29.03.2024

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01.07.00 Über die Mysterien politisch korrekter Täterschaft

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 01. Juli 2000


Was ist ein "Schurkenstaat"?
Über die Mysterien politisch korrekter Täterschaft
Von R. G. Kerschhofer

Als Muammar al-Ghaddafi nach langem Tauziehen die "Lockerbie-Attentäter" – oder präziser gesagt, jene zwei Libyer, denen die Sprengung einer "Panam"-Maschine vorgeworfen wird –, an ein schottisches Gericht in den Niederlanden auslieferte, sahen sich Politiker und Kommentatoren bestätigt: Immer stramm Sanktionen verhängen! Denn wenn das Volk leidet ("gegen welches man natürlich überhaupt nichts hat"), wird dieses über kurz oder lang die eigene Regierung zur Kapitulation zwingen.

Doch die Sache ist nur vordergründig plausibel: Denn einerseits waren die Boykottmaßnahmen für Libyen zwar lästig, doch hatte das Volk – anders als etwa im Irak – keineswegs am Hungertuch zu nagen. Andererseits müßte der libysche Staatschef wohl gewußt haben, daß man eigene Geheimdienstleute nicht preisgeben kann, ohne die Loyalität aller anderen zu erschüttern, und daß sich die Preisgegebenen ihrerseits gegen ihn wenden könnten, um die eigene Haut zu retten. Hatte also Ghaddafi vielleicht nur deswegen der Auslieferung zugestimmt, weil er aufgrund bestimmter Informationen oder Beweisstücke wußte, daß die beiden Landsleute gar nicht als Täter in Frage kommen und daß sich der Prozeß zur Blamage für seine Feinde entwickeln würde? Bereits vergangene Woche konnte OB-Mittelmeerkorrespondent Gregor M. Manousakis bedenkliche Lücken in der Beweisführung der Ankläger offenlegen. Und die Zweifel mehren sich. Da tauchte etwa ein iranischer Überläufer auf, der Lockerbie und andere Anschläge erst jüngst dem Iran zuschrieb. Im Prozeß sind überdies ernsthafte "technische" Probleme aufgetreten: Erstens gibt es eine neue Expertise, derzufolge die Explosion sehr nahe an der Außenhaut des Flugzeugs erfolgt sein soll. Zu nahe für die bislang aufrechterhaltene Behauptung, die Detonation habe im Gepäckabteil stattgefunden. Das würde bedeuten, daß sie nicht durch eine (von den Libyern?) als Koffer aufgegebene Bombe ausgelöst worden sein kann. Auch gibt es Ungereimtheiten, was den Zündmechanismus betrifft: Ein als Kronzeuge der Anklage vorgesehener Schweizer behauptet (nach einer ihm lange Zeit vorenthaltenen Besichtigung), daß die Fragmente von zwei verschiedenen Mechanismen stammen, – seine Firma hatte in den 80er Jahren erwiesenermaßen elektronische Schaltuhren an Libyen geliefert. Und schließlich waren die Zünderfragmente in Lockerbie ausgerechnet von einem Agenten "gefunden" worden, den die CIA inzwischen wegen wiederholter Fälschung von Beweismitteln aus dem Dienst entlassen hat.

"Nun, wir wollen den Tatsachenfeststellungen von Gerichten nicht vorgreifen, wohl aber wollen wir inständig hoffen", spottete ein Prozeßbeobachter, "daß der umgefallene Kronzeuge und natürlich auch die beiden Angeklagten mindestens bis zum Ende des Prozesses am Leben bleiben." (Und das ist keineswegs so selbstverständlich, wenn man etwa an das Schicksal des österreichischen "Briefbombenattentäters" Franz Fuchs denkt: Zunächst war bekanntlich die Bombenserie rechtsextremistischen Verschwörern angekreidet worden, die "im Dunstkreis" von Haiders FPÖ gesucht wurden. Dann aber stellte sich ein aus linkem Milieu kommender Psychopath mit geringer Schulbildung als "genialer Einzeltäter" heraus! Und noch ehe der Justizminister einer erstmals seit 30 Jahren nichtsozialistischen Regierung den Fall hätte neu aufrollen können, beging der Verurteilte Selbstmord: Obwohl er weder Hände noch Prothesen hatte, gelang es ihm in einem unbeobachteten Augenblick, aus dem Kabel seines elektrischen Rasierapparats eine Schlinge zu knüpfen und sich flugs an einem zufällig in der Zellenwand befindlichen Nagel zu erhängen.)

Vielleicht hätte man sich in Lockerbie statt auf die CIA gleich auf die wahren Profis verlassen sollen. Denn es ist leider kein Novum, gefälschte Beweismittel zur Rechtfertigung von Sanktionen, Präventivkriegen, Strafexpeditionen und Vergeltungsschlägen zu nutzen – immer nach dem Motto "Augen um Äuglein, Gebisse um Zahn". Auch bei den Moskauer Bombenanschlägen, die zum Vorwand für den "zweiten" Tschetschenienkrieg dienten, gibt es bis heute keinen Beweis für eine tschetschenische Täterschaft.

Libyen ist übrigens insofern schlecht dran, als Tripolis bereits 1804, also kaum drei Jahrzehnte nach Gründung der USA, erstmals von einem US-Marinegeschwader bombardiert wurde: Selbst bei bescheidensten Geschichts- und Geographiekenntnissen weiß daher jeder kleine Generalstäbler noch aus seiner Kadettenzeit, daß Tripolis ein "target" ist. Der Betrachter allerdings fühlt sich wie vor einem Vexierbild: Die Umrisse von Tätern und Opfern der beklagten Schurkereien verschwimmen zusehends. Fest steht: Sieger und weit überlegene Mächte haben sicher die besseren Karten, wenn die Zuordnung von Gut und Böse vorgenommen wird. Aber sie kennen, zumindest verbal, auch Gnade: Auf jüngsten Beschluß hin werden die "Schurkenstaaten" ab sofort "Sorgenstaaten" geheißen. Das klingt fast wie Fürsorge. Gouvernanten sprechen so – und handeln danach: "Das wollen wir aber nie wieder machen!" heißt nämlich: "Das wirst du nie wieder machen, sonst setzt´s was! Was ich tue, ist meine Sache – weil ich größer bin und Wahrheit und Moral vertrete."