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10.06.00 "Bodenreform" 1945–49: Hoffnung auf späten Sieg des Rechts wächst

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 10. Juni 2000


SBZ-Enteignungen: Am Ende doch – Gerechtigkeit?
"Bodenreform" 1945–49: Hoffnung auf späten Sieg des Rechts wächst
Von HEIKO PETERS

Es ist ein schreckliches Thema: Mehr als zwei Millionen Immobilien wurden auf dem Boden der Ex-DDR von den Kommunisten unter Bruch des geltenden Völkerrechts konfisziert. Bei den gut 750 000 Grundstücken, die vorwiegend dem Mittelstand in den Jahren 1945–49 genommen wurden, hat sich der deutsche Fiskus auf Betreiben von Theo Waigel und anderen die Besitzrechte als Nachfolger des "Volkseigenen Vermögens" gesichert und seither versucht, diese quasi als staatlicher Hehler zu veräußern und die Erlöse daraus der Staatskasse einzuverleiben.

Um dieses unmoralische Vorgehen gesetzlich abzusichern, wurde nicht gescheut, das Parlament mit unwahren Behauptungen zur Grundgesetzänderung zu nötigen. Großes persönliches Leid von über einer Million Mitbürgern und schwere volkswirtschaftliche Fehlentwicklungen bis zum heutigen Tage sind die Folge.

Aber die Wahrheit holt alle ein: Obwohl sich führende Politiker von CDU, CSU und FDP wie auch der SPD und der Grünen vehement dagegen sträuben, das Thema der Enteignungen 1945–49 aufzugreifen und einer gerechten Lösung zuzuführen, erzwingen volkswirtschaftliche Daten und neu erkannte Tatsachen ein Umdenken in dieser brisanten Frage. Das Bundesverfassungsgericht hatte bekanntlich zweimal (1991 und 1996) gegen die ehemaligen Mitglieder des Mittelstandes auf dem Boden der DDR entschieden. Beim ersten Mal wurde die Behauptung der Bundesregierung geglaubt, sowohl Sowjetunion wie auch DDR hätten zur Vorbedingung für die deutsche Wiedervereinigung die Nichtrückgabe des konfiszierten Eigentums gemacht, bei der zweiten Entscheidung war dann von der subjektiven "Einschätzung" der Lage durch die Bundesregierung die Rede. Der Grundtenor beider Urteile lautete: Das Unrecht, das mit den Enteignungen 1945–49 zweifelsohne verbunden war, ist von den Betroffenen zu tolerieren, weil sonst die deutsche Einheit nicht möglich gewesen wäre. Da aber in der Präambel unseres Grundgesetzes die deutsche Einheit als höchstes anzustrebendes Ziel der Politik vorgegeben wird, gebe es bedauerlicherweise keine andere Lösung.

Bisher ist in der Öffentlichkeit nicht genügend darüber nachgedacht worden, was die Väter unseres Grundgesetzes mit dem Begriff "deutsche Einheit" verbunden haben: War es nur ein territorialer Begriff, sozusagen eine regionale Zusammenfassung des deutschen Gebietes, die anzustreben war? Also: Mein Gemüsegarten muß um 50 Quadratmeter erweitert werden, damit ich in Zukunft auch Bohnen pflanzen kann? Oder war nicht vielmehr gemeint, daß in Zukunft alle Deutschen in einem einheitlichen, demokratisch verfaßten Rechtsstaat leben sollten? Die Einheit unter kommunistischen Vorzeichen hätte bekannterweise Konrad Adenauer bereits in den Jahren 1952/53 erreichen können. In korrekter Auslegung des Begriffes "die deutsche Einheit" habe er seinerzeit (nach Adenauers Auslegung der "Stalin-Noten" als Finte) das Anerbieten Stalins abgelehnt, eine deutsche Einheit unter sozialistischen oder kommunistischen Vorzeichen zu erlangen, weil er gewußt habe, daß damit der Rechtsstaat für alle Deutschen nicht gewährleistet sein würde.

Leider haben aber die Verfassungsrichter unter Roman Herzog in dem Augenblick, als sich die Möglichkeit des demokratischen Rechtsstaats für alle Deutschen abzeichnete, wiederum einen Teil der Bevölkerung von den Grundrechten ausgeschlossen: Nämlich die Angehörigen des ehemaligen Mittelstands der Ex-DDR, darunter Widerstandskämpfer des 20. Juli 1944 und deutsche Juden (vom Schicksal der ostdeutschen Heimatvertriebenen ganz zu schweigen). Diese Menschen haben ihren in Staatshand gelangten Besitz auch zehn Jahre nach der Wende noch nicht zurückerhalten, sofern er in den Jahren 1945–49 konfisziert wurde. Vielmehr müssen sie ohnmächtig mit ansehen, wie der deutsche Fiskus heute versucht, diese Immobilien zum eigenen Nutzen zu veräußern. Unglaublich, aber wahr!

Bei den Diskussionen über die Problematik der Enteignungen 1945–49 werden immer wieder drei Hautargumente genannt:

Erstens: Die Sowjetunion habe die Nichtrückgabe zur Vorbedingung für die deutsche Einheit gemacht. Dieses Argument ist von Michail Gorbatschow als "absurd" bezeichnet worden, Schewardnadse hat ihn bestätigt, George Bush, Genscher, Teltschik und viele andere sind Zeugen dafür, daß es ein solches Junktim von seiten der UdSSR niemals gegeben hat. Entsprechend wird auch heute von der Bundesregierung eine solche Vorbedingung in Briefwechseln mit Betroffenen nicht mehr genannt.

