23.04.2024

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10.06.00 Die ostpreußische Familie extra

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 10. Juni 2000


Die ostpreußische Familie extra

Lewe Landslied,

an diesem Wochenende ist das große Deutschlandtreffen und darin eingebettet auch das der Ostpreußischen Familie. Und was liegt näher als gerade in dieser Ausgabe eine Extra-Familie zu bringen. Alle Getreuen, die ständig mithelfen, daß unsere Spalte so erfolgreich ist, werden sich freuen und können auch ein bißchen stolz auf diese gemeinsame Arbeit sein. Und diejenigen, die unser Ostpreußenblatt – noch – nicht kennen oder es nicht ständig lesen, werden wohl erstaunt darüber sein, was eine Gemeinschaft wie die unsere, die allein auf einer Wochenspalte in unserer Heimatzeitung basiert, an kleinen und großen Erfolgen zustande bringt. Und manchmal spricht man ja sogar von Wundern.

Gemeint ist damit ein Wiederfinden nach Jahr und Tag. Es ist für mich immer eine Sternstunde, wenn ich berichten kann, daß sich Menschen, die einander mehr als ein halbes Jahrhundert lang vergeblich suchten, gefunden haben. Ich freue mich, daß diese manchmal akribische Sucharbeit von unseren Leserinnen und Lesern anerkannt wird. Wie Harald Muellerbuchhof schreibt: "Die ostpreußische Familie ist mittlerweile zum letzten Rettungsanker geworden. Keine Institution, kaum einer der forschenden Vereine und auch meine Computergenealogen gehen so umfassend auf die vielen Wünsche und Fragen ein." Danke, lieber Landsmann!

Und den Glauben darf man auch nicht verlieren, wie unsere erste kleine Erfolgsgeschichte beweist. "Nur nicht klein beigeben!", wie wir Ostpreußen sagen. Das hatte ich auch gedacht, als ich in der letzten Weihnachtsausgabe noch einmal den Wunsch von Christel Kopp aufgriff, den ich einige Monate zuvor veröffentlicht hatte. Frau Kopp suchte drei Cousinen – mit Mädchennamen Iffländer –, deren Spuren in den ersten Nachkriegsjahren nach Westdeutschland wiesen. Jetzt endlich kam der Erfolg. Denn bereits einen Tag nach Weihnachten wurde Frau Kopp von einer Leserin aus Issum angerufen, die bei einem Ermländertreffen mit einer verstorbenen Tante von Frau Kopp bekannt geworden war. Sie schickte ihr Namenslisten, und Frau Kopp schrieb an jüngere Tanten der Iffländer-Schwestern, die über andere Verwandte suchten, bis schließlich eine der drei Cousinen gefunden wurde. Und diese vermittelte Frau Kopp noch die Anschriften ihrer beiden anderen Schwestern. Die Freude war natürlich groß, und in diesem Sommer soll es ein Wiedersehen geben.

Wie verworren die Wege manchmal sind und wieviel Geduld und Glück benötigt werden, bis sie zum Erfolg führen, beweist die nächste Geschichte. Ursula Schalk stammt wie ihre Stiefmutter aus Tilsit. Als die heute 60jährige noch ein Kind war, entfuhr es ihrem Vater bei einem Zornesausbruch, daß sie eine andere Mutter hätte. Bis zu seinem Tod sprach er nie wieder darüber, ebenso schwieg die Verwandschaft väterlicherseits. Bei einer heimlichen Suche fand die Tochter den handschriftlichen Eintrag einer Tante, daß ihre leibliche Mutter Frieda D. sei. Ursula Schalk hatte nun einen Namen, sonst nichts. Sie wußte nicht, wo und wann ihre Mutter geboren war, ob diese noch lebte, ob sie Geschwister oder andere Verwandte hatte. Seit 1975 suchte sie nach irgendwelchen Hinweisen – vergeblich. Nach der Maueröffnung intensivierte sie die Suche, sogar in Tilsit. Dann stieß sie auf die Anschrift des Evangelischen Zentralarchivs in Berlin. (Siehe unser Hinweis in Folge 16.) Sie fuhr sofort in die Jebenstraße und suchte nach Unterlagen über ihre Taufe. Die waren auch vorhanden, aber dann kam die Überraschung: Als Geburtsname der Mutter war ein ganz anderer angegeben. Auch die Kirchenbucheintragungen über die 1937 stattgefundene Heirat ihrer Eltern bestätigte dies. Darüber hinaus erfuhr Frau Schalk auch das Geburtsdatum der Mutter und deren Tilsiter Wohnsitz vor der Eheschließung.

