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24.06.00 Das historische Kalenderblatt: 20. Juni 1948

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 24. Juni 2000


Das historische Kalenderblatt: 20. Juni 1948
Kopfgeld für die Trizonesier
Mit der Währungsreform wurde das westdeutsche Wirtschaftswunder eingeleitet
Von Philipp Hötensleben

Am 20. Juni 1948 tritt in den Zonen der drei Westalliierten, der sogenannten Trizone, eine längst überfällige Währungsreform in Kraft. Damit nimmt das westdeutsche Wirtschaftswunder seinen Anfang.

Lange Schlangen ungeduldig wartender Bürger bilden sich an diesem Tag vor den Ausgabestellen für die neue Währung. Endlich ist es soweit, und die Bürger erhalten als sogenanntes "Kopfgeld" für ihre alten 40 Reichsmark brandneue 40 Mark. Zwei Monate später werden zusätzlich weitere 20 Mark ausgegeben.

Dies gibt den durch den Krieg schwer gebeutelten und verzweifelten Menschen neue Hoffnung und Zuversicht. Die 60 Mark, die jeder Deutsche in den Westzonen und in West-Berlin ausbezahlt erhält, sorgen somit wenigstens formal für gleiche Startchancen für einen Neubeginn. Wie auf ein verabredetes Zeichen füllen sich zudem plötzlich und wie von Geisterhand auch wieder die zuvor gähnend leeren Schaufenster mit den zum Unmut der Bevölkerung zuvor zurückgehaltenen Waren.

Die Währungsreform bietet in der Tat die einzige Chance, die Wirtschaft zu stabilisieren. Sie enthält auch ein wichtiges psychologisches Moment. Sie verleiht der Wirtschaft neuen Schwung und beendet die in einem unaufhaltsamen freien Fall begriffene Talfahrt der alten Währung. Nicht überall ist jedoch die neue Westwährung gerngesehen. In der sowjetischen Zone wird sie verboten, und es wird der Versuch unternommen, die Geldtransporte nach Berlin zu unterbinden.

Das Sowjetregime beantwortet die Einführung der Mark drei Tage später mit einer eigenen Währung, die den Namen "Deutsche Mark der Deutschen Notenbank" trägt. Im Gegenzug untersagen die Westalliierten die Einführung dieser Ostwährung in den Westsektor von Berlin. Schon rein optisch kann das neue Ostgeld nicht mit den in den USA frisch gedruckten westdeutschen Banknoten konkurrieren. Im Osten wird der neue Währungsbetrag, um Kosten zu sparen, einfach auf die alten Reichsbanknoten gestempelt. Aber auch was die Kaufkraft anbelangt, läßt die neue Deutsche Mark die in der Ostzone gültige Währung schon bald weit hinter sich zurück.

Die Währungsreform in den Westzonen, die inhaltlich und logistisch eine Meisterleistung ist, stellt die Organisatoren vor ungeheure Aufgaben. Unter strenger Geheimhaltung wird der Plan für ihre Realisierung von den drei Westalliierten unter der Schirmherrschaft der USA ausgearbeitet, wobei auch westdeutsche Wirtschafts- und Finanzexperten hinzugezogen werden. Zu ihnen gehört der später als "Vater des Wirtschaftswunders" weltweit gepriesene Ludwig Erhard, der zu dieser Zeit das Amt des Direktors des Wirtschaftsamtes bekleidet.

Daß unbedingter Handlungsbedarf besteht, haben vor allem die Amerikaner erkannt, und sie sind deshalb schon seit längerer Zeit zum Handeln entschlossen. Die Aktion Währungsumtausch rollt damit unaufhaltsam an. Mit der höchsten Geheimhaltungsstufe versehen, werden die Banknoten per Flugzeug nach Deutschland transportiert, nachts mit Militärlastern weiterbefördert und bis zur Ausgabe in Kasernen gelagert.

Am 18. Juni wird auch die Bevölkerung über die zwei Tage später erfolgende Einführung der neuen Währung informiert. Das Notenausgaberecht hat die am 1. März 1948 gegründete Bank Deutscher Länder.

Die neue Mark, die spätere DM, wird ein voller Erfolg. Begleitet wird die Währungseinführung von einem Bündel währungspolitischer Maßnahmen unter der Federführung Erhards. So wird das "Gesetz für Bewirtschaftung und Preispolitik nach der Geldreform" erlassen, und nach einer Ankündigung Erhards wird – sehr zum Ärger der Besatzungsmächte – auch die Rationierung von etwa 4000 Verbrauchsgütern aufgehoben. Die Währungsreform, die auch in den Westsektoren von Berlin gilt, hat einen entscheidenden Anteil an der von Erhard mit Erfolg propagierten Politik der sozialen Marktwirtschaft.

Die Einführung der neuen Währung markiert den Beginn des in aller Welt so vielbeneideten deutschen Wirtschaftswunders nach dem Zweiten Weltkrieg. Sie wirkt für die Wirtschaft in Westdeutschland als Initialfunke. Den Menschen beschert das neue Geld, nach all den Entbehrungen, endlich wieder die Möglichkeit, sich auch etwas für ihr Geld kaufen zu können. Diese Kaufkraft und das einsetzende Vertrauen auf die Stabilität der Währung eröffnet ihnen die Hoffnung auf eine bessere Zukunft.

Auch in deutschlandpolitischer Hinsicht ist die Währungsreform eine einschneidende Wegmarke, denn die Einbeziehung Westberlins löst am 23. Juni 1948 die Berlin- Blockade aus und verschärft somit den Kalten Krieg der beiden Supermächte USA und Sowjetunion. Sie markiert damit den Beginn der Teilung Deutschlands.

Mit der Währungsreform beginnt die Erfolgsgeschichte der Deutschen Mark. Über Jahrzehnte hinweg vermittelt sie den Deutschen ein Gefühl von Sicherheit und Stabilität und genießt als "harte" Währung auch weltweite Anerkennung.

52 Jahre nach ihrer Einführung wird die Deutsche Mark auf dem Altar des europäischen Währungsdiktats geopfert. Mit der im Zuge der europäischen Währungsunion vorgenommenen Einführung des Euro beginnt jetzt ein währungspolitisches Experiment, dessen Ausgang ungewiß erscheint.