19.04.2024

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21.10.00 Seine große Liebe war Keramik

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 21. Oktober 2000


Seine große Liebe war Keramik

Am 18. September 1790, vor nunmehr 210 Jahren wurde in Königsberg die Kunst- und Gewerkschule als erste Provinzial-Kunstschule errichtet. Bis 1945 brachte sie eine Reihe bedeutender Maler, Graphiker und Bildhauer hervor. Namen wie Otto Ewel, Edmund May, Erich Schmidt-Kestner, Hermann Brachert, Jan Holschuh und Martin Stallmann als Lehrer haben das Gesicht (und Gewicht) dieser Schule geprägt. Und nicht alle kamen sie aus Ostpreußen: der Stuttgarter Hermann Brachert, der Berliner Erich Schmidt-Kestner, sein Landsmann Edmund May. Auch die Wiege des am 10. September 1888 geborenen Franz Andreas Threyne stand weit entfernt von seinem späteren Wirkungsort – in Köln.

In der Domstadt nahm Threyne nach der Schulzeit eine Bildhauerlehre auf. Ein schwerer Arbeitsunfall unterbrach jedoch diese Tätigkeit für zwei lange Jahre. Von 1912 bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs studierte er an der Kölner Kunstschule bei Professor Brasegger. Nach seinem Militärdienst ging er schließlich nach Königsberg, um bei Professor Hermann Brachert an der Kunst- und Gewerkschule zu studieren. In diese Zeit fiel auch der Beginn der Arbeit mit keramischer Architekturplastik. So fand sich später eine Reihe gebrannter Kacheln an den Laibungen des Portals des Zollwirtschaftsgebäudes in Königsberg; sie zeigten zum Teil humoristische Darstellungen aus dem Zöllnerleben, aber auch biblische Bezüge zum Zöllnerstand.

1921 ging Franz Andreas Threyne nach München, um dort bei Professor Josef Wackerle seine Studien fortzusetzen. Darüber hinaus besuchte er auch Vorlesungen in Kunstgeschichte und Anatomie. Bald darauf kehrte der Kölner jedoch nach Ostpreußen zurück, das sich zu seiner Wahlheimat entwickeln sollte. In Cadinen ließ er sich weiter ausbilden. "Meine große Liebe war die Keramik", bekannte er einmal.

Vier Jahre lang arbeitete Threyne auch als Zeichner bei der Königsberger Möbelfabrik R. Herrmann und war daran beteiligt, eine keramische Abteilung an der Kunst- und Gewerkschule einzurichten. – Sechs Jahre nach seiner eigenen Ausbildung kehrte Threyne dann an die Kunst- und Gewerkschule zurück, diesmal als Dozent (1926 bis 1936). Anfang der vierziger Jahre wurde er, der inzwischen freiberuflich wirkte, zum Professor ernannt.

Nach dem Zweiten Weltkrieg führte die Flucht Threyne und seine Familie nach Brandenburg/Havel, wo er später wieder auch freiberuflich tätig war. Von 1953 bis 1959 wirkte er als Lehrer an der Werkstatt des Jugendheims in Brandenburg. 1965 schließlich siedelte er nach Freiburg i. Br. über, wo seine Familie bereits lebte. Dort starb er vor nunmehr 35 Jahren, am 26. Oktober 1965.

Franz Andreas Threyne, der Kölner in Königsberg, schuf eine Vielzahl unterschiedlichster Arbeiten. Das verwendete Material – von Bernstein über Ton und Majolika bis hin zu Gips und Bronze – war ebenso vielseitig wie die Formate – von Plaketten über lebensgroße Büsten bis hin zu Großplastiken. Immer aber stand, zumindest in den frei geschaffenen Werken, der Mensch im Mittelpunkt seines bildhauerischen Schaffens. Bedingt durch die Wahl des empfindlichen Materials (Keramik) sind nur wenige Werke Threynes erhalten geblieben. Eine kleine Auswahl konnte 1984 im Kulturzentrum Ostpreußen im Deutschordensschloß Ellingen auf einer Ausstellung bewundert werden, die Werke der drei Lehrer May, Schmidt-Kestner und Threyne zeigte. Damals erläuterte der Berliner Kunsthistoriker und ausgewiesene Kenner des Königsberger Kulturlebens, Dr. Günther Krüger, das Werk des Kölners: "Alle kleinen Figuren sind bei ihm", so Krüger, "mit genrehafter Liebenswürdigkeit geschildert, ganz gleich, ob es sich um die Majolika des Knaben mit der Ente, die Knaben mit Hund in Ton oder die Terrakotta-Reliefs aus dem Leben der Zöllner – auch der biblischen – handelt. Dagegen haben die drei Reformatoren, der Bischof Georg von Polenz, Poliander und Johannes Amandus, sowie das Standbild Herzog Albrechts etwas echt Statuarisches und erinnern darin an die nur ein Jahr zuvor geschaffenen Kolossalstatuen ‘Forscher und Lehrer’ von Brachert am Liebenthalschen Universitätsbau..."

Das Werk Threynes ist ganz gewiß nicht mit einem einzigen Begriff oder einer Stilrichtung zu umschreiben. "Zeitweise", so Michael Schmaedecke in einer Biographie, "werden moderne Ansätze aufgegriffen. So entsteht zum Beispiel in den zwanziger und dreißiger Jahren Gebrauchskeramik im Bauhausstil. Durch äußere Umstände gezwungen, arbeitet Threyne zeitweise auch im Sinne des offiziellen Kunstgeschmacks, der den fortschrittlichen Strömungen diametral läuft. Jedoch verschließt er sich diesen Strömungen nicht, sondern entwickelt beide weiter. Kurz vor seinem Tode setzte er sich noch mit abstrahierenden Darstellungsweisen auseinander, kam aber nicht mehr dazu, diese zu verwirklichen."

Als Franz Andreas Threyne 1965 starb, hatte er seine Auffassung von Kunst längst an eine stattliche Reihe von Schülern weitergegeben, so an die Bildhauerin Maria Ewel (1915–1988), an Charlotte Szalinski, Gerhard Steer und Ulrich Benkmann.

Wenn auch die keramischen Arbeiten den weitaus größten Raum im Schaffen Threynes einnehmen, so sind doch auch die anderen Werke, die einst in Königsberg und auch im Land (in Bartenstein und Preußisch Holland) zu sehen waren, ein wichtiger Mosaikstein in der Bildenden Kunst Ostpreußens. Für Königsberg nennt Dr. Herbert Meinhard Mühlpfordt in seinem Standardwerk "Königsberger Skulpturen und ihre Meister 1255-1945", Würzburg 1970, allein 27 von Threyne geschaffene Arbeiten, darunter die im Auftrag des Direktors des Stadtgeschichtlichen Museums, Eduard Anderson, geschaffene feuervergoldete Bronzebüste des Komponisten Otto Nicolai, die im Umgang des ersten Ranges im Königsberger Opernhaus stand, oder die Totenmaske des Dichters Alfred Brust, das Relief "Simon Dach", ebenfalls von Anderson in Auftrag gegeben und am Wohnhaus Dachs neben dem Blauen Turm angebracht. – Vieles ist vernichtet, auf immer verloren. Oft genug aber bleibt wenigstens die Erinnerung, das Wissen um das Woher. Und das ist viel. Silke Osman