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24.06.00 Bundestagspräsident will Eroberer Ostpreußens "angemessen würdigen"

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 24. Juni 2000


Berlin: Thierses kommunistischer Held
Bundestagspräsident will Eroberer Ostpreußens "angemessen würdigen"
Von VERA LENGSFELD MdB

Mein Vater wurde mit 15 Jahren aus der sudetendeutschen Heimat vertrieben. Als eine Schwester und er innerhalb einer halben Stunde die Sachen packen und den Hof verlassen mußten, waren beide schon Vollwaisen. Ihr Vater war unter falschen Anschuldigungen von der tschechischen Kommandantur festgenommen und so gefoltert worden, daß er auf allen vieren zu seinem Hof zurückkroch und sich aus Scham in der Scheune erhängte.

Meine Großmutter starb bald darauf an Typhus, aber noch mehr an mangelndem Lebenswillen. Mein Vater wurde mit 14 von der Tschechischen Miliz verhaftet und als Zwangsarbeiter in einem Steinbruch eingesetzt. Aus dieser Zeit behielt er Schlagverletzungen am Rücken zurück, aus denen sich später eine Rückenmarkstuberkulose entwickelte.

Läßt sich die ganze Geschichte der Deutschen verdrängen – und zurechtmachen zu einer Geschichte der Befreiung? Ist das ein solides Fundament unseres Gemeinwesens? Der Präsident des Deutschen Bundestages, Wolfgang Thierse, glaubt das offensichtlich. Er hat nun sogar den Regierenden Bürgermeister Berlins, Eberhard Diepgen, gebeten, den ersten sowjetischen Stadtkommandanten, Nikolaus Erastowitsch Bersarin, in der Stadt angemessen öffentlich zu würdigen. Über dieses Ansinnen haben Günter Nooke, stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion, Hartmut Koschyk, Vorsitzender der Gruppe Vertriebene und Flüchtlinge der CDU/CSU-Fraktion, und ich in einem Brief starkes Befremden ausgedrückt. Bersarin, ab Ende April 1945 Stadtkommandant von Berlin, schon im Juni durch einen Motorradunfall ums Leben gekommen, erhielt 1975 posthum die Ehrenbürgerschaft der Stadt Ostberlin. In die Ehrenbürgerliste der wiedervereinigten Stadt wurde der Name Bersarin 1992 nicht übernommen. Dieser Umstand habe, so schreiben wir an Wolfgang Thierse, seine Gründe, und diese sollten auch heute nicht vom Präsidenten des Deutschen Bundestages ignoriert werden.

Wir wiesen darauf hin, daß während der Vertreibung der Deutschen aus dem Osten mindestens zwei Millionen Zivilisten ums Leben kamen. Mehr als 400 000 deutsche Zivilisten wurden willkürlich Opfer von Vertreibungsverbrechen in den Gebieten östlich von Oder und Neiße. Die häufig grausamen Verbrechen wurden vor allem verübt von der Roten Armee. Unschuldige Opfer waren meist Frauen, auch viele Kinder. Die Grausamkeiten setzten sich bei der Eroberung Berlins fort.

Opfer der Gewalttaten und Unmenschlichkeiten wurden nicht etwa bestimmte Personengruppen, sondern Deutsche aller Bevölkerungskreise. Wir verweisen auf den Bericht des Bundesarchivs "Vertreibung und Vertreibungsverbrechen 1945 – 1948", wo es heißt: Verübt wurden die Gewaltakte durch Angehörige sowjetischer militärischer Einheiten, des NKWD, der Miliz. Ihnen wurde von den die Regierungsgewalt ausübenden zentralen Stellen zunächst völlig freie Hand gelassen. Die verübten Gewalttaten waren Ausdruck eines Vergeltungdranges, aber auch blinder, von politischer Indoktrination noch gesteigerter Haßgefühle. Diese konnten sich auch in von niedrigsten Instinkten geleiteten Taten niederschlagen.

Die Hälfte des gesamten Personalbestandes der Belorussischen Fronten waren übrigens Kommunisten oder Komsomolzen (Angehörige des bolschewistischen Jugendverbandes der UdSSR, d. Red.). In dem Brief an Thierse schreiben wir, daß Bersarin die 5. Stoßarmee, die zur 1. Belorussischen Front gehörte, befehligte, und zu deren Operations- und Besatzungsgebieten gehörten Ostpreußen, Pommern, das östliche Brandenburg und schließlich Berlin. Die Eroberung vollzog sich unter unvorstellbaren Verbrechen an der deutschen Zivilbevölkerung. Auch Kommandant Bersarin trägt Verantwortung für die Untaten bei der Eroberung Ostdeutschlands und Berlins. Nun soll sich das demokratische Deutschland also in falsch verstandener Demut der kommunistischen Heldenverehrung anschließen. Der Vorstoß Thierses paßt in unsere Zeit, in der Verzerrung und Selektion der deutschen Geschichte politische Mode geworden sind. Zunehmend finde ich politische Vokabeln im nationalpädagogischen Gebrauch wieder, die ich nur aus dem unseligen Gedenken an die DDR kannte. Ebenso werden pauschale Unrechtsvermutungen gegen das eigene Volk sanktioniert, wird Unrecht anderer billig gerechtfertigt. Über eine zunehmende Entfremdung zwischen Politik und Volk muß man sich dann nicht mehr wundern.

"Zunehmend finde ich

politische Vokabeln wieder,

die ich nur aus dem unseligen

Gedenken an die DDR kannte.

Ebenso werden pauschale

Unrechtsvermutungen gegen

das eigene Volk sanktioniert,

wird Unrecht anderer billig

gerechtfertigt"