Nun begann die gezielte Suche. Es gab nur sechs Telefonteilnehmer in ganz Deutschland mit dem – sehr seltenen – Mädchennamen der Mutter. Schon der erste Anruf war erfolgreich: Frau Schalk sprach mit dem Bruder ihrer Mutter. Durch ihn erfuhr sie, daß ihre Mutter leider schon verstorben war – sie hatte auch in der ehemaligen DDR gelebt wie die Tochter –, daß Frau Schalk aber noch zwei Schwestern hatte. Wie im Traum rief Frau Schalk eine dieser Frauen an – das Erstaunen und die Freude waren unbeschreiblich! "Wir haben uns bereits besucht und sind alle drei so glücklich, daß wir uns gefunden haben!" schließt Frau Schalk ihren Brief.

Auch Elftrudt Siegmundt ist glücklich: Sie hat ihre Cousine Roselottchen Selleneit aus Königsberg gefunden. Vielleicht hat der seltene Vorname zu dem schnellen Erfolg geführt, denn kaum war der Suchwunsch erschienen, als eine eifrige Leserin unserer Zeitung – keine Ostpreußin! – Frau Siegmundt mitteilte, daß die Gesuchte geheiratet hätte und nun einen anderen Namen trüge. Den suchte die Erfreute im Hamburger Telefonbuch, und siehe da: Bereits beim zweiten Anruf nahm Roselottchen den Hörer ab und – na, die Überraschung kann man sich vorstellen! Doch damit nicht genug: Ein Leser aus Düsseldorf übermittelte ihr 16 Anschriften mit dem Namen Selleneit, und unter diesen war auch die einer 94jährigen Tante, von der Frau Siegmundt seit 1952 nichts mehr gehört hatte. Frau Siegmundt faßt ihre Freude in dem Satz zusammen: "Dieses sind doch Zeichen dafür, daß wir wirklich eine Familie sind!"

"Mit zunehmendem Alter bewegt mich die Frage nach der Herkunft meiner Ahnen aus Ostpreußen, besonders bewegt mich aber das Schicksal meines Vaters, der im Januar 1945 im Kampf um Ostpreußen gefallen ist." So beginnt ein langer Brief von Bernd Dauskardt, der sechs Jahre alt war, als sein Vater fiel. Durch zwei Suchanzeigen im Ostpreußenblatt konnte der Sohn das Schicksal seines Vaters weitgehend klären. Der 1912 geborene Heinrich Dauskardt hatte sich offensichtlich 1944 von der Schweren Flak-Abteilung in Wolfenbüttel freiwillig zum Fallschirmpanzerkorps HG gemeldet. Er wurde am 16. Januar 1945 im Raum Schulzenwalde/Gumbinnen verwundet, wurde noch nach Königsberg gebracht, wo er verstarb. Er liegt dort auf dem Domfriedhof Alte Pillauer Landstraße begraben. Soweit war das Schicksal des Vaters geklärt, aber es ließ den Sohn auch weiterhin nicht in Ruhe, vor allem, als er ein altes Foto fand, das seinen Vater auf einem Streifengang mit vier anderen Kameraden zeigte. Heinrich Dauskardt vermutete, daß dieses im Spätsommer 1944 in Ostpreußen aufgenommen wurde. Er hatte recht, denn es meldete sich Ilse Höhn, geb. Audersch, die auf dem Bild einen alten Jugendfreund erkannte und nun genau sagen konnte, daß das Foto im Juli 1944 auf einem Abstellgleis bei Insterburg aufgenommen wurde. Inzwischen sucht Frau Höhn – über unsere Familie – nach jenem Freund und Kameraden von Herrn Dauskardts Vater, Hermann Mertens aus Mecklenburg.

Dieses Beispiel einer engagierten Suche hat mich besonders berührt, weil sie von einem Mann veranlaßt wurde, dessen Großvater bereits in jungen Jahren das Memelland verließ und nicht in die Heimat zurückkehrte, in deren Erde der Sohn liegt. Der Enkel hat das Land der Ahnen schon oft bereist, und es hat einen unauslöschbaren Eindruck in ihm hinterlassen, vor allem, als er am Grab seiner Urgroßmutter in Plaschken stand.

