19.04.2024

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01.07.00 In Ostpreußen nannte man sie "Schucken" – Kartoffeln wieder beliebter

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 01. Juli 2000


Eine wirklich tolle Knolle
In Ostpreußen nannte man sie "Schucken" – Kartoffeln wieder beliebter

Noch ein Kartoffelchen!" pflegte mein Vater zu sagen, wenn das Überbleibsel des sonntäglichen Schweineschinkens oder die Reste des Gänsebratens abgeräumt wurden. Und er erwischte schnell mit der Gabel eine Kartoffel aus der Schüssel, tunkte sie in das letzte Pfützchen Soße und genoß mit Wonne diese für ihn herrlichste Gaumenfreude.

Nicht nur für ihn und alle Ostpreußen, die ihre "Schucken" innig lieben: Die Kartoffel ist nun einmal der Deutschen liebste Knolle. 70 Kilogramm verzehren wir pro Kopf und Jahr! Und wenn die jungen Kartoffeln aus heimischer Ernte auf den Markt kommen, wird die junge Knolle als Pellkartoffel mit Butter oder Quark zur Delikatesse. Die ersten tauchen ja heutzutage schon vor Ostern auf, sie kommen aus dem Mittelmeerraum, zumeist aus Nordafrika, aber erstens sind sie teuer und zweitens schmecken sie uns eben nicht so wie die in unseren Breiten geernteten.

Es ist noch gar nicht so lange her, da wurde die Kartoffel als Dickmacher verschrien. In Notzeiten unverzichtbares Sättigungsmittel für Millionen – wer die Hungerzeiten durchgemacht hat, weiß, wie jedes noch so kleine Kartoffelchen als Schatz gehütet wurde! – drohte das mit der Sättigung gewachsene Kalorien- und Ernährungsbewußtsein der Kartoffel den Garaus zu machen. Inzwischen hat sich das Blatt zum Glück wieder gewendet und diejenigen, die für ausgewogene und nährstoffreiche Kost eintreten, haben die Kartoffel längst rehabilitiert. Und das zu Recht, denn immerhin haben wir es mit einem fettarmen Energielieferanten zu tun, absolut cholesterinfrei und mit wichtigen Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen unter der Schale. 250 Gramm – das sind etwa drei Kartoffeln – enthalten nur 0,3 Gramm Fett und 210 Kilokalorien.

Auch ist die Zeit, als die Knollen im allgemeinen nur als Beilage wie Salz- oder Pellkartoffeln verwertet wurden, längst vorbei. Heute erscheint sie in über 500 Varianten auf den in- und ausländischen Speisezetteln, angefangen vom luftigen Kartoffelschnee, rustikalen Bratkartoffeln, knusprigen Gratins bis hin zu Omelette, Knödel, Rösti, Puffer & Co., darunter auch so ungewöhnliche Solopartien wie in Torten oder sogar Eis – ein Hit im amerikanischen Kartoffelstaat Idaho. Die bei unseren Kindern so beliebten Pommes frites, kurz "Fritten", ist durchaus keine Erfindung unserer Zeit, der französische Wissenschaftler Antoine Parmentier kreierte sie schon im 18. Jahrhundert. Als besondere Variante der dünnen Kartoffelstäbchen kamen erstmals 1853 die gesalzenen Chips im US-Staat New England auf. Heute sind sie weltweit in aller Munde.

Grund für die Variationsfähigkeit der Kartoffel ist ihr unvergleichlich milder, dezenter Eigengeschmack. So können sie mit den unterschiedlichsten Zutaten immer wieder neu kombiniert werden. Außerdem ist die Vielfalt an Kartoffelsorten groß, sie umfaßt heute rund 130 Sorten. Die wichtigsten Unterscheidungskriterien sind ihre Kocheigenschaften und ihr Reifezeitpunkt. Festkochende Kartoffeln enthalten viel Feuchtigkeit und sind relativ stärkearm, daher ideal für Salate. Vorwiegend festkochende Kartoffeln sind von mittlerer Festigkeit. Mehligkochende Kartoffeln haben den höchsten Stärkeanteil, sie werden gerne für Suppen, Pürees und Knödel genommen.

In der schnellen Küche sind die Kartoffeln die Lieblinge schlechthin. Selbst wenn man auf den eigenen Kartoffelbrei nichts kommen läßt – auch das Flockenpüree aus der Tüte ist qualitativ hochwertig: Im Herbst aus erntefrischen Kartoffeln hergestellt, enthält es im Frühjahr mehr Vitamine als im eigenen Keller eingelagerte Kartoffeln.

Mit dem Einkellern ist das auch so eine Sache. Ohne diesen Zweig der häuslichen Vorratswirtschaft ging es früher nicht, ein Haushalt ohne mehrere Zentner eingelagerter Kartoffeln war undenkbar. Heute sind die meisten Keller viel zu warm, außerdem sind die Haushalte kleiner geworden. Es gibt zu jeder Jahreszeit eine breite Angebotspalette, so daß man sich die Sorte aussuchen kann, die gerade benötigt wird.

Und das sind für uns Ostpreußen die mehligen Kartoffeln, denn die lieben wir besonders. Und außerdem lassen sich davon herrliche Keilchen machen, die wir ja so gerne essen. Am berühmtesten sind die "Heilsberger Keilchen". Unsere Rezeptpalette ist da reich gefächert. Sie reicht von Salaten und Suppen über Flinsen bis zu vielen anderen kulinarischen Köstlichkeiten wie Kartoffelwurst, Balbäuschen, Schmandkartoffeln und Schusterpastete.

 

Hier aber noch kurz das Rezept für
Heilsberger Keilchen:

Man nehme: 1000 g geriebene, rohe Kartoffeln, 350 g geriebene, gekochte Kartoffeln, 2 Eier, 1 Eßl. Mehl oder Kartoffelmehl, 1 Teel. Salz, 2 Eßl. Essig, 125 g Räucherspeck, 2 Zwiebeln, 2 Eßl. Butter.

Die geriebenen, rohen Kartoffeln in einem Tuch auspressen, mit den gekochten, geriebenen und erkalteten Kartoffeln, Eiern, Mehl und Salz zu einem festen Teig verarbeiten. Gut ein Liter Wasser zum Kochen bringen, salzen, die kleinen, länglichen Keilchen mit einem Löffel abstechen und ins leise siedende Wasser geben. Zum Schluß sollen die Keilchen gerade vom Wasser bedeckt sein. Sind sie gar, wird die Brühe mit Salz und Essig abgeschmeckt. Inzwischen haben wir den gewürfelten Speck und die gewürfelten Zwiebeln in etwas Butter kroß gebraten. Sie werden über das Gericht gegeben, das noch mit etwas Butter verfeinert wird. In Heilsberg und Umgebung kannte man das Gericht unter dem Namen "Schucke-Keilche."

Guten Appetit wünscht

Ruth Geede