19.04.2024

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01.07.00 Ospreußisch-schlesischer Granitblock in Herne feierlich eingeweiht

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 01. Juli 2000


Symbol für eine friedvolle Welt
Ospreußisch-schlesischer Granitblock in Herne feierlich eingeweiht

In einer würdigen Feierstunde wurde in Herne ein ostpreußisch-schlesischer Gedenkstein enthüllt. Den Einladungen des Oberbürgermeisters Wolfgang Becker und der drei Heimatvereine Ortelsburg/Ostpreußen, Jauer/Schlesien und Strehlen/Schlesien waren neben dem Stadtrat auch Vertreter der Herner Behörden, polnische Abordnungen mit den Bürgermeistern und Landräten oder deren Stellvertretern aus Ortelsburg und Strehlen, Vorstandsmitglieder des Deutschen Kulturvereins aus Ortelsburg, Herner Bürger sowie hundert Landsleute gefolgt. Musikalisch umrahmt wurde die Feierstunde durch ein Bläser-Ensemble der städtischen Musikschule. In seiner Ansprache begrüßte Oberbürgermeister Becker die polnischen Gäste und wertete ihre Anwesenheit als ein Zeichen für das gute nachbarschaftliche Verhältnis zwischen Deutschen und Polen in dem gemeinsamen Haus Europa, das mehr und mehr Gestalt annimmt. Er unterstrich, daß der Gedenkstein aus schlesischem Granit die Patenschaft der Stadt Herne zu Ortelsburg, Jauer und Strehlen dokumentiert: "Ein Stein, der zugleich Geschichte und menschliches Schicksal widerspiegelt und Symbol sein will für eine friedvolle Welt, für die wir gemeinsam die Verantwortung tragen. Dieser Stein aus massivem Strehlener Granit wird die Generationen, die die Zeit vor 1945 erlebt haben, überdauern. Er wird an sie erinnern und ein Stein des Anstoßes sein, wachsam zu sein gegen alles, was zu Krieg und Vertreibung führen kann."

Anschließend sprach der Kreisvorsitzende der Kreisgemeinschaft Ortelsburg, Edelfried Baginski, im Namen der drei Heimatvereine. Einleitend dankte er allen, die zum Gelingen der Aufstellung und Einweihung des Gedenksteins beigetragen haben. Dazu gehören besonders der Herner Stadtrat mit Oberbürgermeister Becker, der Bürgermeister von Strehlen, Herr Ryszard Horzaniecki, der den über 4 Tonnen schweren Granitstein aus den dortigen Steinbrüchen den Heimatvertriebenen schenkte, sowie der Steinbildhauer Rainer Zacharzewski aus Gelsenkirchen, der den Rohling mit einer erstklassigen und kunstvollen handwerklichen Arbeit gestaltet hat.

Im Mittelpunkt der Rede von Baginski stand aber das Gedenken an die Heimat im Osten und an ihre Menschen. Er erinnerte an das weite Land ostwärts von Oder und Neiße. Er betonte, daß man die Schuld durch die Entfesselung des Zweiten Weltkrieges nicht leugnen dürfe. Doch daraus dürfe man nicht die Vertreibung ableiten, begründen und entschuldigen: "Es gibt eine Fülle von Dokumentationen und Berichten über die Flucht und Vertreibung von über 12 Millionen Deutschen aus ihrer angestammten Heimat, aus ihren Häusern, Wohnungen und Höfen. Über zwei Millionen – meist die Schwachen: Frauen, Kinder und Greise – sind dabei unter zum Teil grauenhaften Umständen ums Leben gekommen. Diese Erinnerung wollen wir bewahren – um der Gerechtigkeit willen."