Zweitens wurde die Vorbedingung der DDR zur Beibehaltung des jetzigen Zustandes herangezogen. Der erste und letzte demokratische Ministerpräsident der DDR, Lothar de Maizière (CDU), und sein Außenminister Markus Meckel (SPD) haben dies häufiger bestätigt, um den Aussagen Gorbatschows zu widersprechen. Sie haben dabei übersehen, daß die frei gewählte Volkskammer der DDR in einer Nachtsitzung vom 23. auf den 24. August 1990 mit 292 gegen 64 Stimmen bei wenigen Enthaltungen den bedingungslosen (!) Beitritt der DDR zum Geltungsbereich des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland beschlossen hatte. Wie gesagt: ohne jede Bedingung! Daß die DDR-Regierung de Mazière von der Bevölkerung nur gewählt worden war, um so schnell wie möglich die deutsche Einheit zu vollziehen, sei nur am Rande erwähnt. Die Regierung de Maizière wäre von den Menschen in Leipzig, Ost-Berlin und anderswo hinweggefegt worden, wenn sie es gewagt hätte, sich der deutschen Einheit in den Weg zu stellen.

Drittens wurde von der Regierung Kohl immer wieder beteuert, in der "Gemeinsamen Erklärung" vom 5. Juni 1990 sei die Nichtrückgabe von beiden deutschen Kabinetten beschlossen worden und müsse deshalb Bestand haben. Es wird dabei übersehen, daß am 15. Juni 1990 das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland noch nicht um den berüchtigten Artikel 143.3 erweitert worden war.

Dieser wurde erst acht Monate später in das vorläufige Verfassungswerk eingefügt. Auch die DDR-Regierung hatte seinerzeit die kommunistische Verfassung der DDR bereits außer Kraft gesetzt und eine Notverfassung, bestehend aus den ersten 19 Artikeln des Grundgesetzes, als Übergangslösung beschlossen. Beide deutschen Kabinette verstießen also zweifellos am 5. Juni 1990 gegen das in ihren jeweiligen Staaten bestehende Recht. Vermutlich ist aus diesem Grunde die Gemeinsame Erklärung auch niemals unterschrieben worden, was zusätzlich Zweifel an ihrer Gültigkeit weckt. Außerdem war es Wolfgang Schäuble vorbehalten, gegenüber DDR-Chefunterhändler Günther Krause zu erläutern, daß der von Schäuble eingefügte Ausdruck "Ausgleichsleistungen" anstelle von "Entschädigungen" der umfassendere sei und eine Natural-Restitution (also Rückgabe statt Entschädigung) in keinem Fall ausschlösse. Dies war eine wissentliche Täuschung der DDR-Delegation, womit vermutlich auch die Gemeinsame Erklärung vor Gericht keinen Bestand haben dürfte.

Den Einschätzungen des Karlsruher Urteils von 1996 stehen bezeichnenderweise die übereinstimmenden Aussagen von Helmut Kohl und Michail Gorbatschow selbst gegenüber. Beide Politiker waren, wie sie öffentlich bekräftigten, am 10. und 11. Februar 1990 im Büro von Gorbatschow in Moskau übereingekommen, daß die deutsche Vereinigung allein eine Sache der Deutschen sei. Die Deutschen selbst sollten die Bedingungen, die Zeit und die Umstände festlegen, unter denen diese "Wiedervereinigung" geschehen würde.

Entsprechend bestätigte Kanzler Kohl – soeben aus der sowjetischen Hauptstadt zurück – auf der Gangway seines Flugzeuges in Köln/Wahn am 12. Februar 1990 auf Fragen der wartenden Journalisten nach den Bedingungen für die Wiedervereinigung: "Es gibt keine Bedingungen." Der oberste Regierungsvertreter bestätigte also, daß es sowjetischerseits keine Einschränkung der Regierung Kohl gegeben habe.

Es blieb seinem Kanzleramtsminister Bohl vorbehalten, in der Chronologie vom 1. September 1994 das Gegenteil zu behaupten. Diese Chronologie ist inzwischen in wesentlichen Teilen als Fälschung entlarvt worden und wurde offenbar einzig und allein geschrieben, um Falschaussagen der Bundesregierung vor dem Verfassungsgericht zu verschleiern.

Führende Politiker kennen inzwischen die inneren Zusammenhänge dieses Themas genau und wissen auch, daß ein Untersuchungsausschuß die Wahrheit zutage fördern würde – eine Wahrheit, die für führende Mitglieder aller Parteien verheerende Folgen hätte. Die Parteispendenaffäre nähme sich dagegen aus wie die berühmten "peanuts" des legendären Bankenskandals um den Bauunternehmer Schneider. Unsere Volkswirtschaft kann jedoch nicht auf Dauer auf mittelständische Arbeitgeber in den neuen Bundesländern, in viel größerer Zahl als heute, verzichten. Nur Arbeitgeber schaffen auch Arbeitsplätze. Und weil selbst für Helmut Kohl gilt, daß alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind, muß endlich vorbehaltlos aufgeklärt werden, damit dieser Staat seinen Rechtsfrieden wiederfinden kann und die innere Vereinigung des Landes endlich möglich wird. Der Fiskus in Deutschland darf sich nicht am Unrecht bereichern. Der Rechtsstaat wurde von den Deutschen in der DDR nicht angestrebt, damit Unrecht fortgeschrieben werden kann. Wenn gerade heute von Politikern aus Mitteldeutschland, so Arnold Vaatz (CDU-Dresden), Günter Nooke (CDU-Brandenburg) und Christine Ostrowski (PDS-Dresden) die Forderung nach Rückgabe der noch im Staatsbesitz befindlichen Immobilien an die rechtmäßigen Eigentümer unterstützt wird, so läßt dies aufhorchen und darf als hoffnungsvolles Zeichen für den Durchbruch der Gerechtigkeit gelten.