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02.09.00 Buchhandel: Aufbruch in die Barbarei

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 02. September 2000


Buchhandel: Aufbruch in die Barbarei
Die EU dringt weiterhin auf Aufhebung der deutschen Buchpreisbindung

Der Europäische Gerichtshof hat demnächst einen Streit zwischen dem Börsenverein des Deutschen Buchhandels und der österreichischen Internet-Buchhandlung "Libro" zu entscheiden, ob verbilligte Bücher aus Österreich in der Bundesrepublik unter Ladenpreis verkauft werden dürfen. Libro hatte nämlich auch deutsche Titel per Internet um 20 Prozent unter dem Festpreis angeboten. Das verstößt gegen die in der Bundesrepublik seit vielen Jahrzehnten geltende Preisbindung.

Die EU wird durch die jetzt anhängige Klage versuchen, den deutschen Buchhandel in ihrem Sinne "anzupassen". Sie selbst hat nämlich aus ihrer Gegnerschaft zur deutschen Preisbindung seit jeher keinen Hehl gemacht. EU-Wettbewerbskommissar Karel van Miert nennt sie schlichtweg ein "Absprachekartell", und das sei nach EU-Recht bereits jetzt verboten. Die Bundesregierung hält sich bislang an die deutsche Position, wonach die Regelung "zum Schutze der Vielfalt des deutschen Buchmarktes notwendig" ist.

Die Standesorganisation des deutschen Buchgewerbes, der in Frankfurt am Main ansässige "Börsenverein des Deutschen Buchhandels", leistet erbitterten Widerstand gegen den EU-Entwurf, wonach sämtliche nationalen Buchpreisbindungen abgeschafft werden sollen. Dramatische Konsequenzen für den deutschen Buchhandel werden befürchtet. Sollte die nationale Buchpreisbindung fallen, so Harald Heker, Justitiar des Börsenvereins, würden "zwischen 25 und 30 Prozent der Arbeitsplätze vernichtet" werden. Dem deutschen Buchwesen (Umsatz 1998: über 17 Milliarden Mark) drohe innerhalb von nur 24 Monaten die Schließung von 3000 der 5000 deutschen Buchhandlungen.

Die Online-Buchhändler in der Bundesrepublik springen "Libro" bei: natürlich sie sind generell gegen die bestehende Buchpreisbindung. Können sie doch ihren bisher bescheidenen Marktanteil nur auf Kosten der kleinen Buchhandlungen vor Ort bedeutend vergrößern. Dabei geht das Geschäft der Internet-Buchhandlungen keineswegs gut. In den USA tobt seit mehr als einem Jahr ein erbitterter Preiskampf zwischen Internet-Großbuchhändlern wie "Amazon.com" und der vom Bertelsmann-Medienkonzern aufgekauften Buchhandelskette "Barnes and Noble". Den Kunden werden Preisnachlässe bis zu 50 Prozent gewährt – das ist weit mehr, als die meisten Verlage in den USA oder in der Bundesrepublik einer durchschnittlichen Buchhandlung je geben würden. Gegen ein solches Geschäftsgebaren mit Dumping-Preisen käme praktisch keine der jetzt bestehenden Buchhandlungen mit.

Inzwischen hat der Internet-Buchhandel auch nach Deutschland seine Fühler ausgestreckt. Hier zeigt die Umsatzkurve des Online-Buchhandels noch nach oben. Im ersten Quartal 2000 setzte das Unternehmen "Amazon.de" etwa 60 Millionen Mark um. Verglichen mit dem Vorjahresquartal ein Plus von 214 Prozent. Doch auch in der Bundesrepublik heißt der größte Konkurrent Bertelsmann mit "Bol.de". Beide Finanzriesen hindert einstweilen die Buchpreisbindung daran, den gesamten Markt vollkommen aufzurollen.

Die EU begünstigt also – wie so oft – unter dem Vorwand, einen freien Markt schaffen zu wollen, de facto eine Monopolstruktur. Doch Monopolisten pflegen auf die Dauer selten gute Dienstleister am Kunden zu sein. Schon jetzt haben Internet-Kunden damit zu kämpfen, Bücher auch aus kleinen Verlagen zu bekommen. Die Antwort heißt dann immer öfter: "Die Besorgung des Buches ist uns zu teuer – bestellen Sie bitte direkt beim Verlag." EU-Kommissar Karel van Miert, der bereits das Reinheitsgebot des deutschen Bieres auf dem Gewissen hat, versteht die ganze Aufregung nicht. In seinem jüngst in der Zeitschrift "Capital" vorabgedruckten Buch "Markt, Macht, Wettbewerb" nennt er das Beispiel Italien, wo die Buchpreisbindung ebenfalls aufgehoben wurde: Dort "stiegen die Verkaufszahlen um 25 Prozent durch Buchverkäufe in Supermärkten, größtenteils an neue Leser. Eine tolle Sache also: Billigere Bücher, mehr Bücher, mehr Leser". Welcher Schelm wollte das kritisieren?

Was van Miert indes nicht erwähnt: Supermärkte und Kaufhausketten haben nur noch eine minimale Auswahl an Titeln und Verlagen, denn je weniger Lieferanten sie haben, desto höher sind die Gewinnmargen, die sie aushandeln können. Da bleiben dann oft nur noch zwei bis drei Billiganbieter – der Rest wird nicht mehr angeboten – und auch nicht mehr besorgt. Mehr Ware für weniger Geld – das ist eine Argumentation, die schon bei Schweinefleisch problematisch ist; bei Büchern ist sie schlicht barbarisch und zeigt die Geisteshaltung der Protagonisten. Sie zeigt überdies, wohin der Weg, den uns die EU weist, gehen soll: zu immer mehr Konsum bei immer niedrigerer Qualität. Ein weiterer Weg in die schleichende Verblödung. Hans B. v. Sothen