Eine ganz andere Geschichte ist die von dem Wappenglas der Familie von Balluseck, die beweist, welch einen Stellenwert unsere Ostpreußische Familie hat. Und wie die spurt, wenn es um das Lösen von Fragen geht, selbst wenn die mit Ostpreußen nichts zu tun haben. Das Glas hatte eine Dame aus Ulzburg bei Hamburg von einem Herrn von Balluseck bekommen, als sie im Februar 1945 die erschöpften Pferde seines Flüchtlingstrecks fütterte und tränkte. Er dankte ihr für die Hilfe mit diesem kostbaren Wappenglas. Die hilfsbereite Ulzburgerin schenkte es ihrer Nichte Ilse Keil. Diese wollte es nun nach dem Tod ihrer Tante an die Besitzerfamilie zurückgeben und wandte sich deshalb – über eine ostpreußische Nachbarin – an uns mit der Bitte, diese ausfindig zu machen. Hilfe wurde ihr bald von mehreren Seiten zuteil, so von Uta von Delius, die sofort Informationen über die Familie von Balluseck beim Deutschen Adelsarchiv einholte. Auch Helmut Herrmann aus Meerbusch half mit aktuellen Anschriften, so daß Frau Keil elf Adressen hatte, die sie alle anschrieb. Sie erhielt positive Briefe und Anrufe und kam dann zu dem Entschluß, das Wappenglas Herrn Alexander von Balluseck in Sulzbach zu überlassen. Im Herbst wollen Frau Keil und ihr Mann dorthin fahren, um das Glas persönlich zu übergeben.

"Vielleicht erinnert sich jemand an Dora Ehmer aus Königsberg", hatte ich für die 91jährige geschrieben, die sehr allein in Emmendingen lebt. Es meldete sich Else Schiwek-Press aus Neu-Ulm und übersandte Dora Kehlert, wie sie heute heißt, eine Namensliste aus Königsberger Zeiten, durch die vielleicht weitere Verbindungen zustande kommen. Zwischen den beiden Frauen klappte es sofort bei einem Anruf.

Einen ersten Dank von Werner Mischke, dem Chronisten von Böttchersdorf, der eine ganze Reihe von Fragen hatte. Aufgrund der Veröffentlichungen gingen fünf Meldungen ein, von denen eine besonders vielversprechend ist und weiterhelfen könnte. Herr Mischke wird jetzt an einem Traditionstreffen der 50. Infanteriedivision teilnehmen, die aller Wahrscheinlichkeit nach Ende Januar 1945 in Böttchersdorf im Einsatz war.

Auch Winfried Paltinant hat einen Erfolg zu verbuchen. Er ist im Besitz des Buches "Deutsches Grenzland Ostpreußen", in dem die Widmung von 19 RAD-Maiden an ihre Lagerleiterin Hildegard steht. Es meldeten sich tatsächlich zwei der namentlich Genannten, obgleich die ehemaligen Maiden ja zum größten Teil nicht aus Ostpreußen stammten, und nannten zuerst einmal das Lager: Wuttrienen. Es ergaben sich vor allem nette Telefongespräche, so auch mit der ehemaligen Lagerleiterin, die ja – wie alle Ehemaligen aus Wuttrienen – weit über 80 ist.

Ein großes Echo finden ja immer die Fragen nach Gedichten und Liedern. Ruth Bierbaum suchte das  Lied "In der Heimat ist es schön …", und sie und ich erhielten es zugesandt, oft aus dem Gedächtnis aufgeschrieben, aber auch als Auszug aus dem Liederbuch. Auch Helga Rosin schickte es mir zu mit einem lieben Brief, in dem sie gleichzeitig mitteilte, daß sie das gewünschte Buch "Natangen" leihweise erhalten hatte. Und dann berichtete sie von einer Überraschung: Sie erhielt einen Brief von Erika Herzberg aus Namibia mit dem Schulungsheft "Natangen" der Landsmannschaft Ostpreußen, in dem Frau Rosin "fast alles" über ihre Heimat fand. Sie schreibt: "Das war für mich ein beeindruckendes, freudiges Ereignis. Unser Ostpreußenblatt – eben eine Weltzeitung!"

Und dann das Lied von dem kleinen Mann, der sich eine große Frau nahm! 28 Briefe und Anrufe und sogar zwei Kassetten erhielt Eva-Maria Kieselbach, die es suchte und mir begeistert mitteilte: "Alle haben sich ihrer glücklichen Kindheit erinnert und nach dem jahrzehntelang vergessenen Lied gekramt. Meiner Schwiegermutter, Gertrude Kieselbach, geb. Neubacher, aus Gumbinnen, hat das Lied sehr viel Freude gemacht." Mich hat der Brief von Erhard Frömmig besonders erfreut, weil er sogar seine Enkelin bemüht hat, die das Lied über Internet fand. Interessant: im 19. Jahrhundert gab es 50 (!) verschiedene Fassungen dieses Liedes. Als "Wahlostpreuße" liest Herr Frömmig unser Ostpreußenblatt seit sieben Jahren mit großer Begeisterung und staunt immer wieder darüber, was alles gefragt und gefunden wird. "Das ist sehr schön, oftmals sogar unglaublich. Es ist das erste Mal, daß ich etwas für die Ostpreußische Familie tun konnte. Ob ich wohl nun in die Familie aufgenommen werde?" Lieber Herr Frömmig, zu unserer "Familie" gehören alle, die unsere Spalte gerne lesen, und deshalb sind Sie schon seit sieben Jahren dabei!

