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23.09.00 Der frühe Rechtsbruch aus der Ära Kohl führt immer tiefer in einen grundlosen Morast

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 23. September 2000


SBZ-Enteignungen:
"Sommerpause des Vergessens" scheint ohne Gewinn vorüber
Der frühe Rechtsbruch aus der Ära Kohl führt immer tiefer in einen grundlosen Morast

Zwar hat die Bundesregierung am "rot-grünen Freitag", dem 14. Juli, sozusagen im Windschatten des Steuerreformdramas – von den Medien wenig bemerkt – noch gleich drei die Politik und Wirtschaftsentwicklung der neuen Länder wesentlich betreffende Punkte in ihrem Sinne durch den Bundesrat geschleust. Ob dieser taktische "Mitnahme-Effekt" jedoch besonders klug und von nachhaltiger Wirkung sein wird, wird inzwischen von Kennern und Insidern in Fragen Aufbau Ost sehr in Frage gestellt.

Fachjuristen, Wissenschaftler und Betroffenen-Verbände hatten in einer Anhörung des Finanzausschusses des Bundestages fast einhellig vor den drei weiteren Verschlechterungen bei den Entschädigungs- und Ausgleichsleistungen für sogenannte "Alteigentümer" sowie für die Privatisierung des zur Zeit im Bundesbesitz befindlichen Agrarlandes gewarnt. Doch trotz des Hinweises auf Rechtswidrigkeit und neuer juristischer Verwicklungen mit Klagen vor deutschen und europäischen Gerichten ließ sich die Regierung zu einer "Nacht- und Nebelverabschiedung" der unveränderten Vorlagen am letzten Tag vor der "Sommerpause des Vergessens" verleiten. Die Berliner Schnellschüsse könnten früher oder später zu Bumerangs werden. Und hierfür spricht einiges.

– Die Streichung des Passus im Vermögensgesetz, demzufolge Kommunen mit finanzieller Hilfe des Bundes Ersatzgrundstücke für Enteignete bereitstellen sollen, die ihre Immobilien wegen des Erwerbs durch frühere DDR-Bürger nicht zurückerhalten, ist jetzt vorgenommen worden, nachdem das Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich dieses Recht wegen der deutlichen Benachteiligung der Enteigneten gefordert hatte. Demzufolge gab es bereits neue Ersatzgrundstück-Regelungen. Nun herrscht wiederum rechtswidrige und angreifbare Ungleichbehandlung, mit der sich die Verfassungsrichter beschäftigen werden müssen. Die Aktionsgemeinschaft Recht und Eigentum (ARE) arbeitet bereits zusammen mit Restitutions-Fachjuristen und Abgeordneten der Oppositionsparteien des Bundestages an einer Verfassungsbeschwerde, wie ihr Bundesvorsitzender Graf v. Schwerin in Berlin vor kurzem mitteilte.

– Die extreme Verschlechterung der Rechtsposition der von den Konfiskationen 1945–1949 betroffenen sogenannten Alteigentümer als Ausgleichsberechtigte nach dem Entschädigungsgesetz (EALG) – sie sollen keine Preisnachlässe für den Erwerb staatlichen Beutelands über die allgemeinen Nachlässe hinaus erhalten – führt nach Auffassung der Opfer, ihrer Vertreter und fast sämtlicher mit Wiedergutmachungsfragen befaßter Rechtswissenschaftler zur Aushebelung des EALG und zur Beseitigung eigentumsgleicher Rechte. Der wegen des Verhaltens ohnehin schon arg strapazierte Rechtsfrieden der abgewählten wie der neuen Bundesregierung in den Eigentums- und Aufbau-Ost-Fragen in den jungen Ländern dürfte nunmehr einem Tiefpunkt zusteuern – mit vielseitigen Auswirkungen.

– Die in die neue EALG-Novelle eingebaute "Geschenkpackung" für Umweltminister Trittin und die Grünen – der Vorschlag stammt übrigens von der PDS –, Agrarflächen in einer Dimension von 50 000 bis 100 000 Hektar an bestimmte Naturschutzverbände zu verschenken – es handelt sich um Bundesbeutebesitzflächen, die man den früheren Eigentümern keinesfalls zurückgeben wollte –, ist nach Auffassung von Rechtsstaatlern und Enteignungsopfern zusätzlich entlarvend hinsichtlich der Eigentumspolitik und der Unredlichkeit der Verantwortlichen, was Ausgleichsversprechen und Aufbauförderung Ost angeht.

Allerdings hat dieser politische Rechtsverstoß auch noch eine für die Regierung besonders unangenehme Folge: Wie aus Kreisen der EU-Kommission zu hören ist, muß den Wettbewerbshütern jetzt die "umgestrickte" EALG-Novelle erneut zur Billigung vorgelegt werden. Und die "Geschenkpackung Trittin" verstößt vermutlich gegen die europäischen Beihilferegelungen, an denen schon das erste Flächenerwerbsprogramm zur Begünstigung der LPG-Nachfolger zum Jahreswechsel 1998/99 gescheitert war. – Beschwerden und Prüfanträge – auch wegen der von der Bundesregierung abgegebenen falschen Erklärungen – liegen der EU-Kommission schon vor.

Trotz allerlei hoffnungsfroher Verkündigungen aus dem Umfeld von Hans Eichels Finanzministerium und dem Treuhandnachfolger BVVG bleibt die Lage bei der Flächenprivatisierung unklar und für den Fiskus risikoreich. Denn die Rückabwicklung der von der EU als ungültig erklärten Verträge mit den nichtberechtigten Erwerbern von Agrarland zu Vorzugspreisen steht jetzt an. Fast alle BVVG-Verkäufe müssen "nachgesattelt" werden – mit der Gefahr von Schadenersatzklagen der Landerwerber gegen den Staat in zweistelliger Millionenhöhe. Und in Luxemburg wird im kommenden Jahr voraussichtlich über die ARE-Klage vom 2. Mai dieses Jahres gegen die fortwirkenden Wettbewerbsverletzungen durch die Novelle zum EALG-Flächenerwerbsprogramm beim Europäischen Gericht in erster Instanz verhandelt.

Nach Meinung der ARE als prozeßführendem Unternehmerverband dürfte sich die Bundesregierung eigentlich nicht dem Risiko aussetzen, bis dahin einfach weiterzumachen. "Das entstehende Chaos im Falle einer Entscheidung gegen die Neuregelung wäre dann komplett", so ein Sprecher der Juristenkommission der Aktionsgemeinschaft Recht und Eigen- tum am letzten Wochenende in Brüssel. -uln-