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29.07.00 USA und Rußland ringen um die Erdölvorräte der Region

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 29. Juli 2000


Großmachtpolitik: Kampf in Zentralasien entbrannt
USA und Rußland ringen um die Erdölvorräte der Region
Von Stefan Gellner

Nicht nur im Kaukasus, sondern auch in Zentralasien versuchen die USA seit dem Ende des Kalten Krieges ihren Einfluß auf die ölreichen ehemaligen Sowjetrepubliken der Region, die jetzt muslimische Staaten sind, mehr und mehr auszudehnen. Da Rußland nicht willens ist, seine Dominanz in dieser Region zu vermindern, droht auch hier, ähnlich wie im Kaukasus, ein massiver Interessenkonflikt.

Auch wenn die zentralasiatischen Staaten im anstehenden US-Präsidentschaftswahlkampf kaum eine Rolle spielen dürften, werden sie nach Auffassung vieler außenpolitischer Experten in den USA in den geostrategischen Überlegungen der nächsten Regierung eine herausragende Rolle spielen. Dies gilt vor allem seit der Entdeckung eines großen Ölfeldes in dem zu Kasachstan gehörigen Teil des Kaspischen Meeres Mitte Mai des Jahres.

Die derzeit in den USA geführten Diskussionen im Hinblick auf Zentralasien, die sich in der Regel um Pipelineverbindungen für Erdöl oder Erdgas drehen, erinnern mehr und mehr an die unnachgiebigen Auseinandersetzungen zwischen dem zaristischen Rußland und England um diese Region im 19. Jahrhundert. Bei dem damaligen "Großen Spiel" ging es zuvorderst um die Kontrolle der Gebirgspässe nach Indien. Heute geht es um die Sicherung und Förderung der (vermuteten) reichhaltigen Erdöl- und Erdgasreserven.

Diese Gemengelage wird durch Grenzstreitigkeiten, Terrorismus und Drogenhandel weiter verschärft. Insbesondere militante islamistische Gruppierungen, die separatistische Ziele verfolgen und in ihren Bestrebungen von der afghanischen Taliban-Regierung bzw. dem saudiarabischen Terroristen Osama bin Laden unterstützt werden, tragen zur Destabilisierung dieser Region bei.

Dazu kommt, daß angrenzende Regionalmächte wie die Türkei oder der Iran ebenfalls ihren Einfluß in Zentralasien auszudehnen versuchen. Bevorzugte Mittel zur Erreichung dieses Zieles sind entweder der Ausbau der wirtschaftlichen Zusammenarbeit oder der Abschluß von Sicherheitspartnerschaften.

Daß diese Entwicklungen auch an Indien nicht spurlos vorübergehen, versteht sich von selbst. Schon aufgrund der Gefahr, daß sich der islamistische Terrorismus auf Indien ausdehnen könnte, ist Indien gezwungen, ein hellwaches Auge auf Zentralasien zu haben. Dieser Hintergrund erklärt auch die engere Zusammenarbeit mit der (prowestlichen) Türkei, die eigentlich ein traditioneller Verbündeter Pakistans ist.

Die Auswirkungen der Rivalität mit Rußland in Zentralasien werden in den USA nicht unkritisch gesehen. Bereits 1992 beschuldigte der heutige US-Vizepräsident Al Gore den damaligen Präsidenten George Bush, korrupten Führern aus der Sowjetära das Weiße Haus zu öffnen. Bush verhätschele, so Gore, Diktatoren.

Derartige Bedenken plagen heute weder Clinton noch Gore, obwohl alle Staaten Zentralasiens im Menschenrechtsbericht des Jahres 1999 des State Departements aufgeführt werden. Korruption, Rechtsbeugung und Wahlbetrug werden in diesem Bericht angeprangert. Insbesondere der aserbaidschanische Präsident Alijew, der turkmenische Präsident Nijazow und der usbekische Präsident Karimow werden beschuldigt, sowjetähnliche Polizeistaaten installiert zu haben, in denen oppositionelle Gruppen unterdrückt werden und Wahlbetrug an der Tagesordnung sei.

Die US-Regierung versucht ihr Engagement mit dem Hinweis darauf, daß sie sich für demokratische Reformen in diesen Staaten einsetze, in einem milderen Licht erscheinen zu lassen. In der Tat forderte eine US-Delegation, bestehend aus US-Außenministerin Albright, CIA-Direktor George Tenet und FBI-Chef Louis Freeh, bei ihrer jüngsten Visite durch die Staaten Zentralasiens dazu auf, ihre "Menschenrechtsbilanz" zu verbessern. Außenpolitische Experten der USA halten derartige Initiativen für Zeitverschwendung und sehen in ihnen bestenfalls "Kosmetik".

Des weiteren sehen sie einen Wettbewerbsvorteil Rußlands aufgrund der vorhandenen traditionellen Bindungen und der räumlichen Nähe zu Zentralasien. Der Politikwissenschaftler Amos Perlmutter, um hier nur eine Stimme zu nennen, verweist darauf, daß die zentralasiatische Region seit dem 19. Jahrhundert unter russischem Einfluß stehe: "Die Nachfolgestaaten Kasachstan, Aserbaidschan, Turkmenistan, Tadschikistan, Georgien werden von Mitgliedern der früheren kommunistischen Partei regiert ... Ihre Herrschaftsform ist autokratisch bzw., im Falle Kasachstans, kleptokratisch. Präsident Nasarbajew und seine Familie beherrschen die ökonomischen Ressourcen des Staates."

Offiziell versuchen die USA, ihr Engagement in Zentralasien herunterzuspielen. So erklärte John Wolf, Clintons Hauptratgeber in zentralasiatischen Fragen, sinngemäß: Das Engagement der USA sei keine Neuauflage des "Großen Spiels" und kein James-Bond-Film. Die US-Initiativen seien auf die Entwicklung der ökonomischen und politischen Zukunft der zentralasiatischen Staaten ausgerichtet.

Es wäre schon ein Novum in der Geschichte der Außenpolitik der USA, wenn die USA im Hinblick auf Zentralasien plötzlich altruistische Motive verfolgen würden. Das Gegenteil ist der Fall. Spätestens seit Entdeckung der gewaltigen Erdölvorräte im Kaspischen Meer im Mai hat eine fieberhafte Diplomatie eingesetzt. Alles Hinweise darauf, daß das "Große Spiel" um die zentralasiatischen Energiereserven gerade erst begonnen hat.