18.04.2024

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19.08.00 Gedanken zur Zeit: Kriegsschicksale im Vergleich

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 19. August 2000


Gedanken zur Zeit: Kriegsschicksale im Vergleich
Wenn die Gemeinschaft zerbricht
Von H. J. v. Leesen

Wenn junge Männer aus einem Wohlfahrtsstaat wie Deutschland, in dem es ein hohes Ziel ist, möglichst alle unangenehmen Seiten des Lebens fernzuhalten, wenn nun diese jungen, meist verwöhnten Männer als Soldaten in ein Gebiet entsandt werden, in dem zwei Völker mit dem Ziel der Selbstbehauptung und Selbstbestimmung miteinander kämpfen, dann erleben sie in der Regel einen Schock. Ist in ihrem Heimatland der Tod tabuisiert, dann bedeutet die Begegnung mit Tod und Zerstörung eine tiefe Erschütterung, die in den meisten Fällen auch nicht dadurch aufgefangen wird, daß sie vor ihrem Aufbruch ins Krisengebiet in Rollenspielen und Manövern darauf vorbereitet wurden.

So haben denn auch die Soldaten der deutschen Bundeswehr, die im Rahmen der Kfor-Truppen die verfeindeten Völker der Albaner und der Serben voneinander getrennt halten sollen und dabei auf die Spuren des vorangegangenen Krieges stoßen, nicht nur damit Probleme, daß sie nicht verstehen, warum die beiden Völker so entschieden kämpfen (hat man ihnen doch beigebracht, im Rahmen der politischen Bildung könne man alles durch ein gutes Gespräch regeln); sie werden auch tief erschüttert, nun mit Tod und Verderben konfrontiert zu werden.

In einem einfühlsamen und fairen Film schilderte die ARD unter dem Titel "Leben mit dem Massengrab – Deutsche Soldaten im Kosovo", was die jungen Soldaten (darunter auch einige Soldatinnen) erlebten und wie sie es verarbeiten.

Die wirksamste Hilfe sind verständlicherweise die Kameraden. Mit ihnen spricht man sich aus, tauscht Erfahrungen, sucht Trost. Verständnisvolle Vorgesetzte schilderten, wie sie sich besonders verstörter junger Soldaten annehmen. Nach Rückkehr in ihre Heimat können die Soldaten im Rahmen der inneren Führung an Seminaren teilnehmen, in denen "Psychos", um im Jargon der Soldaten zu sprechen, sich bemühen, ihre posttraumatischen Eindrücke zu verarbeiten. Ein junger Soldat berichtete, daß er mehrmals aus dem Kosovo seinen Großvater angerufen habe, um ihm zu erzählen, was ihm auf der Seele lag. Dazu der Soldat: "Mein Großvater war nämlich auch Soldat, und zwar im Zweiten Weltkrieg." Und nach der Rückkehr nach Deutschland führte sein erster Weg zum Großvater.

Es ist erfreulich zu sehen, wie man sich unserer Soldaten annimmt, die jetzt schon seelisch stark belastet waren, obwohl sie noch keinen richtigen Krieg erlebt haben. An ihrer Seite fiel noch kein Kamerad. Noch wurde keiner von ihnen im Kampf verwundet. Niemand geriet in die Hand des Feindes und ging damit einem ungewissen Schicksal entgegen. Militärisch waren sie stets in der Übermacht. Und vor allem: Sie gehörten nicht zu den Verlierern.

Da erinnert man sich der Generation unserer Großeltern und Eltern. Wenn sie aus Ostdeutschland stammten, haben sie Entsetzliches bei Flucht und Vertreibung erlebt, Entsetzlicheres jedenfalls, als unsere jungen Soldaten im Kosovo. Und den Soldaten der Deutschen Wehrmacht erging es nicht anders: Unter Strapazen, die oft jahrelang ertragen werden mußten, kamen sie inmitten von Zerstörung als Verlierer nach Deutschland zurück. Flüchtlinge, Vertriebene, Ausgebombte sowie Soldaten erfuhren keinerlei seelischen Beistand – im Gegenteil. Zwar nicht in den ersten Nachkriegsjahren – da hielt die Gemeinschaft noch –, dann aber von Jahr zu Jahr sich steigernd, begegneten bestimmte Kreise in Deutschland ihnen mit Häme und Haß. Ihnen wurde vorgeworfen, sie hätten selbst Schuld gehabt an ihrem Schicksal. Man sprach ihnen gar das Recht auf Trauer ab. Evangelische Pastoren warfen Gedenkmale an Gefallene und Vertriebene aus den Kirchen. Treffen alter Soldaten wurde von haßerfüllten linken Demonstranten behindert. Eine von prominenten und reichen Persönlichkeiten unterstützte Ausstellung schmähte die alten Soldaten als Verbrecher.

Unsere jungen Soldaten, die im Kosovo einen Eindruck von Krieg und Zerstörung erfuhren, werden sich nun ausmalen können, wie es ihren Großvätern erging und wie jene Leute einzuschätzen sind, die auf den vom Schicksal schwer Geschlagenen hämisch herumtrampelten. Und sie werden ihr Urteil fällen.