20.04.2024

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02.09.00 ZITATE

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 02. September 2000


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Was sich ein Volk in geschützter Lage und in gesicherten Lebensumständen leisten darf, ist dem deutschen Volke noch lange nicht erlaubt. Unter deutschen Verhältnissen wird vieles zum Frevel und zu wahnwitziger Herausforderung des Schicksals, was für andere Völker natürliche Selbstdarstellung eines weniger bedrohten Daseins ist. Liberalismus und Individualismus sind für gewisse westliche Völker die sinn- und sachgemäße Wesenshaltung; so weit dürfen sie sich innerhalb des politischen Raumes, den sie erfüllen, gehen lasen, ohne fürchten zu müssen, sich in Gefahr zu bringen. Dort braucht man nicht unausgesetzt zu kämpfen; man darf Atem schöpfend die Waffen fortstellen, man darf auch genießen. Man darf sich dort sogar daran gewöhnen, das Leben als höchstes der Güter zu werten; man braucht es nicht als Einsatz zu betrachten, zu dem man in jeder Stunde bereit zu sein hat. Man hat es dort so leicht, sich selbst zu behaupten, daß man dieser Aufgabe auch noch gewachsen ist, wenn man sich sorglos dem Liberalismus und Individualismus überläßt. Freilich hat man zugleich auch sicheren Instinkt, wo die Grenze ist, die man nicht übersteigen darf; man ist so sehr geborener Liberalist und Individualist, daß man souverän darüber zu entscheiden vermag, wo es zweckmäßig ist, es vorübergehend nicht mehr zu sein.

Für das deutsche Volk hingegen sind Liberalismus und Individualismus Ausflüchte, die man den unabdingbaren Forderungen der ausweglosen deutschen Situation entgegenhält. Das gute Recht, das beiden unter andern Völkern zukommt, wird gegen den unbequemen Anspruch ausgespielt, auf dem die deutschen Lebensvoraussetzungen gegenüber dem deutschen Volke bestehen. Für andere Völker gibt es Stellungen, die außerhalb der Reichweite des Feindes liegen; räumt man dort die Rüstung beiseite, ist es noch lange nicht der Beginn einer Kapitulation. Das deutsche Volk aber lebt jahraus, jahrein in einer belagerten Festung; gibt es die Waffe aus der Hand, riskiert es sogleich, überfallen und zur Übergabe gezwungen zu werden. Der Deutsche, der sich von der Waffe getrennt hat, kann immer wieder von Glück reden, wenn er sie am Ende nicht strecken muß. Legt man bei den westlichen Völkern die Waffe fort, so tut man es, weil die Umstände dazu einladen; man nutzt die Gunst der Stunde und der Verhältnisse entsprechend aus. Deutschen winkt eine ähnliche Gunst der Stunde und der Verhältnisse nie; werfen sie sich in lässiges Zivil, dann steckt dahinter in der Regel eine eigensinnige selbstmörderische Demonstration, ein überdrüssiges Aufbegehren, eine Versuchung des Himmels, ein gewalttätiger Trotz, der sich blind austobt, komme gleich, was da kommen mag, ein verbissener Pazifismus, den man unbeschadet aller seiner Folgen einfach riskiert. Man blickt nicht mehr auf den Feind, der jenseits der Mauern lauert; man will in kurzerhand nicht mehr sehen. Man blickt nur noch auf sich selbst, als sei man allein auf der Welt. Zum deutschen Liberalismus und Individualismus gehört, daß man der Außenpolitik schroff den Rücken kehrt und nur noch von Innenpolitik hören mag. Liberalismus und Individualismus sind unter Deutschen Schabernack, den man dem Staat antut; man verwendet beide als "gute Gründe", die man gegen den Staat ins Feld führen kann, wenn man sich nimmt, hütet man sich sorgsam, des Guten zuviel zu tun. Deutscher Liberalismus und Individualismus sind Gehorsamsverweigerungen: man ist es satt, den Zwang des Staates weiterhin zu dulden. Ernst Niekisch

Widerstand, Krefeld 1982