29.03.2024

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22.07.00 Humanitäre Hilfsaktion verbessert die Ernährungslage von hilfsbedürftigen Familien

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 22. Juli 2000


Eine eigene Kuh bedeutet Hoffnung
Humanitäre Hilfsaktion verbessert die Ernährungslage von hilfsbedürftigen Familien

Gumbinnen – Sonne in Schulzenwalde (Buylien) im Königsberger Gebiet: Vor den Stallungen eines Bauernhofes dösen 19 Kälber – sichtbar zufrieden. Zufrieden macht dieser Anblick auch die Reisegruppe der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde Kiel-Holtenau. Sie besucht ihre Partnergemeinde Gumbinnen nun schon zum zweiten Mal, nachdem diese Partnerschaft 1998 offiziell von beiden Kirchenvorständen beschlossen worden war. Neben gegenseitigem Kennenlernen geht es dabei auch um konkrete humanitäre Hilfe. So wird die Arbeit der Gemeindeschwestern unterstützt, Weihnachtspakete werden gepackt und diesmal konnten sogar Spenden für den Kauf von Säuglingsnahrung übergeben werden.

Das bisher größte Projekt ist jedoch die Aktion "Kuh für Königsberg". Gemeinsam mit dem schleswig-holsteinischen Ministerium für ländliche Räume, dem Bauernverband und der Landwirtschaftskammer hatten die Mitglieder der Kieler Kirchengemeinde um Spenden gebeten. "Hilfe zur Selbsthilfe" lautete das Motto, und die Resonanz war gewaltig. Im November letzten Jahres gingen schließlich 19 Kühe (18 Angliter und eine Rot-Bunte) auf die Reise. Mittlerweile sind auch schon 19 Kälber da. Das Erstgeborene haben die Melkerinnen auf den Namen "Putin" getauft. Es wurde am Tag der Amtsübernahme des russischen Präsidenten geboren. Kühe und Kälber stehen gut im Futter und sind kerngesund. Den Nachwuchs bekommen dann weitere Familien, so daß der Kreis der bedürftigen Empfänger jedes Jahr wachsen kann: eine soziale Kettenreaktion der Hilfe zur Selbsthilfe.

Wie vorgesehen werden die Tiere jetzt, nachdem sie in den Wintermonaten gemeinsam versorgt wurden, bedürftigen Familien im Königsberger Gebiet übergeben. Die Milch dieser Kühe ist dann gerade für die kinderreichen Familien eine wichtige Ernährungsgrundlage. Die Verteilung organisiert Heye Osterwald, Pastor der Kieler Partnergemeinde. Über den bisherigen Erfolg ist er genauso froh wie Rüdiger von Plüskow, Staatssekretär im Ministerium für ländliche Räume in Schleswig-Holstein, der die Kirchengemeindemitglieder zusammen mit seiner Frau auf dieser Reise begleitete.

Was sind das für Familien, die unterstützt werden? Da ist zum Beispiel die Familie Lydia und Alexander Kern. Sie kamen vor einem halben Jahr aus Kasachstan und leben jetzt in Tollmingen mit drei Generationen (zehn Personen) unter einem Dach. Die Männer arbeiten in einer Kolchose, der geringe Lohn reicht jedoch nicht zum Leben. Im Garten werden deshalb Kartoffeln und Gemüse angebaut. Der Garten muß vor nächtlichen Diebstählen bewacht werden. Aber nicht immer gelingt es, die Früchte der harten Arbeit selbst zu ernten. Eine eigene Kuh bedeutet für die Familie, besonders für die drei kleinen Enkelkinder im Alter von eins bis vier Jahren, eine wichtige Bereicherung des täglichen Speiseplans: regelmäßig frische Milch, Käse und Sahne. Werden die eigenen Vorräte in den langen Wintern knapp, bleibt die Kuh Garant für die Versorgung mit den täglichen Grundbedürfnissen.

Um eine Kuh auch im Winter vernünftig halten und pflegen zu können, braucht man einen Stall. Die Familie Waldemar und Ludmilla Utterberg lebt mit ihren Kindern in Heinrichswalde in einem kleinen, baufälligen Haus, zu dem auch ein Stall gehört. Waldemar Utterberg ist ein fleißiger Familienvater, der harte Arbeit gewohnt ist. Zur Zeit versucht er den Lebensunterhalt durch Gelegenheitsarbeit zu sichern, denn feste Arbeitsplätze gibt es in dieser Region so gut wie gar nicht. Er beteiligt sich sehr aktiv am Leben der Kirchengemeinde und hilft freiwillig, wo er kann. Eine eigene Kuh bedeutet Hoffnung für die ganze Familie.

Auch dort, wo die Voraussetzungen für eine eigene Kuh noch nicht gegeben sind, sollen kinderreiche Familien regelmäßig Milch erhalten, wie zum Beispiel die Familie Valentin und Irina Masolt in Schulzenwalde mit ihren acht (bald neun) Kindern.

Die Tage in Gumbinnen verflogen in Windeseile. Abschließend feierten die beiden Pastoren Heye Osterwald, Gumbinnen, und Axel Matyba, Holtenau, mit ihrem litauischen Kollegen Vaidas Gediminas einen gemeinsamen deutsch-russisch-litauischen Gottesdienst in der überfüllten Salzburger Kirche. Aus vielen der 17 Dorfgemeinden, für die Heye Osterwald auch noch zuständig ist, kamen Menschen. Und da auch Mitglieder einer litauischen Gemeinde zu Gast waren, wurde der Gottesdienst zu einem Fest der Begegnung, das mit einem gemeinsamen Mittagessen endete.

"Vergeßt uns nicht, kommt wieder" – dieser Wunsch hat die Kieler im nördlichen Ostpreußen immer begleitet. Und als sie nach Memel fuhren, um das Schiff zurück nach Kiel zu besteigen, war eines klar: "Wir sehen uns wieder – in Gumbinnen und Kiel. Bei Milch, Musik und ..." Jochen Hinz / A. M.