19.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
12.08.00 Affäre "Fritz Naphtali" (Teil II): Ein abgekartetes Spiel?

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 12. August 2000


Affäre "Fritz Naphtali" (Teil II): Ein abgekartetes Spiel?
Der Spendenskandal der SPD: Auf einmal endeten die Ermittlungen
Von NORBERT HERR

In der öffentlichen Debatte spielte die SPD-Spendenaffäre um die nebulöse "Fritz-Naphtali-Stiftung" praktisch keine Rolle. In der vergangenen Woche zeichnete Das Ostpreußenblatt den Skandal chronolgisch bis zum Mauerfall nach. Doch die Geschichte ging auch in den 90er Jahren weiter. Lesen Sie selbst:

1990

16. Mai: Presseerklärung der Staatsanwaltschaft Bonn. Aussage u. a., daß beide Beschuldigte, Grunwald (65) und Hesselbach (75), nach privatärztlichen Gutachten verhandlungs- und vernehmungsunfähig seien. Amtsärztliche Atteste bescheinigen Hesselbach und Grunwald etwas später Verhandlungsunfähigkeit auf Dauer.

1991

25. November: Einstellung des Verfahrens, da mit einer Wiederherstellung der Verhandlungsfähigkeit nicht mehr zu rechnen sei. Wahrscheinlicher ist eine Absprache zwischen CDU und SPD zur gegenseitigen Schonung.

1998

Die Staatsanwaltschaft Mannheim beginnt mit Ermittlungen gegen einen früheren führenden Ministerialbeamten Hessens, der von Managern der Mannheimer ABB AG Schmiergelder auf ein Schweizer Konto überwiesen bekommen haben soll. Zwischen 1993 und 1997 sollen rund 30 Millionen Mark von ABB an Schmiergeldern gezahlt worden sein. Der hessische Beamte soll dabei als "Türöffner" gedient haben. Insgesamt mußten bislang sechs Manager ihren Hut nehmen.

2000

Februar/März: Mehrere Affären der SPD werden aufgedeckt, insbesondere durch einen Artikel im "Spiegel " 7/2000 und in der "Welt":

– Die kostenfreie Nutzung von Flugzeugen der West-LB durch Politiker der SPD, die NRW-Finanzminister Schleußer zum Rücktritt bewegte.

– Die Finanzierung und Personalausstattung eines Berliner SPD-Büros zum Aufbau der SPD in Brandenburg durch die WestLB.

– Ab März: Die verschleierte Gewinnausschüttung der SPD-eigenen DDVG (Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft mbH) allein im Wahljahr 1998 in Höhe von 18,43 Millionen DM, von denen nur 2,48 Millionen versteuert wurden.

– Die Funktion der "Starken Frauen" als Spendenwaschanlage für die SPD in Schleswig-Holstein.

9./25. März: Neuthematisierung der Fritz-Naphtali-Affäre der SPD durch eine Zusammenfassung in der Würzburger "Tagespost".

März: Die SPD-Parteiführung bekundet in einem Schreiben an Bundestagspräsident W. Thierse: "Uns sind keine Fälle von Mißachtung des Parteiengesetzes durch die SPD bekannt." ("Berliner Morgenpost")

April: Mündliche Anfrage des Abgeordneten Diegel (CDU) im nordrhein-westfälischen Landtag zur Affäre Fritz Naphtali, warum es zur Einstellung der Strafermittlungen kam. Justizminister J. Dieckmann gibt auf Nachfrage als "Aktenzeichen dieses Ermittlungsverfahrens" an: 22 Js 1/89 der Staatsanwaltschaft Bonn. Das Aktenzeichen des ursprünglichen Verfahrens, das zum Rechtshilfeersuchen an die Schweiz führte, lautet jedoch: 42 Js 280/82. Auf die Frage nach Überlassung der Ermittlungsakten antwortet der Justizminister: "Ich bin mir aber unklar, ob es sachgerecht ist, ein Aktenstück zur Verfügung zu stellen. Dafür gibt es im parlamentarischen Verfahren bestimmte Vorkehrungen." Die Frage danach, ob dem Justizminister Ermittlungen auch gegen andere Vorstandsmitglieder der Friedrich-Ebert-Stiftung bekannt seien (es handelt sich wohl um Johannes Rau und Holger Börner), wird damit beantwortet, daß dieser Bericht, der eingeholt worden sei, "keinen Anlaß zu weiterer Kenntnis" gebe. Der Justizminister habe auch privat keine Kenntnis von solchen Verfahren.

12. Mai: Der Bonner Oberstaatsanwalt König bestätigt, daß, anders als aus damaligen Presseberichten ersichtlich, damals genügend Anhaltspunkte gegen die Friedrich-Ebert-Stiftung vorgelegen hätten. "Wären die Beschuldigten verhandlungsfähig gewesen, hätten wir auch Anklage erhoben." ("Berliner Morgenpost", 12. Mai 2000)

Mai: Die SPD-Schatzmeisterin I. Wettig-Danielmeier schreibt: Es bleibt daher dabei, daß uns keine Fälle von Mißachtung des Parteiengesetzes durch die SPD bekannt sind (...)" ("Rheinischer Merkur" 19/2000). Dies ist nachweislich falsch (vgl. Zitate aus dem Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts weiter oben und den Entzug der Gemeinnützigkeit für die Friedrich-Ebert-Stiftung und deren Steuernachzahlung). Der Verbleib eines Großteils des Geldes ist bis heute nicht geklärt.

