17.04.2024

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12.08.00 Weichen auf Nach-Kohl-Ära stellen

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 12. August 2000


Gedanken zur Zeit: Mut zum Nationalstaat
Weichen auf Nach-Kohl-Ära stellen
Von Wilfried Böhm

Es gibt in Deutschland, anders als in fast allen europäischen Staaten, keine konservative Partei im demokratischen Spektrum. Die CDU ist es nicht, denn nach ihrem Selbstverständnis ist sie eine Volkspartei aus Christlich-Sozialen beider Konfessionen, Liberalen und Konservativen. Sie war erfolgreich, solange sich diese Tradition in ihr politisch und personell im Gleichgewicht befand, und für die Union das allem übergeordnete Ziel die Bewahrung der Freiheit und die Abwehr des Sozialismus war.

Angesichts der weltpolitischen Herausforderung durch den atomar bewaffneten sowjetischen Kommunismus war für Deutschland Adenauers Westbindung ebenso richtig wie Ehrhards soziale Ausrichtung der Marktwirtschaft. So konnten das Bündnis mit den USA und die europäische Westbindung die äußere und innere Sicherheit des Teiles Deutschlands herstellen, der nach dem Zweiten Weltkrieg dem unmittelbaren Zugriff Moskaus nicht ausgeliefert worden war. Auf der Grundlage dieser Politik wurde die Chance zur deutschen Wiedervereinigung gewahrt. Es dauerte vierzig Jahre, bis im Zusammenhang mit dem ideologischen, wirtschaftlichen und politischem Zusammenbruch des Kommunismus die freiheitliche deutsche Revolution in der DDR deren Beitritt zur Bundesrepublik Deutschland ermöglichte.

Das Zusammenspiel von "Eisernem Vorhang", Kaltem Krieg , 68er-Libertinage und euro-ideologischer Westbindung machten aus der Bonner Republik den östlichsten Staat Westeuropas, in dem gewollt und ungewollt verdrängt wurde, daß er geopolitisch und kultur-historisch die westliche Mitte Europas ist. Die CDU hat, trotz Wiedervereinigungsrethorik, bei der jährlichen Wiederkehr von 17. Juni und 13. August im großen und ganzen diese Verdrängung mitgestaltet, mitgetragen oder auch nur ertragen, was nach dem Beginn der Kanzlerschaft Helmut Kohls mehr als deutlich wurde. Noch 1988 sprach Kohl davon, daß die deutsche Einheit nicht auf der Tagesordnung der Weltpolitik stünde. Als die Deutschen der DDR diese Einheit auf die Welttagesordnung setzten, blieb Kohl dabei, daß "die deutsche und europäische Einheit zwei Seiten ein und derselben Medaille seien", obwohl die Wiedervereinigung von Hannoveranern und Dresdnern ganz sicher eine andere Qualität hat als Einheitsbestrebungen von Europäern in Stockholm und Lissabon.

Das Erkennen dieser Tatsachen ist eine Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Politik der Unionsparteien CDU und CSU in der Zukunft. Deutschland ist ein demokratischer Nationalstaat wie auch die anderen demokratischen Staaten in Europa. Wo die Europaidee nicht zur Europaideologie degeneriert ist, weiß man, daß ein demokratischer Nationalstaat ein demokratisches Nationalbewußtsein seiner Bürger voraussetzt. Nicht nur die in die Jahre gekommenen 68er und ihre Epigonen, sondern eine ganze Medien- und Politikerkaste setzt auf die "Überwindung des Nationalstaats" und legt gerade damit die Axt an die Wurzel europäischer Gemeinsamkeit, die darin besteht, daß der demokratische Nationalstaat das Europäische an Europa ist und bleiben muß.

Die CDU ist gut beraten, wenn sie die Selbstanerkennung des demokratischen Nationalstaats zur Grundlage ihrer Europapolitik der Nach-Kohl-Ära machen würde. Die neue Führung könnte sich dabei darauf stützen, daß 67 Prozent aller CDU-Mitglieder meinen, Deutschland müsse seine nationalen Interessen stärker durchsetzen.

In der Innenpolitik hat die CDU ein Versagen ausgerechnet in der Familienpolitik zu vertreten, die nach ihrer sechzehnjährigen Regierungszeit das Testat "verfassungswidrig" erhielt. Ebenfalls innenpolitisch sollte sich die CDU aus dem reaktionären Rechts-Links-Mitte-Schema lösen, von dem das gesamte politische Geschehen beherrscht wird und das auf zufällige Ereignisse der französischen Revolution von 1889 zurück geht. Es konnte bestenfalls bis zum Ersten Weltkrieg ein Hilfsmittel zur politischen Orientierung abgeben, nicht aber, seit die totalitären Massenbewegungen ihren unheilvollen Weg durch Europa begannen. Die Rechts-links-Schubladisierung ist zutiefst reaktionär, weil sie im Zeichen der Globalisierung bestenfalls eine formale, aber keine inhaltliche Demokratie ermöglicht, die Gesinnungsfreiheit voraussetzt. Torsten Krauel in der "Welt" hat recht, wenn er schreibt, daß es heute nicht um ein "Bündnis gegen Rechts", sondern um ein "Bündnis gegen Gewalt" geht.

Das personelle Desaster um Kohl, dessen Hybris das Anstandsgefühl der Menschen, nach dem ein Ehrenwort zu halten sei, zum Werben für einen Verfassungs- und Gesetzesbruch mißbraucht, belastet die konservative Wählerschaft der CDU in ganz besonderem Maße. Alle die Gründe sprechen für eine konservative Renaissance der CDU, weil sonst ein konservativer Neuanfang in Deutschland außerhalb der Union erfolgen muß.