Von Philipp Hötensleben

In einer Bucht vor der jütländischen Küste findet am 31. Mai 1916 die einzige große Seeschlacht des Ersten Weltkrieges zwischen deutschen und britischen Seestreitkräften statt. Trotz zahlenmäßiger Unterlegenheit fügt die deutsche Marine den Briten hohe Verluste zu. Gleichwohl kann sie die Seeherrschaft der Royal Navy nicht brechen.

Als sich die Gesamtkriegslage der Mittelmächte in der ersten Jahreshälfte 1916 zusehends verschlechterte und im Seekrieg weder ein Kräfteausgleich mit Mitteln des Kleinkrieges noch ein durchschlagende Erfolg des Unterseehandelskrieges erkennbar wird, erhält die Hochseeflotte größere Handlungsfreiheit. Ihr Chef, Vizeadmiral Reinhard Scheer, plant daraufhin, den Überwasserkrieg der schweren Seestreitkräfte wieder aufleben zu lassen und Bewegung in die "Front zur See" zu bringen. Hierzu will er in mehreren Flottenvorstößen jeweils Teile der britischen Flotte in eine für die deutschen Seestreitkräfte günstige Position locken und mit zusammengefaßten Kräften überraschende Teilerfolge erringen. Angesichts des ungleichen Kräfteverhältnisses muß er allerdings eine große Entscheidungsschlacht vermeiden.

Zur gleichen Zeit bereitet die britische Grand Fleet eine ihrer regelmäßigen Operationen in der Nordsee vor, in deren Verlauf sich die britische Flotte außerhalb der Reichweite deutscher Geschütze, jedoch in der Nähe der Hochseeflotte, aufhalten soll, um einzelne Einheiten von der Masse der deutschen Seestreitkräfte abzudrängen und zu vernichten. Die Ähnlichkeit beider Operationspläne zeigt die begrenzten Möglichkeiten, die den beiden Flottenchefs unter der Prämisse des unbedingten Erhalts ihrer Flotten geblieben sind.

Bei einem deutschen Flottenvorstoß gegen die südnorwegische Küste kommt es am Nachmittag des 31. Mai 1916 bei umsichtigem Wetter zu einer für beide Seiten durch den Umfang der beteiligten Kräfte überraschenden Bewegungsschlacht. Anstatt, wie erwartet, lediglich auf eine Gruppe der Grand Fleet zu stoßen, steht Scheer das Gros der feindlichen Seemacht gegenüber. Während sich die Kriegsschifftechnik auf beiden Seiten auf einem hohen Stand befindet, haben die Aufklärungsmittel dieses Niveau noch nicht erreicht. So kommt es, daß die beiden größten Flotten der Welt mit 151 Schiffen auf britischer und 99 Schiffen auf deutscher Seite fast vollzählig und zunächst unbemerkt aufeinander zufahren. Hinsichtlich der Großkampfschiffe sind die britischen Kräfte denen der deutschen Flotte quantitativ weit überlegen, während sich die Anzahl der Zerstörer und Torpedoboote etwa die Waage hält. Doch wird im Eröffnungsgefecht der Schlachtkreuzer für beide Seiten überraschend deutlich, daß die deutschen Schiffe den britischen qualitativ überlegen sind und die deutsche Marine ihre Offiziere führungsmäßig wesentlich besser ausgebildet hat.

Im weiteren Verlauf der Schlacht gelingt es dem Befehlshaber der Grand Fleet, Admiral John R. Jellicoe, seine Kräfte zu konzentrieren und so geschickt in einer Schlachtlinie aufmarschieren zu lassen, daß diese zweimal in die günstige Position des Crossing-the-T gebracht werden können. Scheer, wendig führend, kann sich der Gefahr trotz schwersten Artilleriefeuers durch meisterhaft durchgeführte blitzschnelle Gefechtskehrtwendungen entziehen. Schließlich befiehlt er seinen Schiffen, im Schutz der Dunkelheit unter Aufgabe der beschädigten Einheiten auszuweichen und die Schlacht abzubrechen, um der Überflügelung und Einkreisung durch den zahlenmäßig überlegenen Feind zu entgehen. Daraufhin verzichtet Jellicoe aus Furcht vor einem Nachgefecht, für das die deutschen Seestreitkräfte besser ausgerüstet und ausgebildet sind, auf eine Verfolgung der deutschen Hochseeflotte und bricht seinerseits die Schlacht ab.

Die Verluste, auf britischer Seite ein Schiffsverlust von 15 000 Tonnen und 6097 Gefallenen sowie auf deutscher Seite ein Tonnageverlust von 62 000 Tonnen und 3039 Tote, lassen als konkreter Maßstab die Schlacht im Skagerrak als deutschen Seesieg erscheinen. Zudem wird der deutsche Siegesanspruch durch das geschickte Manövrieren der deutschen Geschwader und die deutlich zutage getretene technische Überlegenheit ihrer Schiffe untermauert, die es Scheer ermöglicht haben, die deutsche Hochseeflotte als fleet in being in ihrem Bestand fast vollständig zu erhalten. Jellicoe dagegen hat durch die vorsichtige und zeitraubende Führung seiner Einheiten die quantitative Überlegenheit der Grand Fleet nicht zur Geltung bringen können und der deutschen Flotte einen erfolgreichen Abbruch der Schlacht sowie die sichere Heimkehr ermöglicht. Andererseits hat er durch sein zögerliches Verhalten die Flotte als das entscheidende Instrument der englischen Seeherrschaft umsichtig vor allzugroßen Verlusten bewahrt und für die Durchführung weiterer strategischer Aufgaben erhalten.

Obwohl die Skagerrak-Schlacht im Sinne der traditionellen Seekriegslehre zweifellos der eigentliche Höhepunkt des Seekrieges im Ersten Weltkrieg ist, hat sich an der seestrategischen und gesamtmilitärischen Lage Deutschlands nichts geändert. Die See ist Deutschlands letzte verbliebene offene Flanke. Es erweist sich, daß auch hier keine Bewegung mehr möglich ist und daß die "Front zur See" genauso erstarrt ist wie die Fronten zu Lande. Die britische Seeherrschaft ist ungebrochen, die feindliche Blockade weiter wirksam. Damit kann der deutsche Anspruch, daß der Ausgang der Schlacht im Skagerrak einen strategischen Sieg bedeutet habe, nicht aufrechterhalten werden. Entscheidend für den Ausgang eines Krieges ist immer die strategische Komponente, da der Sieger einer Schlacht nicht durch den bloßen numerischen Vergleich von Verlusten oder die Betrachtung einzelner taktischer Ereignisse, sondern ausschließlich durch Betrachten des Gesamtergebnisses und der Folgen der Schlacht zu ermitteln ist. Da der seestrategische Status quo erhalten blieb, muß die Grand Fleet als strategischer Gewinner der Seeschlacht im Skagerrak und damit als allgemeiner Sieger angesehen werden. In jedem Falle kann es keinen Zweifel daran geben, daß die Schlacht im Skagerrak zumindest als überragender und eindeutiger taktischer Erfolg der noch immer jungen deutschen Flotte zu werden ist.