Mai/Juni: Der Untersuchungsausschuß des Deutschen Bundestages zur CDU-Spendenaffäre nimmt das Thema Fritz-Naphtali-Stiftung mehrmals auf die Tagesordnung. Die Behandlung wird mehrmals vertagt.

Aus dieser Dokumentation der dubiosen Finanztransaktionen der SPD ergibt sich eine stattliche Summe, die der Aufklärung harrt!

Auflistung:

Naphtali-Affäre:

15,3 bis 28,7 Millionen DM

ABB-Affäre:

30 Millionen DM

Verschleierte

Gewinnausschüttung 1998:

18,4 Millionen DM

Summe:

63,7 bis 77,1 Millionen DM.

Die Tendenz ist eher noch steigend, weil die verschleierten Gewinnausschüttungen nur das Jahr 1998 betreffen. Welche Summe ergibt sich aber, wenn jedes Jahr so abgerechnet worden ist wie 1998?

Wir wissen heute, daß die Parteien BND-Mittel nach Spanien und Portugal weiterleiteten. Dann dürfte der Spendenfluß über die Friedrich-Ebert-Stiftung in die Schweiz auf das Konto der Fritz-Naphtali-Stiftung von fast 22 Millionen Mark nicht um 6,7 Millionen verringert werden – wobei immer noch 15,3 Millionen Mark aufzuklären wären. Man muß sich fragen, warum der Fluß von Spenden von der Staatsanwaltschaft Bonn nicht weiterverfolgt worden ist. Genau dies hat die CDU in Hessen getan. Gleiches muß auch von der SPD erwartet werden können.

Es fehlt auch jede Antwort darauf, wieviel Geld sich nach 1983 auf den Nummernkonten in der Schweiz befunden hat, die 1989 beschlagnahmt und an die Bonner Staatsanwaltschaft ausgeliefert wurden.

Wohin sind gegebenenfalls Gelder transferiert worden? An die SPD? Sind daraus Wahlkämpfe finanziert worden? Sind Barabhebungen vorgenommen worden und wenn ja von wem? Die Ingeba wurde durch die BfG übernommen und die BfG später durch die Crédit Lyonnais. Wie hat sich das auf die Nummernkonten ausgewirkt? Sind sie aufgelöst worden?

Gibt es Zusammenhänge zwischen den umstrittenen Buchungspraktiken der SPD hinsichtlich ihrer Pressebeteiligung und ihrem Vorgehen in den 80er Jahren? Es wäre auch möglich, daß das Geld von den Schweizer Konten in Beteiligungen des SPD-Medien-Konsortiums geflossen ist, das seit kurzem in der Diskussion steht.

Was wußten die seinerzeitigen Vorstandsmitglieder der Friedrich-Ebert-Stiftung, darunter die stellvertretenden Vorsitzenden Holger Börner und Johannes Rau, von der Kooperation mit der Fritz-Naphtali-Stiftung? Waren sie über die Geldtransfers informiert?

Nach Einstellung des Verfahrens gegen die Beschuldigten Hesselbach und Grunwald erfreuten sich Augenzeugenberichten zufolge wieder beide bester Gesundheit und gingen weiter ihren Geschäften nach. Leben beide noch (sie dürften heute 85 bzw. 75 Jahre alt sein) und sind sie inzwischen wieder verhandlungsfähig? Wie hat die Bonner Staatsanwaltschaft eigentlich festgestellt, daß beide Beschuldigte auf Dauer vernehmungs- und verhandlungsunfähig sind?

Warum wurden wirklich die Ermittlungen eingestellt? Hat es Einflußnahme gegeben? Von wem, etwa von der nordrhein-westfälischen Landesregierung? Justizminister Dieckmann hat dem Abgeordneten Diegel auf dessen mündliche Anfrage kürzlich nur das Aktenzeichen des eingestellten Steuerstrafverfahrens bzw. den Einstellungsvermerk genannt. Was ist mit den eigentlichen Ermittlungsakten, die aus der Schweiz überstellt worden sind? Ist das Parlament bewußt in die Irre geführt worden?

Es ist nicht ausgeschlossen, daß es eine parteiübergreifende Übereinkunft zwischen CDU und SPD gab, nach dem Grundgedanken: Wenn die SPD nicht in Sachen "Flick-Affäre weiterbohrt", ist die CDU bereit, die "Naphtali-Affäre ruhen zu lassen". Dies würde freilich einiges erklären!

Fragen über Fragen!

Das Ganze schreit geradezu nach einem Untersuchungsausschuß auch in Sachen "Spenden-Affären der SPD". Es ist nicht erkennbar – weder nach den Summen, um die es geht, noch in der Qualität des Vorgehens – wo der Unterschied zwischen SPD und CDU liegen sollte.

Es muß Schluß sein mit hysterischen Bezichtigungen einerseits und beschönigenden, abwiegelnden Formulierungen andererseits, die da lauten: Es seien keine Fälle von Mißachtung des Parteiengesetzes durch die SPD bekannt. Sowohl die CDU als auch die Öffentlichkeit müssen ein gesteigertes Interesse daran haben, die zitierten Ungereimtheiten bei der SPD aufzuklären. Die Wahrheit ist unteilbar und muß in beiden Fällen ans Licht.

(Schluß)