28.03.2024

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01.07.00 UNTERHALTUNG

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 01. Juli 2000


UNTERHALTUNG

Roßkur für Mariechen
Von EVA PULTKE-SRADNICK

In Gallbrinnen, acht Kilometer hinter Balbuschken, war auf dem Hof vom Bauern Supplieth die große Not ausgebrochen. Mariechen, die Älteste, hatte Fieber bekommen und hustete sich dabei fast die Seele aus dem Leib. Da half kein Zwiebelsaft mit Honig, da half kein Brustwickel mit Schweineschmalz, da mußte der Doktor her. Es paßte ja ganz gut, denn der Oma ging es in letzter Zeit auch son bißchen koddrig und sie klagte ununterbrochen über ihren krätschen Rheumatismus. Und noch etwas machte der Mutter Sorgen, Kurtchen hatte den runden roten Knopf von ihrer Bluse verschluckt, er wollte mal sehen, ob der nach was schmeckt. Warum hatte sie den abgerissenen Knopf aber auch liegen lassen, aber es machte ihr keiner Vorwürfe. Um nun das Unglück voll zu machen, draußen im Stall wollte die Liesel, die Trakehnerstute, nicht richtig fressen, sie ließ den Kopf hängen und hatte so klagende Augen.

Telefon gab es ja damals noch nicht. Darum mußte Walter, der Knecht, mit einem Zettel zum Doktor fahren. Am besten wäre es, wenn er ihn gleich mitbrächte. Der Doktor versprach auch zu kommen, aber in der Umgebung war eine Grippeepidemie ausgebrochen und er hatte alle Hände voll zu tun. Es könnte Abend werden. Er schrieb fürsorglich Aspirin auf, das konnte fast nie schaden.

Walter mußte aber auch gleich noch zum Tierdoktor fahren, wo er doch nun schon mal unterwegs war. Der gab ihm auch ein Fläschchen Medizin für die Liesel mit und trug ihm auf, daß man das Pferd gut mit Stroh abreiben und in Trab halten sollte. Bis Walter endlich zurückkam, war es Mittag geworden. Er schimpfte über alles und jedes, denn er war müde von der außergewöhnlichen geistigen Anstrengung – und hungrig dazu. Er war sich heute seiner Wichtigkeit bewußt und überzeugt, daß er alles richtig gemacht hatte. Nur mit den Rezepturen und Verordnungen, da war er etwas durcheinander gekommen. Er war nämlich nicht der Allerschnellste im Denken, aber so sachbezogene Erscheinungen wie Mariechens Husten und Liesels Futterverweigerung, das brachte er schon in die richtige Reihe. Was machte es da schon aus, wenn er behauptete, daß das Pferd in feuchte Laken gepackt werden müsse und Mariechen mit Stroh abgerieben werden sollte? Die Bäuerin kannte ihn schon von klein auf und wußte alles richtig zu deuten.

Als am Abend der Doktor kam, konnte er Walter nur loben, denn überall hatten sich Besserungen eingestellt. Um den Knopf der Bluse aber, da sollte man sich nicht sorgen. Wahrscheinlich würde ihn aber Frau Supplieth entbehren müssen, es sei denn – sie setzte Kurtchen zwei Tage lang auf’s Töppchen.

Wo er nun aber schon mal da war, der Doktor Kroll, da sollte er sich doch auch gleich mal die Oma ansehen. Die quiemte in letzter Zeit auch so bißchen rum und war auch gar nicht mehr so gut zuweg. Aber das gab eine Überraschung. Der Doktor dachte ja nun, er würde die alte Frau im Bett antreffen, aber i wo doch. Sie hatte sich ihre beste schwarze Bluse angezogen und huckte, im Gesangbuch lesend, in ihrem Ohrenstuhl.

"Aber Herr Dokterche, was soll mich denn schaden", strahlte sie ihn an. "Scheenen Dank auch, daß Se sich so um mir bekümmern, aber zum Sterben hab’ ich jetzt noch keine Zeit nich. Wer soll denn de Hiehner fittern, wer de Katzen und wer de Klucken auffe Eier setzen und de kleinen Keichel im Bett wärmen? Die Kinder verstehen das noch alles nicht so gut."

Der Doktor schmunzelte und wandte ein, daß diese doch bereits in der Lebensmitte ständen, ihre Enkel bereits heirateten und für sie doch jetzt die Zeit gekommen wäre, wo sie auch mal aus Ausruhen denken sollte. Die alte Frau schlug entsetzt die Hände zusammen. "Aber Herr Dokterche, doch nich jetzt, dafür hab ich doch noch Zeit genug, wenn ich tot bin."

Als der Arzt fort war, machte ihr die Tochter Vorwürfe. "Mutterke, waräm häst denn nich gesächt, dat die dat Kriez ömmer so weh deit on du dem Arm nich häwe kannst. Ok dat du önne Nacht kein Oog nich tokrechst?" – "Ower, Marjellke", sagte die Alte, "denkst du denn öck bönn e bätke damlich? Öck weet doch, wat de Doktor koste deit, on Göldke ös schwoar to verdeene. Schöck man de Junges önne Woold, de sulle mi man junge Dannespötzkes hoale und du bringst mi utem Loade e Literke Spirtus. Dat stopp öck denn önne Buddel on vermeng dat mött dem Sprit. Bött öm Harbst ös dat god dorchgetoage on helpt mi bäter als allet Ennriewsel vom Apteker. On wenn öck önne Nacht nich schloape kann, denn segg öck mi alle Bibelverskes opp, on eh öck mi vasehn, fangt de Moarje all an to grue."

Nein, reich konnte ein Arzt auf dem Land nicht werden, denn hier war man sparsam. Man sagte sogar, daß der Bauer eher mit seiner Kuh zum Veterinär ging, als daß er den Doktor für seine Frau holte. Bestimmt waren das aber alles nur Gerüchte.

 

Heilsberger Keilchen

Von GERT O. E. SATTLER

Das Omchen stand am Küchenherde

und kochte Beetenbartsch und Kohl,

sie buk und briet mit Lust und Liebe,

am Herd, da fühlte sie sich wohl.

Was konnte sie nicht alles zaubern

aus einem Endchen Räucherspeck,

allein der Duft im ganzen Hause,

vom Duft allein war man schon weg.

Da gab’s die krossen Bratkartoffeln

mit Gurken, Kürbis, Speck und Ei,

da gab’s den Schmand

und zarten Spirkel

zu Beeten und Kartoffelbrei.

Da gab’s die Keilchen,

die berühmten,

aus Heilsberg,

die mit Räucherspeck,

und wie gesagt, ein Duft im Hause,

vom Duft allein war man schon weg.