23.04.2024

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30.09.00 Die "Hammer-Connection" des Al Gore

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 30. September 2000


Brennpunkt
Die "Hammer-Connection" des Al Gore

Ein amerikanischer Vizepräsident wird von seiner Partei beinahe traditionsmäßig beim Auslaufen des Mandats oder des zweiten Mandats eines Präsidenten zum Präsidentschaftskandidaten gekürt. Das letzte Beispiel dafür war die Aufstellung und die Wahl von George Bush Senior als Nachfolger Ronald Reagans.

Daher schien alles in den normalen Bahnen der amerikanischen Politik zu verlaufen, als Vizepräsident Al Gore von der Demokratischen Partei für die Nachfolge Bill Clintons nominiert wurde. Ein bekanntes Gesicht, eine bekannte Figur, ein Frauenliebling, geradezu leidenschaftlich für den Umweltschutz engagiert und für die Reform und die Modernisierung des amerikanischen Regierungsapparates – er nennt dieses besondere Ziel "Neuerfinden der Regierung" – der Vertreter der US-Regierung in der bilateralen Kommission für die Entwicklung der Beziehungen, in erster Reihe der Wirtschaftsbeziehungen mit Moskau (Gore/Tschernomyrdin-Ausschuß). Alles schien klar, durchsichtig, Gore konnte man nur mindere "Vergehen" anlasten, wie etwa den Auftritt in einem Buddhistentempel in Kalifornien zwecks Werbung für Wahlkampfspenden im Zuge der Wahlkampagne 1996 oder Telefonaktionen zu Lasten des Weißen Hauses, um Spenden für die Demokraten zu sammeln. Alles Bagatellen im Vergleich zur Monika-Lewinsky-Affäre.

Viele Publikationen haben versucht, seine vielschichtige, widerspruchsreiche und schwer durchschaubare Persönlichkeit zu bestimmen, den wenigsten ist dies gelungen. Was soll man von einem Mann halten, der in larmoyanter Weise politisches Kapital aus dem Tod seiner Schwester (Lungenkrebs) zu schlagen versucht, gleichzeitig aber auf der Familienfarm Tabak züchtet und im Zuge seiner Wahlkampagne Spenden der Tabakindustrie entgegennimmt? Wenn man sich die Mühe gibt, puzzleartig einige Veröffentlichungen in den amerikanischen Medien zusammenzustellen und dazu noch einige aufgrund des Freedom of Information Act freigegebenen Akten des FBI durchblättert, erkennt man die Konturen einer viel zwielichtigeren Persönlichkeit als das öffentlich kolportierte Erscheinungsbild des ach so redlichen Mannes, der sich vor allem für die Umwelt engagiert – so in seinem kürzlich neu verlegten Buch "Earth in the Balance", "Erde im Gleichgewicht". Um einiges von diesem Zwielicht zu verstehen, muß man einige Jahrzehnte zurückgreifen.

Die politische Karriere und das finanzielle Wohlergehen der Familie Gore ist eng verbunden mit dem Namen Armand Hammer, eine der schillerndsten Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts, Gründer und langjähriger Präsident eines der großen Ölmultis, "Occidental Petroleum". Es war Hammer, der Albert Gore, dem ehemaligen Dorflehrer in Tennessee, half, zuerst die Wahl zum Abgeordneten ins Repräsentantenhaus, dann in den Senat zu gewinnen. Er überhäufte Gore senior mit Geld aus dem Ölgeschäft, und der Senator leistete Hammer die erwarteten Gegendienste. In den 60er Jahren, als der damalige FBI-Chef Edgar Hoover die überaus verdächtigen Verbindungen Hammers im Kreml untersuchen wollte, verteidigte Gore Senior im Plenum des Senats Hammer leidenschaftlich und mit Erfolg. 1965 verhalf Gore Hammer, zu einem Visum in Libyen, wo er sich als der wichtigste ausländische Ölproduzent etablierte. Hammer, bzw. Occidental, konnte sich der Unterstützung des Senators bei seinen Vorstößen in Rußland, Nigeria, Katar erfreuen.

Als Gore Senior 1970 aus dem Senat ausschied, gab ihm Hammer sofort einen jährlich 500 000 Dollar schweren Job bei einer Tochtergesellschaft von Occidental und einen Sitz im Aufsichtsrat. Schon in den 60er Jahren, als auf der Gore-Farm ein Zinn-Vorkommen entdeckt wurde, kaufte Hammer das Grundstück für 160 000 Dollar – doppelt so viel wie das einzige Gegenangebot. Dann verkaufte Hammer das Grundstück zurück an Gore Senior und sicherte ihm ein jährliche Pacht von 20 000 Dollar für die Rechte, das Vorkommen abzubauen. Gore Senior verkaufte das Grundstück an seinen Sohn für 140 000 Dollar, der, obwohl er weiter die Schecks von Occidental kassierte, ab 1985 das Land der Union Zinc verpachtete.

