19.04.2024

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05.08.00 Schnittpunkt der Religionen: Himmlisches und irdisches Jerusalem

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 05. August 2000


Schnittpunkt der Religionen: Himmlisches und irdisches Jerusalem
Nahost-Gipfel am Ort von Verheißungen und Prophezeiungen gescheitert

Folgt man der Berichterstattung über den Nahost-Gipfel, dann soll der Streit um den künftigen Status von Jerusalem der entscheidende Grund für das Scheitern der Verhandlungen gewesen sein. In palästinensischen Kreisen hieß es, Arafat seit wütend über die anhaltende Weigerung des israelischen Staatschefs Ehud Barak gewesen, den Palästinensern Souveränität über die gesamte Altstadt von Jerusalem, zumindest jedoch über die Heiligen Stätten der Moslems und Christen, zu gewähren.

Daß Barak in dieser Frage keine Kompromisse machen konnte oder wollte, hängt sicherlich nicht nur mit der unnachgiebigen Haltung der orthodoxen Juden oder mit der Morddrohung aus den Reihen der verbotenen Kach-Bewegung zusammen. Immerhin hatte Barak den Palästinensern die Souveränität über einige mehrheitlich von Arabern bewohnte Stadtviertel von Jerusalem in Aussicht gestellt, was wohl bedeutet, daß er Kenntnis von der Not Arafats besitzt, wie umgekehrt dieser weiß, daß der Spielraum Baraks gering ist.

Das Insistieren des Palästinenser-Präsidenten Arafat auf die Altstadt von Jerusalem erklärt sich aus der Tatsache, daß die Altstadt Jerusalems und die arabischen Vororte während des Sechs-Tage-Krieges im Juni 1967 von Israel besetzt worden sind. Die Israelis haben dann widerrechtlich ganz Jerusalem zu einer Verwaltungseinheit zusammengefaßt. Genau diesen Zustand wünscht Arafat, jetzt rückgängig zu machen. Zum israelischen Staatsgebiet gehören völkerrechtlich gesehen nur die Vorstädte Jerusalems im Norden und Westen sowie der südwestliche Hügel der Stadt. Will man die jüdische Verhandlungsposition verstehen, ist es nützlich, das Augenmerk darauf zu lenken, daß die Bedeutung Jerusalems für die gläubigen Juden weit über das "diesseitige" Jerusalem hinausgeht. Für das Judentum stellt Jerusalem seit drei Jahrtausenden das Zentrum des jüdischen Glaubens dar. Gerade in der Zeit der Diaspora, die nach der römischen Eroberung Jerusalems 70 n. Chr. die Juden in alle Welt verstreute, wurde Jerusalem zum Sinnbild des Willens der Juden, in ihr Land zurückzukehren. Aus dieser Zeit stammt auch die ständig wiederholte Willensbekundung: "Nächstes Jahr in Jerusalem". Jerusalem, das ist für die Juden das einzige Überbleibsel des Salomo-Tempels, der einst auf dem Berg Moria stand. Dieser Tempelrest ("Klagemauer") stellt seit 19 Jahrhunderten der Mittelpunkt der Gebete der Juden dar. Jerusalem soll darüber hinaus auch der Ort des Grabes Davids auf dem Zionsberg sein, und der alte Friedhof auf dem Ölberg gehört zu der Stätte, wo Juden sich seit Jahrhunderten bestatten lassen. Doch Jerusalem hat nicht nur, wie oben bereits angedeutet, eine Diesseitsperspektive. Im Spätjudentum rückten aufgrund der von Theodor Herzl begründeten Rückkehrabsichten mehr und mehr Vorstellungen vom "himmlischen Jerusalem" an die Stelle des "irdischen Jerusalem". Das "himmlische Jerusalem", das ist die Stadt, die vom Anbeginn der Zeiten bei Gott weilt, die mit oder durch den ersehnten Messias auf die Erde kommen würde, und die die Hoffnung auf ein zukünftiges Leben wachhält. Das Band, das das "irdische" und das "himmlische" Jerusalem zusammenhält, ist die jüdische Ursehnsucht, die in der Vorstellung kulminiert, für "immer und ewig in der Nähe Gottes wohnen" zu können. Diese religiösen Vorstellungen mischten sich gelegentlich auch mit politischen, die in der Vorstellung von Jerusalem als zukünftiger Welthauptstadt einmündeten.

Daß Jerusalem selbstverständlich auch für Christen und Muslime von herausragender Bedeutung ist, ergibt sich aus der historischen und theologischen Nähe dieser drei großen monotheistischen Buchreligionen. Für die Christen ist Jerusalem der Ort, an dem Jesus lebte, predigte und auferstanden ist. Auch wenn aus christlicher Sicht dem "himmlischen Jerusalem" größere Bedeutung als dem "irdischen" zukommt, übt die Stadt nach wie vor große Anziehungskraft auf Christen aus. Viele Christen reisen noch immer in der Hoffnung nach Jerusalem, Gott dort näher kommen zu können.

Nach islamischer Vorstellung wurde der Prophet Mohammed durch ein Wunder von Mekka nach Jerusalem versetzt, von wo aus er zum Himmel hinaufstieg. Felsendom und Al-Aksa-Moschee ("Die Ferne"), beide im siebten Jahrhundert erbaut, sind Hinweise darauf, daß aus islamischer Sicht Jerusalem als jener "ferne Ort" gedeutet wird, der im Koran angesprochen wird. Jerusalem ist damit wie Mekka und Medina für die Muslime aus aller Welt ein heiliger Ort. Stefan Gellner