20.04.2024

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28.10.00 "Erst wägen, dann wagen"

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 28. Oktober 2000


Helmuth v. Moltke:
"Erst wägen, dann wagen"
Vor 200 Jahren wurde der militärische Helfer in der Geburtsstunde des Reiches geboren

Vor zweihundert Jahren, am 26. Oktober 1800, wurde Helmuth Graf von Moltke, einer der fähigsten Köpfe des preußischen Heeres, in Parchim geboren. Er war strategischer Denker, militärischer Planer und Feldherr zugleich. Neben Gerhard Scharnhorst, Graf Gneisenau und Carl von Clausewitz hat er durch Denken und Handeln das preußische Heer reorganisiert und befähigt, sich von französischer Unterdrückung und Fremdherrschaft zu befreien.

In einer Zeit, in der unserer Bundeswehr mit Hilfe des aktiven Kulturbeauftragten der Bundesregierung Naumann nach und nach ihre Leit- und Vorbilder genommen werden, an denen sich der Soldat orientieren könnte, ist dies den bilderstürmenden Politikern unserer Tage bei Moltke noch nicht gelungen. Die Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg sieht sich auch heute noch in der Tradition des großen Soldaten und benannte ihren großen Saal im Kommandogebäude nach ihm. Moltke ist für den deutschen Soldaten ein herausragendes Vorbild geblieben.

Man muß Moltke – wie andere große Männer unseres Volkes – auf dem Hintergrund ihrer Zeit verstehen. Es war die Zeit der deutschen Zerrissenheit und Zwietracht. Die Zeit, in der unsere Nachbarn England, Frankreich und Rußland massiv Kolonialpolitik betrieben, sich umfangreiche Gebiete aneigneten und um Einfluß Kriege führten, die USA standen im Kampf gegen die Ureinwohner vor dem bekannten blutigen Ende der Indianer am Little Big Horn. Deutschland aber rang um seine staatliche Einheit. Otto von Bismarck ging es nicht um die Eroberung fremder Gebiete. Beim Ringen um die Einheit war Helmuth Graf Moltke militärischer Helfer in der Geburtsstunde des Reiches.

Als Moltke zwölf Jahre alt war, erlebte er, wie das Reich von den Heeren Napoleons zerschlagen wurde. Er erlebte die Niederlage Preußens und Rußlands durch Napoleon in der Schlacht von Jena und Auerstedt. Er litt unter der Not seines Landes. Mit den Gedanken von Carl v. Clausewitz in seinem Werk vom Kriege mit dem Schlüsselsatz, daß der Krieg die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln sei, wurde Moltke Soldat. Er diente kurze Zeit in der dänischen Armee und trat mit 22 Jahren in die preußische Armee ein. Dann vorübergehend als Instrukteur in türkischen Diensten. Hier ist er berühmt geworden durch die Vermessung weiter Landgebiete. Mit 33 Jahren kam er in den Großen Generalstab. Er war es, der die Heeresverstärkung in Preußen vorbereitete, die Bismarck gegen die liberale Mehrheit im preußischen Abgeordnetenhaus durchsetzte. Die Grundlage hatte er als Chef des Generalstabes erarbeitet.

Im Kriege gegen Dänemark 1864 hatte er als Generalstabschef der preußisch-österreichischen Armee den größten Anteil am schnellen militärischen Erfolg. Im deutsch-französischen Krieg 1870/1871 sicherte seine Arbeit den Sieg. Moltke hatte einen Blick zur Politik. So wurde er als konservativer Abgeordneter Mitglied des Reichstages und Mitglied des preußischen Herrenhauses. Nachdem er als Generalstabschef 1888 ausgeschieden war, wurde er Präses der Landesverteidigungskommission.

Moltkes Strategie berücksichtigte Napoleons Operationsprinzipien. Erstaunlich war, daß er – trotz seiner Zielsetzung, den Hauptstoß in das Zentrum des Gegners zu führen und einen raschen Sieg zu erzwingen – immer auch defensive Operationen in seine Planung einbezog. Seine strategische Begabung zeigte sich 1866, als er mit drei getrennten Kolonnen gegen die Habsburger antrat und siegte. Dies nach seinem Prinzip: Getrennt marschieren, vereint schlagen! Im Kriege 1870/71 versuchte er den Anfangserfolg dadurch zu sichern, daß er seinen unterstellten Kommandeuren die Freiheit des Handelns überließ. Moltke hatte hier die Auftragstaktik entwickelt, die noch heute in der Bundeswehr gelehrt wird. Im deutsch-französischen Krieg suchte Moltke die schnelle Entscheidung vor Paris und die völlige Niederwerfung der Franzosen. Hier stand er im Gegensatz zu den Vorstellungen von Bismarck, aber der Erfolg gab ihm recht. Moltke hatte erkannt, daß der Heerführer nicht starr am Plan festhalten durfte, sondern sich an die Entwicklung der Lage stets neu anpassen mußte. Er sah Strategie als ein System der Aushilfen. Dies galt auch noch bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges, als strategische Planungen kaum noch möglich waren.

Logistisches Planen im Krieg, die Ausnutzung aller technischen Möglichkeiten, wie Eisenbahnwesen und Telegraphie, gehen auf ihn zurück. Er war als Feldherr auch darin genial. Er war es auch, der die Bildung der Offiziere vorantrieb und sich besonders um die Weiterbildung der Generalstabsoffiziere bemühte.

Moltke lebte nach dem Grundsatz: Viel leisten, wenig hervortreten, mehr sein als scheinen! Das muß auch heute noch für den deutschen Offizier Verpflichtung sein. Gerd-H. Komossa