Und Rudi Albrecht hat sein Memellandlied "Kiefernwälder rauschen über Land und Meer" gleich vierzehnmal bekommen. "Es war fast nicht zu glauben, aber immer, wenn die Postbotin kam, war stets ein Brief von lieben Landsleuten dabei!" – Auch die Ballade "Der Schmied von Barl" hat sich eingefunden. Sie ist nicht von Gustav Frenssen, wie ich auch vermutet hatte, sondern von Max Geißler. Herr Dr. Horst Hüttenbach sandte die einem alten Sonderheft der "Woche" entnommene Ballade Herrn Peterson, der sie jetzt mit den Zeichnungen seines Vaters in Verbindung bringen kann. Und ich bekam auch eine Kopie, vielen Dank!

Auf meinem letzten "Familien-Seminar" im Ostheim in Bad Pyrmont sagte mir Evelin Kirchbach, daß sie – aufgrund einer Bitte von Horst Schulz aus Rostock – zwei gebrauchte Hörgeräte nach Lötzen gesandt hatte, da diese dort dringend benötigt wurden. Das wurde auch von Herrn Zantopp aus Lötzen bestätigt, der mitteilte, daß die Geräte dem Deutschen sozial-kulturellen Verein und der Sozialstation der Johanniter-Unfallhilfe übergeben wurden.

Das sind so die kleinen Hilfen unserer Ostpreußischen Familie, die manchmal nur durch ein paar kurze Sätze in unserer Spalte zustande kommen. Wie auch bei den "Thorner Katharinchen". Hanna Wenk bot einige dieser Gebäckförmchen gegen einen kleinen Obolus für die Bruderhilfe Ostpreußen an. Man will es kaum glauben: Es kamen 700 DM zusammen. Und weil es so viele nette Briefe und Anrufe als "Margrietsch" – also zusätzlich – gab, will Frau Wank in diesem Herbst die Aktion wiederholen.

Wiederholen muß ich jetzt noch eine andere Frage, die ich vor einigen Wochen veröffentlichte. Bernhard Stroinski aus Leverkusen ist auf der Suche nach den Spuren seines Onkels Joachim Stroinski, der Förster im Privatdienst war. Der 1912 in Posen Geborene war auch in Ostpreußen tätig, so u. a. in Bredauen. Nun hat der Neffe mir ein Foto übersandt, das seinen damals sehr jungen Onkel mit einem Ehepaar zeigt, das wahrscheinlich zu dem im Hintergrund abgebildeten Haus gehört. Dieses müßte ein Forstamt oder eine forstliche Schulungsstätte sein. Wer kennt das Gebäude, das an der Wand – über dem Kopf des jungen Försters – ein Rundrelief mit einem Männerkopf zeigt, vorgelagert ist eine große Tierplastik? Antworten bitte an Bernhard Stroinski, Hermann-Nörrenberg-Straße 15 in 51379 Leverkusen.

Und wenn wir schon einmal die Forstleute unter unseren Lesern ansprechen, dann schließe ich noch diesen kleinen Suchwunsch an, den mir Hildegard Bielinsky – geb. Mann, früher Forsthaus Wasgien – zusandte: suche Forstmeister Schmöler, zuletzt im Forstamt Neu Sternberg tätig, sowie den Forstmann, der sich seinerzeit mit Lori Schwaiger aus Otterndorf unterhalten hat. Er hat unter Dr. Ulrich sein Examen gemacht. (Hildegard Bielinsky, Annabergstraße 35 in 58511 Lüdenscheid.)

Ich glaube, diese Extra-Familie spiegelt ein wenig die Bandbreite unserer Ostpreußischen Familie wider. Sie dürfte alle Landsleute und Freunde unserer Heimat, die schon auf diese "Erfolgsspalte" gewartet haben, mit Zufriedenheit erfüllen. Und denjenigen, die Das Ostpreußenblatt zum ersten Mal in der Hand halten, zeigen, daß diese Zeitung mit der "Ostpreußischen Familie" eine Einrichtung besitzt, die – wie uns so oft bestätigt wird – im deutschen Blätterwald einmalig ist.

Eure

Ruth Geede