Bei dem Tod von Gore Senior verfügte er über Occidental-Aktien im Wert von 250 000 bis 500 000 Dollar. Er überließ das Aktienpaket einer Stiftung zugunsten seiner Frau, Nachlaßverwalter: Al Gore Junior. 1998 gelang es Vizepräsident Gore – der zusammen mit Präsident Clinton sich immer wieder dafür einsetzte, daß der amerikanische Staat große Flächen erwerbe, um die Naturschutzflächen zu erweitern –, den Verkauf des kalifornischen Feldes Elk Hills an Occidental durchzusetzen. Elk Hills war seit 1912 Teil der strategischen Reserve der US Navy. Darauf schnellte der Wert der Occidental Aktien steil hoch, im Jahr darauf gab der Vizepräsident den Wert des Aktienpakets im Familienbesitz schon mit 500 000 bis 1 Million Dollar an. Präsident Clinton besuchte im vergangenen Monat Kolumbien und gewährte dem Land eine milliardenschwere Hilfe. Der Hintergrund: seit acht Jahren bemüht sich Occidental um die Erschließung des soge-nannten Samore-Blocks im Dschungel an der Grenze zu Venezuela. Hier wird ein Ölvorkommen von 1,5 bis 2,5 Milliarden Barrel vermutet. Das Ölfeld liegt an der Grenze des U’wa-Stammes, das das Gebiet als heilig betrachtet und sich mit aller Kraft der Erschließung widersetzt. Der Stamm droht mit kollektivem Selbstmord. Al Gore, zusammen mit Energieminister Bill Richardson, unterstützte kräftig aus dem Hintergrund die Erschließungspläne von Occidental – trotz Ökologierethorik.

Al Gore jr. hat, nach dem Exempel seines Vaters, während seiner gesamten Washingtoner Karriere, im Repräsentantenhaus wie im Senat Armand Hammer unterstützt – und umgekehrt. Wer aber war dieser Armand Hammer? Sohn des New Yorker Arztes und Mitbegründers der amerikanischen KP, Julius Hammer, studierte Sohn Armand zunächst selbst Medizin. Nach dem Sieg der Kommunisten im russischen Bürgerkrieg eilte der junge Armand mit einer Hilfssendung von Arzneimitteln und medizinischem Gerät in die junge Sowjetrepublik. Er wurde von Lenin empfangen, der ihm empfahl, sich anstelle von Hilfssendungen mit gemeinsamen Wirtschaftsunternehmen zu befassen, und ihm das Monopol für den Export von Asbest aus der Region Ekatarinenburg erteilte. Damit begann die Geschäftskarriere des Armand Hammer. Er gründete die erste Bleistiftfabrik in der Sowjetunion (noch Jahrzehnte später trugen die sowjetischen Bleistifte seinen Namen), danach importierte er aus der Sowjetunion große Mengen von Eichenholz für die Fässerfabrikation usw. Er erwarb Partien der Romanov-Juwelen für einen Bruchteil ihres Wertes und wurde zu einem der größten zeitgenössischen Kunstsammler. Hammer behielt seine Kontakte auf hoher und höchster Ebene im Kreml bis zu seinem Tod 1990 und schaltete sich als "ehrlicher Makler" unzählige Male in die amerikanisch-sowjetischen Auseinandersetzungen ein. Wie schon gesagt, geriet er in den Verdacht, über seine Geschäftsinteressen in der Sowjetunion hinaus dem Sowjetstaat zu dienen. Das FBI ermittelte, Armand Hammer aber war viel zu einflußreich – und vorsichtig! –, um belangt zu werden. Die erheblichen Summen, die von Occidental in die Wahlkassen beider großen Parteien flossen, sicherten ihm den Zugang zu allen hohen Regierungsstellen, bis ins Weiße Haus. Und Occidental stieg in die Reihen der größten Ölmultis der Welt auf. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion öffneten sich – mindesten zum Teil – auch die KGB-Archive. Und die Vermutung aus vergangenen Jahrzehnten erhärteten sich – Armand Hammer war viel mehr als ein amerikanischer Geschäftspartner der Sowjets. Und er war viel mehr als ein Spion: er war der wichtigste Einflußagent der Sowjets in den Vereinigten Staaten.

Unverständlich für den ausländischen Beobachter bleibt die Grundfrage: wie war es möglich, daß angesichts der Rolle, die Armand Hammer im Aufstieg der Familie Gore gespielt hatte, und des Einflusses, den der schillernde Ölmagnat auch auf Gore Junior ausgeübt hat, das amerikanische Establishment während acht Jahren das Schicksal der amerikanisch-russischen Beziehungen weitgehend von dem Protegé eines Armand Hammers bestimmen ließ – und nun womöglich sogar das Schicksal der USA in dessen Hände legt.