20.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
18.11.00 Starkes inneres Erleben

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 18. November 2000


Starkes inneres Erleben
Vor 95 Jahren wurde die Malerin Ingrid Wagner-Andersson geboren

Ihre Arbeiten, auch so manches Mal im Kalender "Ostpreußen und seine Maler", abgebildet, sind heute in vielen Museen zu finden, so in der Mannheimer Kunsthalle, im Museum Ostdeutsche Galerie Regensburg, im Ostpreußischen Landesmuseum in Lüneburg und in Bad Kreuznach. Vor allem die zarten Wintermotive sind es, die Ingrid Wagner-Andersson meisterhaft darstellte und die den Betrachter noch heute in ihren Bann ziehen. "Sie gewann den Winter lieb", bemerkte einmal ein Kritiker, ",als eine Landschaft, die den Malern abstrakte Bilder liefert‘. Die Natur wurde erneut zur großen Lehrmeisterin und ihre Farbe wurde Weiß ..."

Geboren wurde die Tochter eines Schweden und einer Ostpreußin vor 95 Jahren, am 23. November 1905, in Allenstein. Schon früh fühlte sie sich zur Kunst hingezogen – ein Talent, das offensichtlich in der Familie lag, denn Schwester Hedwig sollte später einmal reizende Gedichte und eindrucksvolle Prosa niederschreiben. Ingrid Andersson fing bereits mit elf Jahren an zu malen. Was lag da näher, als nach dem Abitur an der Luisenschule in Allenstein die Königsberger Kunstakademie zu besuchen? Ihre Lehrer waren Professor Alfred Partikel und Professor Fritz Burmann. Eine Zeitlang besuchte sie auch das Werklehrerseminar in Berlin, da sie ursprünglich Zeichenlehrerin hatte werden wollen. 1933 jedoch kehrte Ingrid Andersson nach Königsberg zurück und wurde Meisterschülerin von Partikel.

Die Schülerin wußte später anschaulich von dem Unterricht des begnadeten Malers und Lehrers zu berichten, der so viele Studenten prägte: "Das tägliche Arbeiten vor Modell: Kopf, Akt, Figur gehörte genauso zu dem Arbeitsplan wie das drei- bis vierwöchige Hinausgehen aufs Land in jedem Semester. Wir arbeiteten in freier Natur, und wohl kaum ein Winkel in Ostpreußen, der es wert war, blieb uns unbekannt. Das Atelier war also nicht der einzige Arbeitsbezirk. – An manche Orte gingen wir auch ein zweites Mal, erfreut begrüßt von den Einwohnern. Die Rominter Heide, die Masurischen Seen mit ihren Dörfern und Bauernhöfen in großer Einsamkeit, die Landschaft um Elbing, der Drausensee, die Umgebung von Braunsberg, das Frische Haff mit Kahlberg und Narmeln, vor allem aber die Kurische Nehrung mit Nidden, Pillkoppen, Schwarzort, das Weichselgebiet bis zur polnischen Grenze, die Dörfer Mierunsken, Tewelkemen, Maldeuten bei Mohrungen, alles dies sehe ich vor mir, unverwüstet, voller Frieden und Ruhe ..."

Die intensive Begegnung mit dem ostpreußischen Land schlug sich denn auch immer wieder im Werk der Künstlerin nieder. Pressestimmen loben die "Beherrschung des Landschaftlichen", ihre "ans Phantastische grenzende Darstellung des Menschlichen" und heben ihr "gediegenes Werk ohne Frivolitäten und Extravaganzen" hervor. Wie durch ein Wunder hat Ingrid Wagner-Andersson ihre Skizzenbücher, die auf den Fahrten durch Ostpreußen entstanden, vor dem Inferno des Krieges retten können. Sie halfen später auch, Motive der Heimat auf Papier oder Leinwand zu bannen.

"Das innere Erleben ist so stark", hat einmal ein Kritiker beim Betrachten ihrer Arbeiten erkannt, "daß dem Beschauer die Schönheit jener Einsamkeit fast greifbar in Erscheinung tritt. Eine Steigerung in gewissem Sinne bedeuten noch die Aquarelle der letzten Wochen in Nidden: unter dem Eindruck der stürmischen Herbstzeit verlieren die Konturen ihre zeichnerischen Umrisse, alle Einzelmotive erhalten etwas Unwirkliches und werden zu Gleichnissen ihrer selbst ..."

Immer wieder konnte Ingrid Wagner-Andersson ihre Werke auf Ausstellungen zeigen, in ihrer Heimat Ostpreußen und später auch "im Reich". 1941 hatte sie den Schwaben Franz Wagner geheiratet und war mit ihm ins pfälzische Hochstetten gezogen. Dort lebte und arbeitete sie mehr als zwei Jahrzehnte, bis sie am 10. Juli 1970 für immer ihre Augen schloß. Silke Osman