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22.07.00 Die Erlebnisse des Weltumseglers Georg Forster

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 22. Juli 2000


Zauberwort Tahiti
Die Erlebnisse des Weltumseglers Georg Forster

Ich bin mehrmals in Gesellschaft von 1 oder 2 Männern tiefer in das Land hineingezogen; es schien mir der Garten Eden zu sein", beschrieb Louis Antoine de Bougainville (1729-1811) in seiner "Reise um die Welt" 1768 den Besuch auf Tahiti. "Man sah die schönsten Wiesen, mit den herrlichsten Fruchtbäumen besetzt und von kleinen Flüssen durchschnitten, welche allenthalben eine köstliche Frische verbreiteten, ohne die Unannehmlichkeiten, welche die Feuchtigkeit sonst mit sich bringt. Ein recht großes Volk genießt hier die Schätze, welche die Natur ihm in so reichem Maße austeilt. Wir fanden Gruppen von Weibern und Männern im Schatten der Fruchtbäume sitzen, welche uns freundschaftlich grüßten; die uns begegneten, traten auf die Seite, um uns Platz zu machen. Allenthalben herrschten Gastfreiheit, Ruhe, sanfte Freude, und dem Anschein nach waren die Einwohner sehr glücklich ..."

Die damalige Welt war begeistert: man hatte mit der Südseeinsel Tahiti das Paradies auf Erden entdeckt. – Ein Mythos, der sich bis in unsere Tage gehalten hat. – Auch der Übersetzer von Bougainvilles Reisebeschreibung, der 1754 in Hochzeit bei Danzig geborene Johann Georg Forster (†1794 in Paris), war fasziniert. Tag und Nacht hatte er an der Übersetzung gesessen, sie Anfang 1772 beendet. Nur wenige Monate später sollte er sich selbst – zusammen mit seinem Vater Reinhold Forster (*1729 in Dirschau, †1798 in Halle) – auf die Reise in die Südsee begeben. Die beiden Wissenschaftler sollten Kapitän James Cook auf seiner zweiten Reise begleiten. Schon auf seiner ersten Reise 1768 hatte er den geheimen Auftrag erfüllen sollen, den geheimnisvollen Südkontinent zu suchen und bis zum 40. Grad südlicher Breite vorzudringen. Über Tahiti war Cook bis an seine Grenzen vorgestoßen, hatte jedoch am 40. Breitengrad kein Land gefunden und war 1771 nach England zurückgekehrt.

Am 13. Juli 1772 stach er mit der "Resolution" (in Begleitung der "Adventure") wieder in See. Mit an Bord Vater und Sohn Forster, die über die Reise berichten sollten. Nach drei Jahren und 18 Tagen und nachdem man über 300 000 Kilometer zurückgelegt hatte, kehrte man am 29. Juli 1775 nach England zurück. Die Ausbeute der abenteuerlichen Reise: 270 neu entdeckte Pflanzen, 241 Tiere, darunter 13 Säuger, 139 Vögel, acht Amphibien, 72 Fische und neun Mollusken. "Nebenbei" entdeckten die Forsters auch den einheitlichen Aufbau von Atollen und erklärten Naturphänomene wie das Leuchten des Wassers. Den sagenhaften Südkontinent allerdings fand man nicht. Eine gewaltige Eiswand hatte die Weiterfahrt der "Resolution" nach Süden verhindert, dahinter jedoch vermutete man ein riesiges Festlandmassiv. Eine Vermutung, die sich mit der Entdeckung der Antarktis sehr viel später bestätigen sollte.

Mythos Tahiti – bis heute sind die Menschen von dieser Insel in der Südsee fasziniert, träumen von endlosen, weißen Stränden, von hohen Palmen, die in einen tiefblauen Himmel ragen, von freundlichen, immer lächelnden Menschen, die kein Arg kennen. Georg Forster wird sich schnell darüber klar, wie falsch diese Vorstellung vom Traum der Südsee ist. "Tahiti war das Zauberwort. Dabei wäre ein unentdecktes Eiland viel eher geeignet gewesen, Ufer individueller Träume zu sein, dachte Georg. Aber Tahiti war das Häufchen Erde, war das winzige bißchen Wirklichkeit für die Sehnsüchte." Lebendig schildert Andreas Kollender in seinem Roman Teori (dtv, 220 Seiten, engl. Broschur, 28 DM) die Erlebnisse und Zweifel des jungen Forschers. – "Teori" bedeutet übrigens Georg auf tahitianisch, und Forster selbst hat diesen Namen in einer überlieferten poetischen Skizze hinterlassen.

Was sich wie ein spannender Abenteuerroman liest, entpuppt sich bald als eine Schilderung der Entwicklung eines jungen Mannes. Erste Zweifel am Sinn der Expedition tauchen auf; Forster sieht die "Resolution" bald als "schwimmenden englischen Gedanken, nach dem hier auf den Inseln niemand gefragt hatte". Es sind dies die ersten Anzeichen eines kritischen Menschen, zu dem Georg Forster sich entwickeln wird, des Aufklärers, der gegen jede Form der Unterdrückung kämpfen wird.

"Teori" ist ein spannendes Buch, das sich auf authentische Begebenheiten stützt. Viele Schilderungen sind durch Augenzeugen belegt, so das ungebührliche Verhalten Reinhold Forsters zu Beginn der Reise, der sich über die zu kleine Kabine beschwert; eine Kabine, die er mit seinem Sohn teilen muß und in der beide auch arbeiten sollen. An der Kabinengröße läßt sich nichts ändern, schließlich ist die "Resolution" ein alter umgebauter Kohletransporter mit wenig Tiefgang, keine 34 Meter lang und keine zehn Meter breit. Besonders beeindruckend sind Kollenders Schilderungen eines Sturms zu Beginn der Reise; der Leser fühlt sich geradezu inmitten des bewegten Geschehens. Auch die Entwicklung des ganz normalen alltäglichen Wahnsinns an Bord eines Schiffes, dessen Mannschaft drei Jahre unter oft unmenschlichen Bedingungen unterwegs ist, kann durchaus nachvollzogen werden. – "Wir wollten die Südsee erforschen, Terra Australis suchen, dachte Georg, jetzt sind wir an dem Punkt der Reise angekommen, an dem wir diskutieren, Frauen zu verspeisen."

Ein lesenswertes Buch, das Lust macht auf mehr Informationen. Die sind zu finden in der 1996 bei Eichborn herausgekommenen Biographie von Ulrich Enzensberger "Georg Forster – Ein Leben in Scherben".

Forster, der sich selbst einmal als "inkonsequent und inkalkulabel" bezeichnete, hat einst formuliert, was einen schöpferischen Menschen ausmache: "Dem wahren, schöpferischen Geiste genügt es nicht, alles bilden zu können, was ihm einfällt; er will darstellen, was anderen zu denken gibt und womit sich ihre Phantasie vorzugsweise beschäftigt. Könnte man doch auch unseren Dichterlingen so etwas begreiflich machen." – Andreas Kollender hat diese Lektion zweifellos gelernt. Silke Osman