Er erwähnte weiter die Schwierigkeiten der Aufnahme dieser ausgemergelten und entmutigten Menschen im Deutschland der vier Besatzungszonen und die vorbildliche Solidarität der Stadt Herne, die bereits 1951 die Patenschaft für Strehlen und 1952 für Jauer übernommen hat. Dazu erläuterte er die Aufgaben einer Patenschaft. Zum Schluß sagte er: "Heimat mit ihrer Geborgenheit durch Krieg und Gewalt zu verlieren, kann nur der ermessen, der es erlitten hat. Es ist ein ermutigendes Zeichen, daß sich das Recht auf die Heimat international durchsetzt. Wir Heimatvertriebenen lieben unsere alte Heimat, aber wir respektieren auch die Rechte und die Würde der Menschen, die jetzt dort leben. Und wir wollen nicht, daß andere Menschen je vertrieben werden. Die Charta der deutschen Heimatvertriebenen, die in diesem Jahr 50 Jahre alt wird, ist unverändert aktuell. Seit vielen Jahren arbeiten wir an Freundschaft und Versöhnung mit unseren polnischen Nachbarn. Versöhnung kann aber nicht durch Verdrängung historischer Fakten erreicht werden, wie die deutschen Bischöfe zum 40. Jahrestag dieser Charta schrieben. Versöhnung kann nur durch Vergebung wachsen. Auf beiden Seiten gab es Täter und Opfer. Versöhnung und Geschichte annehmen heißt auch, die 700jährige deutsche Geschichte Ostpreußens und Schlesiens miteinzuschließen und die Begegnung und Freundschaft mit den Menschen, die heute dort zu Hause sind, zu fördern. Seit über 10 Jahren können wir ungehindert in unsere Heimat reisen und nehmen Anteil an ihrer Weiterentwicklung. Wer hätte es vor 10 Jahren für möglich gehalten, daß ein polnischer Bürgermeister den deutschen Heimatvertriebenen einen solchen Granitstein schenkt zum Gedenken an die alte Heimat? Dies ist ein großartiges Zeichen der Versöhnung und der Hoffnung, wie auch unsere Zukunftshoffnungen auf der Europäischen Gemeinschaft ruhen, die nicht nur Wirtschaftsgemeinschaft sein soll, sondern auch eine Wertegemeinschaft für Demokratie, Humanismus und Menschenrechte."

Nach ihm sprach der Bürgermeister von Strehlen ein eindrucksvolles Grußwort: "Hätte es das größte Drama der Menschheit des letzten Jahrhunderts nicht gegeben, würden wir heute sicher nicht hier in Herne stehen. Ich und meine Altersgenossen aus Polen und Deutschland haben den Krieg nicht erlebt. Wir kennen diesen Schmerz und diese Demütigung nicht, die unsere Großeltern und Eltern erlebt haben. Wir wissen nicht, was es bedeutet, sein ganzes Hab und Gut, seine Tradition und seine Träume zu verlieren. Es ist eine große Ehre für mich, daß ich heute hier als Bürgermeister der Stadt Strehlen gemeinsam mit Ihnen an der Einweihung dieses Gedenksteins teilnehmen kann. Wenn ich heute die ehemaligen Strehlener beschreiben sollte, würde ich sagen: Menschen, die entwurzelt wurden. Menschen, denen ihr väterliches Erbe genommen wurde. Menschen, deren Vorfahren in Orten, die heute nicht mehr erkennbar sind, beerdigt wurden. Möge die Freundschaft zwischen den ehemaligen und jetzigen Einwohnern von Strehlen so stark werden, wie der Granit, auf dem vor über 700 Jahren unsere Heimatstadt entstanden ist."

Danach wurde der bis dahin verkleidete Gedenkstein feierlich enthüllt. Die anschließende Totenehrung mit Gebet wurde von zwei Geistlichen gesprochen. Es folgte ein Empfang in den Heimatstuben. Bei Kaffee und Kuchen und anderen Getränken bot sich die Gelegenheit zum Gedankenaustausch und zum Besichtigen der liebevoll gesammelten Exponate, und auch die polnischen Abordnungen waren von deren Fülle und Qualität sichtlich beeindruckt. Man saß noch bis in den späten Abend harmonisch zusammen. Dieses erfreuliche Ereignis beweist die friedensstiftende und völkerverbindende Arbeit der Heimatkreisgemeinschaften abseits der hohen Politik, und daß es auch heute noch durch vertrauensvolles und freundschaftliches Zusammenwirken von Patenstadt, Heimatvertriebenen und polnischen Partnern möglich ist, der ostdeutschen Heimat ein Denkmal zu setzen. E.B.