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18.11.00 "Ein Soldat muß auch Glück haben"

© Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 18. November 2000


"Ein Soldat muß auch Glück haben"
1915: Treffen des schwedischen Asienforschers Sven Hedin mit Hindenburg in Lötzen

Auf Tannenberg war der ebenso glänzende Sieg in der Winterschlacht an den Masurischen Seen gefolgt. Als ich am 1. März 1915 zum erstenmal die Ehre hatte, Generalfeldmarschall v. Hindenburg in Lötzen zu sprechen, herrschte verhältnismäßige Ruhe in Ostpreußen. Er bewohnte mit General Ludendorff zusammen ein kleines einfaches Haus. Im Nebenhaus wohnten die Adjutanten, darunter Hindenburgs Schwiegersohn Hauptmann v. Brockhausen; hier wurde mir, da ich Gast des Feldmarschalls war, für die Woche ein Zimmer zur Verfügung gestellt.

Niemals werde ich diesen Tag vergessen. Der Stab, Staatssekretär des Reichskolonialamtes Solf, Graf Metternich und ich warteten in einem Vorzimmer. Ruhige, schwere Tritte ertönten, und Hindenburg trat ein. Er begrüßte die Gäste, machte dem Stab eine leichte Verbeugung und bat uns in das Speisezimmer.

Vom ersten Augenblick an machte Hindenburg einen gewaltigen, achtunggebietenden Eindruck. Er war von stattlichem Wuchs, kräftig gebaut, wie ein Germane aus dem Teutoburger Wald, der gewohnt ist zu roden, zu bauen, Widerstände zu brechen. Sein Kopf war fast viereckig, graublaue Augen mit ruhigem, ernsten Blick, einen energischen Zug um den Mund und trug einen Knebelbart.

Hindenburg war weder lebhaft noch impulsiv in seiner Rede. Das Gespräch floß langsam, die Fragen wurden klar und bestimmt gestellt und erforderten eine deutliche Antwort. Er schien keine Nerven zu haben und war stets gleichmäßig und unerschütterlich ruhig. Seine Stimme wechselte nicht, sondern war immer beherrscht. Auch in den schwierigsten Lagen hat ihn niemand unruhig gesehen.

Zu Beginn der Unterhaltung äußerte ich, daß ihn das Bewußtsein, sein Land aus einer tödlichen Gefahr gebracht zu haben, mit Stolz erfüllen müsse. Er antwortete: "Ja, sehen Sie, Herr Doktor, ein Soldat muß auch Glück haben." In den nächsten Tagen war ich mittags und abends immer Hindenburgs Gast. Besonders abends führten wir stundenlange Gespräche, Ludendorff war stets anwesend, brach aber gewöhnlich vor den andern auf. Er redete nicht viel, war aber ein aufmerksamer Zuhörer. Wir sprachen vor allem vom Krieg an der Ostfront.

Wenn wir abends beim Bier saßen, konnte der Sieger von Tannenberg unvermutet äußern: "Aber jetzt haben wir so viel von diesem Krieg gesprochen, jetzt müssen Sie etwas von Ihren Reisen in Asien erzählen." Und mitten im deutschen Hauptquartier führte ich dann den Oberbefehlshaber, Ludendorff und die drei andern Herren des Stabes durch die Wüste Taklamakan, an den Lop-nor und über die eisigen Pässe des Transhimalaja. Mit Klarheit und weitschauendem Blick stellte dann Hindenburg viele Fragen über Asiens Zukunft, besonders über Japan, China und Indien … Eines Abends kamen wir darauf, wie sich die Welt wohl nach dem Kriege gestalten würde, ich sprach die Hoffnung aus, meine Forschungen in Asien wieder aufzunehmen. "Wissen Sie, was ich nach dem Einzug durchs Brandenburger Tor machen werde?" fragte Hindenburg.

"Nein, aber ich hoffe, einen guten Platz Unter den Linden zu erhalten, wenn die Truppen einziehen." "Das verspreche ich Ihnen. Sie sollen ein ganzes Fenster bekommen. Aber dann, wenn aller Staat und Pomp vorbei ist, wird mich nichts auf der ganzen Welt mehr freuen, als mich ins Privatleben nach Hannover zurückzuziehen. Da werde ich mir die Pfeife anstecken, mich in einen bequemen Lehnstuhl setzen und ein spannendes Buch lesen."

Wie ganz anders gestalteten sich die letzten 20 Jahre seines Lebens! Nachdem der greise Feldmarschall am 3. Juli 1919 den Oberbefehl als Chef des deutschen Feldheeres niedergelegt hatte, konnte er sich nur fünf Jahre eines ruhigen Lebens erfreuen. Am 12. Mai 1925 trat er das Amt des Reichspräsidenten an. Da war es wieder aus mit dem Frieden. Er ist nie mehr in sein Heim in Hannover zurückgekehrt. Sein Platz blieb bis zu seinem Tode am 2. 8. 1934 das Palais des Reichspräsidenten in der Wilhelmstraße in Berlin. Nach meinem Lötzener Aufenthalt war ich in Galizien. Während der folgenden Jahre kam ich mit Hindenburg im Großen Hauptquartier in Pleß und auch an der Westfront zusammen. Am 20.9.1926 war ich in Berlin. Hindenburg hatte mich gebeten, nie durch Berlin zu fahren, ohne ihn aufzusuchen … Punkt halb drei erhob ich mich, um mich zu verabschieden. "Weshalb diese Eile?" fragte er. "Aus Lötzen erinnere ich mich sehr gut, daß Sie immer Punkt halb drei Ihren Mittagsschlaf zu halten pflegten."

Er ließ ein kurze, tiefes Brummen hören, und über seine Züge flog ein kaum merkbares Lächeln. "O, Sie haben das nicht vergessen! Ja, ich habe dieselben Gewohnheiten im Frieden."

... Sein letzter Brief trägt das Datum 5.10.1933, also 10 Monate vor seinem Tode. (Urumtschi)

Am 26.3.36 unternahm ich eine Wallfahrt zu Hindenburgs Grab bei Hohenstein. Am Eingangstor zur Kuppelhalle des Grabturms stand Hindenburgs Bekenntnis: "Maßgebend war in meinem Leben und Tun für mich nicht der Beifall der Welt, sondern die eigene Überzeugung, die Pflicht und das Gewissen." Am Eingang zur Grabkrypta hielten zwei Posten Wacht. Sie trugen Stahlhelm und Mantel und hatten das Gewehr bei Fuß. Der Boden der Krypta war aus Granit, das Gewölbe aus dunkelgrünem Diabas. Unter dem runden Fenster im Hintergrund mit den zwei Adlern erhoben sich zwei steinerne Kreuze, das eine mit der Aufschrift: "Sei getreu bis in den Tod", das andere mit den Worten: "Die Liebe höret nimmer auf." Vor den Kreuzen standen zwei Sarkophage aus Bronze. "Paul von Beneckendorff und von Hindenburg, geb. 2.10.1847, gest. 2. 8. 1934." Der kleinere Sarkophag: "Gertrud v. Hindenburg, geb. Sperling."

Aus Sven Hedin: "Große Männer, denen ich begegnete", Brockhausverlag 1953, S. 157 ff.