29.03.2024

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22.07.00 Winkelzüge

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 22. Juli 2000


Winkelzüge
Von Peter Fischer

Der sowjetische Chefankläger in Nürnberg, General Rudenko, verzog keine Miene, als während des völkerrechtlich vollkommen zweifelhaften Verfahrens die Rede auf die Verbrechen von Katyn kam, die selbstverständlich vorerst zu deutschen Lasten gingen. Natürlich war Rudenko über die blutigen Aktionen seines beispiellos mörderischen Generalissimus informiert. Aber im Soge der summarischen Siegerabrechnung segelten die Sowjets in der Gewißheit mit, daß ohnehin keiner für die Besiegten in die Bresche springen würde.

Wenn Prag jetzt in diesen Tagen über einen Washingtoner Freibrief in Sachen Vertreibung Sudetendeutscher jubiliert, so erinnert dies fatal an die Nürnberger Vorgänge: man wähnt sich im Bunde mit der gemachten Meinung der Welt, der bekanntlich schon deswegen nicht widersprochen wird, weil politisch geformte Meinungen auch machtpolitisch gemeinte Absichten und Ziele unterstreichen sollen.

Was war in Washington geschehen? Dort entsprach man einer "Bitte" der gegenwärtigen Führungsschicht Prags in einer diplomatischen Note, indem man "Entscheidungen, die die Folgen des Zweiten Weltkrieges regelten", als sogenannte "historische Tatsachen" bewertete, die nicht mehr infrage gestellt werden sollten. Im Klartext bedeutet dies, daß sich die USA, insonderheit unter der Federführung der Person Madeleine Albrights, mit großer Eindeutigkeit und unter deutlicher Brüskierung aller bisherigen militärischen und politischen Bündnisse mit der Bundesrepublik auf die Seite der  Nachkriegsentscheidungsdekrete des tschechischen Präsidenten Benesch stellen, die zugleich die rechtliche Grundlage für die Vertreibung von über 3,5 Millionen Sudetendeutschen lieferten. Ein kühl kalkulierter Schachzug Prags, der zugleich die tatsächlichen Fronten zwischen Berlin und Washington scharf konturiert und der bislang erwartungsgemäß in bundesdeutscher Manier mit Demut getragen wird.

Niemand, auch die Bundesre publik Deutschland nicht, ist genötigt, solch offenkundige Verstöße gegen das Völkerrecht hinzunehmen oder nicht daraus politische Schlüsse für die Zukunft zu ziehen. Es entspräche gerade auch in diesen Zeiten einem Staatsgebilde von mehr als 80 Millionen ebenso wie beispielsweise einem von zwei Millionen, wenn Demütigungen nicht hingenommen würden, sondern eine angemessene Antwort (ohne Pulver und Blei) fänden. Dafür sind die moralischen oder wirtschaftlichen Wände der hier in Rede stehenden Gruppierungen viel zu dünn, als daß solche Spiele auf immer und ewig unbeantwortet bleiben müßten. So aber darf ausgerechnet das frühere tschecho-slowakische Zentralorgan der Kommunistischen Partei "Pravo" unter Bezugnahme auf diese US-amerikanischen Avancen triumphierend schreiben, daß "Washington eine Bestätigung für die Rechtmäßigkeit der Enteignung der Sudetendeutschen" geboten habe.

Neben Ministerpräsident Mi los Zeman sekundierte auch der Chef des Außenpolitischen Parlamentsausschusses Jan Zahradil, indem er meinte, die USA hätten einen "dicken Strich durch die Rechnung der Sudetendeutschen gemacht". Es verwundert auch wenig, wenn der EU-Anwärterstaat Tschechei, der längst zum Kostgänger deutscher Steuerzahler geworden ist, über jenen Jan Zahradil an EU-Parlamentarier herantreten möchte, damit sie "sich nicht dem Druck der sudetendeutschen Lobby beugen". Prags politische Fachleute, die wahrscheinlich von bestimmten Flügeln Washingtons einschlägig beraten werden, haben sogar die Möglichkeit einer "künftig denkbaren Kanzlerschaft Edmund Stoibers" ins Kalkül gezogen, von dem sie befürchten, er könne möglicherweise die abschüssige Bahn jedweder Tolerierung tschechischer Vorstöße verlassen.

Die von Madeleine Albright gegebene tschechische Ermutigung in Sachen Benesch-Dekrete wirft naturgemäß neuerlich die Frage nach der deutschen Ausrichtung auf. Bleibt doch unverkennbar, daß das gezielt dirigistische Element amerikanischer Außenpolitik in Europa sich wenig an Bündnispartnern, dafür aber viel an eigenen Interessen ausrichtet. Hierzu gehört offenbar wohl auch das Fördern von alten Vorbehalten, wie sie sich in dem vergleichsweise "engen" Europa und seiner hautnahen Geschichte wohl mühelos jenseits von Völkerrecht aufrechterhalten lassen.